Illertisser Zeitung

Wie pflanzlich­e Kost die Gelenke unterstütz­t

Kann mit einer vegetarisc­hen oder veganen Ernährung das Risiko für Krebs gesenkt werden? Was ist von Superfood zu halten? Die Ärzte Irene Epple-Waigel und Udo Böhm helfen mit einem neuen Ratgeber

- Welche Mikronährs­toffe sind das? Das müssen Sie erklären. Auf was müssen Veganer achten? Interview: Daniela Hungbaur

Frau Dr. Epple-Waigel, Sie erklären in Ihrem neuen Buch „Vegetarisc­h oder vegan – aber richtig!“, dass Sie aufgrund Ihrer schweren Kniegelenk­arthrose aufhörten, Fleisch zu essen. Gibt es Studien, dass Gelenkerkr­ankungen durch eine überwiegen­d pflanzlich­e Kost aufgehalte­n oder gar geheilt werden können?

Ja, dafür gibt es viele Belege. Eine fleischbet­onte Kost heizt Entzündung­sprozesse im Körper an. Dagegen kann ich mit bestimmten Mikronährs­toffen sehr gut die Gelenke unterstütz­en.

Ich brauche zum einen die Substanzen, die der Knorpel enthält. Das sind beispielsw­eise Glucosamin und Kieselsäur­e. Letzteres kann ich gut durch Braunhirse zufügen. Das ist aber nur der eine Part. Wichtig ist ja auch, gegen die Entzündung­en vorzugehen, und hier habe ich für mich einen wunderbare­n Entzündung­s-Cocktail entdeckt, mein pflanzlich­es Kortison schlechthi­n: Ich nehme regelmäßig Kurkuma, Weihrauch in Form von Kapseln und Omega-3-Fettsäuren in Form von Mikroalgen­öl zu mir. Aber auch Gewürze wie Zimt, Pfeffer, Koriander und Kräuter haben hier sehr positive Effekte. Und Ingwer und Chili helfen.

Und dann gibt es die anti-entzündlic­he Salatsoße.

Olivenöl. Wir empfehlen ja, mehrere Öle zu verwenden, wie zum Beispiel Olivenöl, Hanföl und Rapsöl, um neben den Omega-3-Fettsäuren auch möglichst viele andere gesundheit­sdienliche Fettsäuren zu erhalten. Und wichtig in diesem Zusammenha­ng ist Vitamin D.

Kann ich mit einer vegetarisc­hen oder veganen Ernährung das Risiko für schwere Erkrankung­en wie Krebs verringern?

Ja, kann man. Dafür gibt es auch Zahlen. Und nicht nur das Risiko für Tumore kann ich verkleiner­n. Es sinkt beispielsw­eise auch das Erkrankung­srisiko für Diabetes mellitus Typ 2. Für Hypertonie, also für Bluthochdr­uck. Und die Herz-Kreislauf-Sterblichk­eit ist bei Vegetarier­n geringer.

Dies gilt aber nicht nur für vegetarisc­he und vegane Ernährung, sondern generell für eine gesunde, traditione­lle Kost. Das ist der Knackpunkt. Denn sowohl die vegetarisc­he als auch die vegane Ernährung kann ungesund sein, wenn es nicht richtig macht. Wichtig ist, vor allem darauf zu achten, alle Mikronährs­toffe in ausreichen­dem Maße zu sich zu nehmen, also Vitamine, Mineralsto­ffe, Spurenelem­ente.

Zu welcher Ernährung raten Sie nun?

Wir raten vor allem davon ab, sich von Zivilisati­onskost zu ernähren, also von stark verarbeite­ten Lebensmitt­eln. Wir empfehlen eine überwiegen­d pflanzlich­e Kost, deren Lebensmitt­el nach Möglichkei­t regional, saisonal und frisch sind. Vollwertig und abwechslun­gsreich sollte die Ernährung sein. Wenig Zucker, dafür aber gute Fette sollte die Nahrung enthalten.

Vegan ist sehr angesagt. Wenn ich Ihr Buch richtig verstehe, ist diese Ernährungs­weise vor allem sinnvoll aus ethisch-moralische­n Gründen, nicht aus medizinisc­hen?

Genau. Bei mir sind es, wie ich im Buch ja auch erkläre, ethisch-moralische Gründe, die mich dazu bewogen haben, auf Fleisch zu verzichten. Ich kann die Bilder und Berichte von Schlachthö­fen, Massentier­haltung und Tiertransp­orten nicht mehr ertragen. Ich will so wenig wie möglich mitverantw­ortlich für das Leid unserer Mitgeschöp­fe sein. Ginge es nach mir, sollten die Tiere artgerecht le- und eines natürliche­n Todes sterben dürfen.

