Illertisser Zeitung

Was wird jetzt aus Sigmar Gabriel?

Andrea Nahles könnte ihren alten Rivalen nun in Rente schicken. Doch die Sache hat gleich zwei Haken

- VON MICHAEL STIFTER

Geht es nach der Mehrheit der Deutschen, bleibt Sigmar Gabriel Außenminis­ter. Aber es geht nach Andrea Nahles. Die politische Zukunft des 58-Jährigen liegt in den Händen einer Frau, die ihn nicht besonders leiden kann. Das allein muss noch nichts heißen. Es gibt gute Gründe, den beliebtest­en SPD-Politiker in der Regierung zu behalten. Das weiß auch seine Rivalin. Und noch hat sich die designiert­e Parteichef­in ja nicht entschiede­n – sagt sie jedenfalls. Angeblich will sie die Namen der SPD-Minister sogar erst Ende der Woche verraten. Zumindest eines ist schon jetzt klar: Das deutliche Ja der Genossen zur Großen Koalition ist auch ein Ja zu Nahles. Und was gut für sie ist, ist schlecht für Gabriel.

Am Tag, an dem die Sozialdemo­kraten ihren Widerstand gegen das Regieren aufgeben, meldet sich der Noch-Außenminis­ter per Twitter. „Auf die Mitglieder der SPD ist tippt er mittags in sein Smartphone. Doch ist auch auf Gabriel Verlass? Diese Frage wird sich Nahles in den kommenden Tagen stellen. In seinen sieben Jahren an der SPD-Spitze hat er die Nerven seiner Parteifreu­nde oft auf harte Proben gestellt. Spontane Kurswechse­l und Bauchentsc­heidungen gehören in dieser Zeit zum Tagesgesch­äft. Mit seinen Querschüss­en im Bundestags­wahlkampf macht er dem Kanzlerkan­didaten Martin Schulz das Leben nicht leichter. Das Verhältnis der beiden früheren Freunde verschlech­tert sich von Woche zu Woche. In Berlin fragen sich damals viele, wer denn nun der Chef ist. Muss Nahles also befürchten, dass sich die Geschichte wiederholt? Dass sich Gabriel auch in Zukunft nicht mit einer Position in der zweiten Reihe abfinden kann?

Die Versuchung, sich den Mann mit der kurzen Zündschnur vom Hals zu schaffen, ist jedenfalls groß. Doch die Sache hat gleich zwei Haken. Erstens: Gabriel ist so populär nie. Und zweitens könnte man es auch als Zeichen von fehlender Souveränit­ät interpreti­eren, wenn Nahles einen unbequemen Genossen abserviert. CDU-Chefin Angela Merkel hat jedenfalls gerade großen Applaus dafür bekommen, dass sie mit Jens Spahn einen ihrer schärfsten internen Widersache­r in die Regierung befördern will. Und doch liegt die Sache bei Gabriel ein wenig anders. Mit seiner jüngsten emotionale­n Entgleisun­g hat er Nahles geradezu eine Steilvorla­ge geliefert, ihn in Rente zu schicken: Als klar wird, dass der gescheiter­te Kanzlerkan­didat Schulz ihm den Posten im Auswärtige­n Amt wegnehmen will, wettert Gabriel öffentlich gegen die Parteispit­ze. Er spannt sogar seine kleine Tochter ein, um über seinen einstigen Vertrauten zu motzen („Der Mann mit den Haaren im GeVerlass“, sicht“). Selbst Leute, die es gut mit ihm meinen, schütteln den Kopf. Zwar hat Gabriel inzwischen die Kurve gekriegt, doch möglicherw­eise kommen seine Entschuldi­gungen zu spät. Demonstrat­iv betont Nahles, die SPD-Minister müssten „als Team funktionie­ren“. Und Teamfähigk­eit gehört bekanntwie lich nicht zu Gabriels Kernkompet­enzen. Nur wer, wenn nicht er?

Als mögliche Außenminis­ter werden Justizmini­ster Heiko Maas und Familienmi­nisterin Katarina Barley genannt. Doch auch Thomas Oppermann, der Nahles seinen Posten als Fraktionsc­hef überlassen musste, hat gute Chancen. Der 44-jährige außenpolit­ische Sprecher Niels Annen wiederum wäre ein Zeichen der Verjüngung. Sechs Ministerie­n hat die SPD zu besetzen. Die Hälfte davon soll an Frauen gehen. Gesetzt ist bislang allerdings nur ein Mann: Interims-Parteichef Olaf Scholz übernimmt das prestigetr­ächtige Finanzress­ort und soll zugleich Vizekanzle­r werden. Barley und Maas bleiben ebenfalls sicher im Kabinett, offen ist nur, in welchem Amt.

Dass die SPD auch Verlierer des Mitglieder­votums in die Regierung einbindet, ist eher unwahrsche­inlich. Die Anführer der NoGroKoBew­egung, wie Juso-Chef Kevin Kühnert, kommen für ein Ministeram­t derzeit kaum infrage.

Die Attacke auf Schulz hat Gabriel schwer geschadet

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Foto: dpa Sigmar Gabriels Chancen, Minister zu bleiben, sind gesunken.

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