„Baulandpreise werden explodieren“
Haben beim Flächenverbrauch nicht gerade viele Kommunen versagt? Was Bayerns Gemeindetagspräsident dazu sagt und warum ihm das Volksbegehren der Grünen nicht passt
und Ortskerne veröden, auf der „grünen Wiese“und entlang von Autobahnen und Bundesstraßen entstehen Gewerbegebiete mit riesigen Parkplätzen. Nun hat der Bayerische Gemeindetag ein Paket von Forderungen vorgelegt, um den Flächenverbrauch zu reduzieren. Haben aber nicht gerade viele Kommunen in der Vergangenheit versagt? Was sagen Sie als Präsident des Gemeindetags dazu?
Der Flächenverbrauch ist nicht nur den Kommunen anzulasten. Gerade für die überörtlichen Verkehrsplanungen des Landes und Bundes inklusive der Bahn werden und wurden erhebliche Flächen in Anspruch genommen.
Trotzdem kommt es auch auf die Städte und Gemeinden an. Sie haben auf ihrem Gebiet Planungshoheit.
Nicht zu bestreiten ist, dass es vereinzelt Sündenfälle geben mag. Nicht zu bestreiten ist aber auch, dass zum Beispiel bei Verbrauchermärkten kein Vollversorger mehr bereit ist, unter 1200 Quadratmeter Verkaufsfläche zu bauen – nicht weil er so gerne mehr investiert, sondern weil der Verbraucher das volle Sortiment will. Da haben sie dann als kommunaler Entscheider die Wahl: keine Versorgung und Abwanderung, oder dem zu entsprechen, was der Investor bereit ist zu bauen. Daraus ein generelles Versagen der Kommunen abzuleiten, geht an der Realität vorbei. Die Mehrheit der Kommunen nimmt ihre Planungsaufgaben sehr gewissenhaft und verantwortungsbewusst wahr.
Warum ist es so schwierig, die Ortskerne zu revitalisieren, Brachflächen und Baulücken zu nutzen? Hier liegt doch, wie Sie selbst schreiben, eine Siedlungsfläche ungenutzt, die laut der Statistik des Bundes dem Flächenverbrauch für sieben Jahre (2008 – 2015) entspricht?
Die meisten Brachflächen gehören nicht den Gemeinden und können auch nicht erworben werden. Das Bauplanungs- und Ordnungsrecht gibt den Kommunen nahezu keine durchsetzbaren Möglichkeiten, über diese Grundstücke gegen den Willen des Eigentümers zu verfügen. Die Rechtsprechung gibt den Eigentümern einen sehr starken Schutz, die Sozialpflichtigkeit bleibt auf der Strecke. Viele Grundstücke bleiben damit Spekulationsobjekte.
Sie schlagen vor, in Eigentumsrechte von Grundeigentümern einzugreifen, etwa wenn Bauruinen ungenutzt verfallen oder Bauland zu Spekulationszwecken missbraucht wird. Wie weit wollen Sie dabei gehen?
Es geht genau nicht um ei- Eingriff ins Eigentum, sondern um die Konkretisierung der Sozialpflichtigkeit. Wenn außergewöhnliche Spekulationsgewinne etwa durch eine Spekulationssteuer (Grundsteuer C) abgeschöpft werden können, wird das sicher dazu führen, dass Eigentümer darüber nachdenken, ob sie das Grundstück nicht besser einer Bebauung und Nutzung zuführen. Mit einem gemeindlichen Ankaufsrecht für bebaubare oder sanierungsbedürftige Grundstücke/ Gebäude könnte die Gemeinde den Eigentümer vor die Wahl stellen, das Grundstück oder Gebäude selbst zu bebauen beziehungsweise instand zu setzen oder zum Verkehrswert an die Kommune abzugeben. Wer eine echte Innenentwicklung will, und sich nicht auf Programmsätze und Empfehlungen beschränkt, der muss konsequent auch Instrumente zur Verfügung stellen, die diese gewünschte Entwicklung auch ermöglichen.
Wie stehen Ihrer Ansicht nach die Chancen, dass mit einer Grundsteuer C der Spekulation mit Grund und Boden Einhalt geboten wird?
Wenn diese Grundsteuer entsprechend ausgestaltet ist, dann gibt es dafür gute Chancen.
In einigen Punkten sind Ihre Forderungen deckungsgleich mit den FordeInnenstädte rungen der Grünen, die in Bayern ein Volksbegehren gegen den hohen Flächenverbrauch betreiben – zum Beispiel die Forderung, Handelsunternehmen Tiefgaragen vorschreiben zu dürfen. Warum kritisieren Sie dennoch das Volksbegehren so scharf?
