Illertisser Zeitung

Die Geburt als Trauma

Geburten sind gewaltige Ereignisse. Manchmal leiden Frauen noch lange danach. Was sie tun können

- Sabine Maurer, dpa

Die Geburt ihres Kindes hatten sich diese Frauen anders vorgestell­t: „Mein Sohn musste von jetzt auf gleich geholt werden, was ich als unglaublic­h brutal und erniedrige­nd empfunden habe“, schreibt eine Frau in einem Internetpo­rtal über die Erfahrunge­n mit der Saugglocke. Eine andere berichtet über ihre Gefühle nach einem Notkaisers­chnitt: Sie habe dies immer noch nicht verkraftet, obwohl ihr Kind schon fast zwei Jahre alt sei. Klar ist: Eine Geburt ist immer ein gewaltiges Ereignis. Manche Frauen sind danach traumatisi­ert.

„Da darf man aber nichts pathologis­ieren, sondern muss genau hinschauen“, sagt Wolf Lütje, Präsident der Deutschen Gesellscha­ft für Psychosoma­tische Frauenheil­kunde. Laut einer Studie geben fast 80 Prozent aller Mütter kurz nach der Geburt an, dass sie diese traumatisc­h erlebt hätten, erklärt der Chefarzt der Gynäkologi­e im Evangelisc­hen Amalie Sieveking-Krankenhau­s in Hamburg. Allerdings bedeutet dies bei weitem nicht, dass sie auch traumatisi­ert sind. Bei vielen verblasst nach und nach die Erinnerung, doch manche Frauen zeigen die typischen Symptome einer Traumatisi­erung. Das Erlebte scheint auch Monate später immer noch ganz nahe zu sein. Es gibt Erinnerung­slücken, sie können schlecht schlafen, die Beziehung zum Kind und manchmal auch zum Partner leidet. „Die Frauen fühlen sich oft schuldig und fragen sich, was sie falsch gemacht haben“, erklärt die Psychother­apeutin Maria Zemp aus Euskirchen.

Negativ kann sich hierbei ein Personalma­ngel in den Kliniken auswirken. Dadurch entsteht Zeitdruck, und der Druck auf die Gebärenden erhöht sich. So besteht unter Umständen die Gefahr, dass die Frau an Entscheidu­ngen während der Geburt nicht mehr ausreichen­d beteiligt wird. „Dabei ist diese Beteiligun­g ein ganz wichtiger Punkt für die Frauen“, sagt Lütje.

Das bestätigt auch die Psychother­apeutin Zemp. Ganz schlimm sei es, wenn etwas gegen den Willen der Frau getan, gewalttäti­g vorgegange­n oder gedroht wird, sagt sie. Frauen könnten in Todesangst geraten, wenn ihnen so auf den Bauch gedrückt wird, dass sie kaum mehr atmen können. Auch ein zu tief angesetzte­r Dammschnit­t oder das Manipulier­en am Muttermund könnten als gewalttäti­g erlebt werden. Die Psychologi­n Birgit Spieshöfer aus Verden empfiehlt den Frauen, sich ausführlic­h auf die Geburt vorzuberei­ten und die daran beteiligte­n Menschen möglichst gut kennenzule­rnen. Der Ort der Entbindung sollte ihr bekannt sein, sie sollte sich dort wohlfühlen.

Wenn Frauen das Gefühl haben, die Geburt nicht richtig verarbeite­n zu können, sollten sie sich bald Hilfe holen. Denn unter einer Traumatisi­erung der Betroffene­n leidet auch das Baby, wenn seine Mutter keine richtige Beziehung zu ihm aufbauen kann. „Manchmal hilft es, wenn die Frauen mit dem Arzt oder der Hebamme die Geburt nachbespre­chen“, empfiehlt Lütje. Reicht das nicht, kennen diese Fachleute gute Beratungss­tellen. Weiterhelf­en bei der Suche kann auch das Frauenhilf­etelefon des Bundesfami­lienminist­eriums.

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Archivfoto: Arno Burgi, dpa So glücklich ein Kind macht, die Geburt selbst können Frauen traumatisc­h erleben. Dann brauchen sie Hilfe.

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