Zu viele Top Zensuren
Experte kritisiert „Noteninflation“
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, kritisiert sinkende schulische Anforderungen im deutschen Bildungssystem. Meidinger spricht von einer „Inflation an guten Noten“. Man könne bei der Masse an Einser-Abiturienten die wirklich herausragenden gar nicht mehr erkennen, sagte er am Wochenende.
Bayern gilt traditionell als das Bundesland mit dem anspruchsvollsten Abitur. Sachsen mache dem Freistaat aber zunehmend Konkurrenz, hatte Meidinger beim Start der Abiturprüfungen im Mai 2017 schon unserer Zeitung gesagt. Er verweist außerdem auf die Pisa-Studie: 15-Jährige in Bremen hinkten Gleichaltrigen in Bayern oder Sachsen im Fach Deutsch um zwei Jahre hinterher. „Doch den Politikern fehlt der Mut, mehr Leistung einzufordern und zu sagen: Das nächste Abitur muss wieder schwerer werden.“
Weniger Sitzenbleiber, mehr gute Abiturnoten, weniger Schulabbrecher – das sei für Politiker zuletzt scheinbar der einfachste Weg gewesen, um bei den Menschen Zufriedenheit mit dem Bildungssystem herzustellen. Die informelle Vorgabe an manchen Schulleiter laute, die Anforderungen zu senken und weniger Schüler durchfallen zu lassen, erklärte der Verbandsvorsitzende, der selbst das Robert-Koch-Gymnasium im niederbayerischen Deggendorf leitet. „Eigentlich hätte der Weg anders gehen müssen: Was kann ich machen, um die Leistungen der schwächeren Schüler zu heben?“Leider habe sich auch bei der Einführung des G8 in Bayern gezeigt: „Die Politik hat aus Sorge vor schlechteren Abiturschnitten die Anforderungen gesenkt.“
Tatsächlich war die Zahl exzellenter Noten-Durchschnitte von 1,5 und besser im Freistaat zuletzt doppelt so hoch wie vor zehn Jahren. Ein entscheidender Grund liegt darin, dass schriftliche Leistungen in der Oberstufe anders als noch im G9 nicht mehr schwerer gewichtet werden als mündliche. Das heißt: Schüler können schlechte Noten im Schriftlichen durch eine gute im Abfragen kompensieren.
Doch ab Herbst macht Bayern die Kehrtwende. Die heutigen Fünftklässler werden ihr Abitur wie früher nach neun Jahren ablegen. Verbandschef Meidinger zufolge wäre die Schulreform eine gute Gelegenheit, die Notengebung wieder zu ändern und die Inflation an EinserSchnitten zu stoppen.