Was mir nicht gefällt, ist die Schwarz-Weiß-Malerei der Grünen und die Feindbilder, die wahltaktisch aufgebaut werden. Das Thema eignet sich zur Emotionalisierung. Das dicke Ende wird den Wählern aber verschwiegen. Auch die Kommunen wollen Flächen sparen. Die Grünen erklären den Menschen nicht, dass mit ihrem strikten Ansatz eine Verwirklichung gleicher Lebens- und Arbeitsbedingungen unmöglich gemacht wird.
Rechnen sie selbst. Bei einem Tagesverbrauch von fünf Hektar inklusive Verkehrsflächen und Ausgleichsflächen, wie von den Grünen gefordert, wird einer Kommune von 5000 Einwohnern ein Entwicklungspotenzial von rund 3000 Quadratmeter pro Jahr zugebilligt. Damit kann sich keine Gemeinde mehr vernünftig entwickeln. Im Gegenteil: Die Preise für Bauland werden explodieren und der Urbanisierungsdruck zunehmen. Der vorgeschlagene Verkauf von nicht verbrauchten Flächen wird dazu fühnen ren, dass sich nur die Gemeinden weiter entwickeln, die dafür die Kohle haben. Das ganze Konstrukt ist nach unserem Dafürhalten verfassungswidrig. Fazit: Flächensparen ja, aber angepasst und so, dass Entwicklungen möglich bleiben, die einem Land mit Bevölkerungswachstum und dem Anspruch, Wohlstand zu erhalten, gerecht werden.
Würde es ohne das Volksbegehren nicht einfach so weitergehen wie bisher? Ihre Partei, die CSU, bekennt sich schon seit vielen Jahren zum schonenden Umgang mit der Ressource Boden, viel besser geworden ist es aber nicht.
Das ist mit Verlaub nicht korrekt! Der Flächenverbrauch ist seit Jahren zurückgegangen, und selbstverständlich muss unser Bemühen weiter dahin gehen, Flächenverbrauch einzudämmen. Aber so einfach ist es eben nicht. Wir haben zum Beispiel unstreitig eine Unterversorgung mit Wohnungen und Wohnraum. Die ausreichende Wohnraumversorgung ist übrigens auch ein Verfassungsziel. Wollen Sie künftig einer Familie, die ein Grundstück sucht, um sich etwas zu schaffen, sagen: Sorry, wir können dir kein Grundstück geben, unser Flächenkontingent ist verbraucht? Das ist doch ein Aberwitz.
Kennen Sie den aus „Klimbim“? Django weigert sich, im Linienbus eine Fahrkarte zu kaufen („Django zahlt heut’ nicht“). Was angesichts des bedrohlichen Westerners bei dem ängstlichen Fahrer zwei Mal durchgeht. Bis der sich ein Herz fasst und um das Vorzeigen des Fahrscheins bettelt. Die Antwort: „Django zahlt heut’ wieder nicht, Django hat ’ne Monatskarte!“
Forschen Sie bitte in Ihrem Gedächtnis. Haben Sie mal einen neuen echten italienischen DjangoFilm gesehen? Geht heute nicht, ist so unvorstellbar wie ein Schaffner. Django ist nicht mehr. Es mag Zeiten gegeben haben, da zog der Nichtzahler in einem eiskalten März seinen berühmten Sarg von München aus nach Mammendorf und kam dort noch fünf Minuten früher an als die schon damals verspätete Eisenbahn. Django ist in seiner dünnen Satteldecke erfroren.
Für die S-Bahn nicht zahlen, das hätte sie verdient. Aber der Mensch von 2018 lässt sich ja viel gefallen. Nicht nur, dass er zitternd mehr auf Bahnsteigen lebt, als dass er Zeit im Zug zu verbringt, er riskiert seine Gesundheit, damit er schniefend, aber stolz seinem Arbeitgeber sparen hilft.
Wer jetzt grantelt, die Bahn sei verliebt in ihre Dauerverspätungen, tut dem genial arbeitenden Unternehmen unrecht. Ständig wird über Stuttgart 21 und den Juchtenkäfer gelästert, dabei testet in Bad Cannstatt die Bahn gerade einen leuchtenden Wagenstand bei Ankunft der S-Bahn. Eine Minute weniger Verspätung! Ein Tütchen Halsbonbons eingespart! Und dazu gratis der Slogan „Dynamische Wegeleitung mit Leuchtstreifen!“.
Mag der Politik der Ausbauzustand spezieller Heizeinrichtungen in betriebswichtigen Weichen am Herzen liegen – wir machen uns mit Blick auf den Bahnsommer 2018 bereits warme Gedanken: Sitzen und schwitzen!
Warum es so schwierig ist, Ortskerne zu revitalisieren