Man muss auf ein ausgeglich­enes Verhältnis aller Nährstoffe achten. Man braucht beispielsw­eise, wenn man gar kein Fleisch isst, hochwertig­e pflanzlich­e Proteinque­llen. Hier sind an erster Stelle Hülsenfrüc­hte zu nennen, aber auch Nüsse. Soja eher in Maßen. Aber auch Vitamine, Spurenelem­ente und die ungesättig­ten Fettsäuren sind elementar. Zentral ist das Vitamin B12 – das muss ich ergänzen. Um sicher zu sein, mich als Veganer ausgewogen zu ernähren, empfehlen wir regelmäßig­e Laborkontr­ollen.

Wie gefährlich ist ein veganer Ernährungs­stil für Kinder?

Die Gefahr sind Nährstoffm­ängel, die zu bleibenden Schäden während der kindlichen Entwicklun­g führen können. Wer eine vegane Ernährung für seine Kinder will, sollte das unbedingt unter ärztlicher Aufsicht tun, da man sich wirklich sehr gut auskennen muss.

Wichtig ist aber schon die Ernährung der Mutter. Sie ist entscheide­nd für die Entwicklun­g des Kindes. So kann es bei Müttern, die sich schlecht vegan ernähren, zu schweman ren Schäden bei den Kindern kommen.

Es wächst ja auch das Angebot an veganen Fertigprod­ukten. Wie beurteilen Sie die?

Die braucht es gar nicht. Das ist Zivilisati­onskost.

Aber nicht alle haben Zeit zum Kochen.

Wenn ich ein Fertigprod­ukt erhitze, brauche ich fünf Minuten. Wenn ich eine frische Geben müse-Pfanne zubereite – die Hülsenfrüc­hte beispielsw­eise kann ich gut vorbereite­n –, brauche ich vielleicht zehn Minuten. Das muss mir meine Gesundheit doch wert sein.

Und einen Schweinsbr­aten zuzubereit­en, braucht wesentlich länger als ein frisches Gemüse aus dem Wok. Habe ich wirklich wenig oder gar keine Zeit, dann kaufe ich eben Tiefkühlge­müse.

Sie halten, wie Sie in Ihrem Buch schreiben, auch nichts von Superfood.

Weil wir in der Region so viele Früchte und Pflanzen haben, die enorme Wirkung haben, aber vielleicht nicht so chic klingen.

Dabei hat sich längst gezeigt, dass wir zum Beispiel das Getreide Quinoa, das sehr angesagt ist, gar nicht so gut vertragen, weil unser Organismus eben gar nicht darauf eingestell­t ist. Doch beim Superfood wird immer wieder ein neues Produkt angepriese­n und viele fallen drauf rein.

Nennen Sie doch Beispiele für regionales Powerfood, wie Sie es in Ihrem Buch bezeichnen.

Für die exotischen Gojibeeren kann ich beispielsw­eise Heidelbeer­en nehmen oder Schwarze Johannisbe­eren. Aber auch die Berberitze enthält viel Vitamin C. Und für Chia-Samen nehme ich Hanf- oder Leinsamen.

Manche könnten mit Blick auf Makround Mikronährs­toffe schon den Eindruck bekommen, dass eine gesunde Ernährung ziemlich komplizier­t ist.

Ist sie aber nicht. Man kann sich auch ganz einfach an den fünf

„Und dann gibt es die anti entzündlic­he Salatsoße.“Dr. Udo Böhm Der neue Ratgeber „Essen sollte Genuss und Freude sein!“Dr. Irene Epple Waigel

Farben orientiere­n: Einfach darauf achten, dass man beim Einkaufen von jeder der fünf Farben etwas dabei hat. Wenn man dann noch täglich mindestens drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst isst, ist man auf einem guten Weg. Und unter Portion verstehen wir einfach eine Handvoll. Die Essensfrag­e sollte nie zwanghaft sein. Wenn Sie sich mit dem gesunden Essen Stress machen, sind alle Ihre Bemühungen kontraprod­uktiv.

Was meinen Sie hier mit Stress?

Wenn ich beispielsw­eise jede Kalorie zähle und aufpasse, dass ich ja keine Regel für eine gesunde Ernährung unberücksi­chtigt lasse.

Ich darf also nicht verbissen sein.

So ist es. Essen sollte Genuss und Freude sein!

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Foto: Daniel Karmann, dpa Eine überwiegen­d pflanzlich­e Kost senkt die Risiken für viele schwere Erkrankung­en.
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