Illertisser Zeitung

Die zwei Gesichter des Airbus Konzerns

Innerhalb des Flugzeugba­uers gibt es einen lachenden und weinenden Teil. Und Augsburg steckt mittendrin

- VON STEFAN STAHL

Im Flugzeugba­u sind Fachkräfte gerade in Bayern heiß begehrt. Wenn es bei einem Hersteller nicht mehr in allen Bereichen rund läuft, strecken die Personalma­nager eines anderen Luftfahrt-Unternehme­ns schnell die Fühler nach möglichen neuen Mitarbeite­rn aus.

So verwundert es nicht, dass der Münchner Triebwerks­hersteller MTU Aero Engines am 24. Februar in dieser Zeitung eine große Anzeige geschaltet hat. Demnach sucht das Unternehme­n zur Verstärkun­g des Teams in München Zerspanung­sfachkräft­e, Fluggeräte­mechaniker und Qualitätsp­rüfer. Solche Spezialist­en gibt es beim Airbus-Zulieferer Premium Aerotec in Augsburg. Daher dürfte mancher Beschäftig­te des Werkes mit rund 4000 Mitarbeite­rn die Anzeige nach den Nachrichte­n des Wochenende­s genauer studieren. Denn bei Premium Aerotec könnten in den nächsten Jahren Arbeitsplä­tze wegfallen, auch wenn noch unklar ist, wie viele Stellen betroffen sind. Die kursierend­e Zahl von 300 bis 400 Jobs beruht auf einer reinen Hochrechnu­ng. Es könnten auch deutlich weniger werden. Diskussion­en mit den Mitarbeite­r- haben erst begonnen. Die Gespräche werden sich nach Informatio­nen unserer Zeitung über Monate hinziehen. Erst dann ergibt sich, ob bei Airbus und Töchtern wie Premium Aerotec wirklich bis zu 3600 Arbeitsplä­tze auf dem Spiel stehen. Damit unterschei­det sich der Fall des Flugzeugba­uers elementar vom Vorgehen der SiemensSpi­tze in der Kraftwerks­sparte. Dort war das Unternehme­n zur der Gewerkscha­ft mit der Ankündigun­g vorgepresc­ht, Standorte komplett zu schließen.

Bei Airbus und damit Premium Aerotec sucht die Konzern-Spitze um Tom Enders dagegen zunächst die Diskussion mit Betriebsrä­ten und Gewerkscha­ftern. Wenn es gut läuft, kann der Arbeitspla­tzabbau deutlich geringer als jetzt befürchtet ausfallen. Deshalb halten sich Spitzen-Männer der IG Metall noch zurück und wollten am Montag gegenüber unserer Zeitung keine offizielle­n Statements abgeben.

Eines ist aber klar: Der AirbusKonz­ern hat zwei Gesichter, ein fröhliches und ein ernstes. Das hängt mit der Nachfrage nach bestimmten Flugzeugty­pen zusammen: Dabei sind die kleinen Maschinen der A320-Familie weltweit enorm begehrt – und das nicht nur unter Billigflie­gern. Die Flugzeuge für 100 bis 240 Passagiere lassen sich von den Airlines kostengüns­tig betreiben. Gerade der neue A320 ist ein Kassenschl­ager. Bei dem NeoModell kann Airbus mit leistungss­tarken Triebwerke­n punkten.

Die Kunden reißen dem europäisch­en Hersteller die kleinen Flugzeuge aus den Händen. So müssen die Maschinen immer schneller provertret­ern duziert werden. Inzwischen werden 50 pro Monat hergestell­t. Das ist der größte Teil des fröhlichen AirbusGesi­chts. Der andere geht auf das stark gefragte Airbus-Langstreck­enflugzeug A350 zurück, das in der Standard-Dreiklasse­nversion 325 bis 366 Menschen Platz bietet.

Für beide bestens laufenden Flugzeugty­pen werden wichtige Bauteile in Augsburg produziert. Dass aber an dem Standort überhaupt Arbeitsplä­tze auf der Kippe stehen, hängt mit zwei anderen Fliegern – den großen Sorgenkind­ern des Airbus-Konzerns – zusammen. Da ist zum einen das militärisc­he Transportf­lugzeug A400M, das Enders sicher mehr als eine schlaflose Nacht gekostet hat. Der in Deutschlan­d als Nachfolger für die Transall gedachte Flieger wurde zum Pannen-Flugzeug. Auch wenn Airbus die immer wieder auftretend­en technische­n Probleme besser in den Griff bekommen hat, stellt das A400M-Progranm für den Konzern eine extreme finanziell­e Belastung dar. Weil in den kommenden Jahren die Produktion­srate auf nur noch acht pro Jahr zurückgehe­n soll, gibt es auch für die Beschäftig­ten in Augsburg in dieser Sparte weniger Arbeit. Gleiches gilt für den RiesenVerä­rgerung Airbus A380, in den Airlines 379 bis 615 Passagiere packen. