„In der Opposition wäre die Neuaufstellung einfacher“
Hilde Mattheis ist politisch im linken Flügel der SPD zu Hause und kämpfte erbittert gegen eine Große Koalition. Weshalb die Politikerin aus Ulm dennoch nicht von einer Enttäuschung sprechen möchte
Frau Mattheis, Sie haben in den vergangenen Wochen in Ihrer Partei mit aller Kraft für eine Ablehnung des Koalitionsvertrags geworben. Wie geht es Ihnen mit dem Ausgang des Mitgliederentscheids?
Enttäuschung ist in dem Zusammenhang nicht das richtige Wort, meine ich. Es war eine demokratische Abstimmung, bei der nicht die Mehrheit mit Nein gestimmt hat. Das Ergebnis zeigt aber, dass immerhin ein Drittel der SPDMitglieder eine Große Koalition ablehnt. Das ist keine Zahl, die man so einfach wegwischen kann.
Zwei Drittel sind doch eine klare Mehrheit ...
Im Vergleich zu 2013 ist die Zustimmung zu einer Koalition mit der Union deutlich gesunken. Die GroKo-Gegner sind alles andere als eine kleine Minderheit.
Werden Sie die künftige Regierung nun unterstützen oder gegen sie vorgehen? Sie könnten ja etwa bei der bevorstehenden Kanzlerwahl gegen Angela Merkel stimmen ...
Der Ausgang des Mitgliederentscheids ist so zu akzeptieren. Und rein inhaltlich ist im Koalitionsvertrag aus SPD-Sicht durchaus Gutes enthalten. Viel wichtiger ist es, dass die SPD jetzt ihren dringend notwendigen Erneuerungsprozess einleitet und wir diesen gemeinsam angehen.
Wie stellen Sie sich diesen Prozess denn vor?
Wir müssen den Menschen endlich wieder klarmachen, für was wir stehen. Dass wir einen hohen ökologischen und friedenspolitischen Anspruch haben. Vor allem aber, dass wir die Partei der sozialen Gerechtigkeit sind, die für eine bessere Umverteilung des Wohlstands sorgt.
Wie weit nach links müsste die SPD aus Ihrer Sicht rücken?
Die SPD muss sich ganz klar als linke Volkspartei verorten. Für die Bevölkerung war unser linkes Profil nicht mehr erkennbar, das hat ja zu unserem schlechten Wahlergebnis geführt. Eine weitere GroKo droht das Rechts-Links-Schema weiter zu verwischen, die Unterscheidbarkeit wird ja immer geringer. In der Opposition wäre die Neuaufstellung deutlich einfacher gewesen.
Kann die SPD nicht auch aus einer Regierung gestärkt hervorgehen?
Aus der Erfahrung der Vergangenheit wird das sehr schwierig werden. Daher ist es umso wichtiger, die Basis mitzunehmen, einzubinden, zu Wort kommen zu lassen. Dazu müssen sich unsere Strukturen ändern. Unsere Mitglieder brauchen mehr Möglichkeiten, sich zu beteiligen, mitzumachen und mitzuentscheiden.
War der Mitgliederentscheid denn keine solche Möglichkeit?
Doch. Und ich bin sehr stolz darauf, dass 78 Prozent der SPD-Mitglieder ihre Stimme abgegeben haben.
Die SPD hat über Personalfragen in letzter Zeit viel gestritten. Stimmt die Mannschaft an der Spitze? Sollte etwa Kevin Kühnert Minister werden?
In der Führungsriege müssen sich jedenfalls künftig auch Leute wiederfinden, die zu dem Drittel der Parteimitglieder gehören, die gegen eine GroKo sind.
Hilde Mattheis aus Ulm sitzt seit 2002 für die SPD im Bundes tag. Sie ist Vorsitzende des innerparteili chen Forums Demokratische Linke 21. Wie Juso Chef Kevin Kühnert kämpfte sie erbittert gegen eine Große Koalition.