Illertisser Zeitung

Sie fährt eine Kleinstadt durch die Weltmeere

Nicole Langosch ist die erste deutsche Kapitänin eines Kreuzfahrt­schiffs. Ein Vorbild fürs „Traumschif­f“?

- Joachim Mangler, dpa

Auf dem „Traumschif­f“ist es wie in der Wirklichke­it auch: In fast 40 Jahren Fernsehges­chichte hatte das Luxusschif­f keinen einzigen weiblichen Kapitän, stattdesse­n folgten vier Herren am Steuer einander nach. Doch in der Realität hat sich gestern etwas geändert. Im Hafen von Gran Canaria hat Nicole Langosch als erste Deutsche das Kommando über ein Kreuzfahrt­schiff übernommen. Über staunende Blicke wundert sich die 34-Jährige gar nicht mehr. „Ich bin mir bewusst, dass ich von allen Seiten beäugt werde“, sagt die Kapitänin im Dienste der Rostocker Kreuzfahrt­reederei Aida Cruises. Ist das Schiff namens Aidasol voll belegt, ist sie für rund 2200 Passagiere und rund 630 Angestellt­e verantwort­lich. „Ich fahre hier eine Kleinstadt durch die Gegend“, sagt sie.

Seit zehn Jahren ist Langosch auf Aida-Schiffen tätig, zwölf Kreuzer umfasst aktuell die Flotte. Als sie vor fünf Jahren Vize-Kapitänin wurde, wusste sie, dass sie diesen letzten Schritt auch gehen will. „Ich bin stolz, das erreicht zu haben.“In diesen fünf Jahren hatte sie genügend Zeit, sich in die Rolle der Kapitänin hineinzude­nken. Negative Erfahrunge­n, etwa als Frau nicht für voll genommen zu werden, habe sie nicht gemacht. „Ich habe immer die volle Akzeptanz bekommen“, sagt die Wahl-Hamburgeri­n. Dabei hilft ihr gewiss auch die Art ihres Umgangs mit Menschen. „Ich bin direkt und zielstrebi­g und habe sehr Vorstellun­gen davon, wie etwas laufen soll.“Sie möchte keine Missverstä­ndnisse aufkommen lassen – ohne die Leute vor den Kopf zu stoßen. Gleichzeit­ig lege sie immensen Wert auf Teamarbeit, dazu gibt es etwa einen Schiffsrat, in dem wichtige Entscheidu­ngen beraten werden. „Aber die letzte Entscheidu­ng treffe halt ich.“Ob das nun der Befehl ist, ein Schlechtwe­ttergebiet zu umfahren oder den 253 Meter langen Ozeanriese­n sanft an eine Kaimauer zu legen. Langosch ist nicht nur die einzige deutsche Kapitänin eines Kreuzfahrt­schiffs, sonklare dern auch in der Schifffahr­t generell eine Exotin. Von aktuell 1032 deutschen Kapitänen sind 14 weiblich. „Die Schifffahr­t galt über Jahrhunder­te als reine Männerdomä­ne“, sagt Ralf Nagel, Geschäftsf­ührer des Verbands Deutscher Reeder. „Dieses traditione­lle Bild erfährt einen Wandel, den wir sehr begrüßen.“Sein Verband ermutige Frauen ausdrückli­ch, Berufe an Bord zu erlernen. Und um gleich ein Vorurteil auszuräume­n: „Männer und Frauen werden je nach ihrem Rang an Bord völlig gleich entlohnt.“

„Der Job muss in die Lebensphil­osophie passen“, betont Langosch. Sie habe den Beruf in dem Wissen ergriffen, dass die Vereinbark­eit mit Familie auf See problemati­scher ist als in anderen Berufen. Ziele wie eigene Familie und Kinder stünden aktuell nicht im Vordergrun­d. Im Augenblick habe sie den besten Job für sich gefunden und richtig viel Spaß dabei. „Es passt alles.“Jetzt muss nur noch das Fernsehen nachziehen. Immerhin bekommt das „Traumschif­f“nach dem Abschied von Chefhostes­s Beatrice alias Heide Keller dieses Jahr mit Barbara Wussow eine weibliche Hoteldirek­torin.

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Foto: Aida Cruises Wenn Nicole Langosch über die Reling „ihrer“Aidasol blickt,

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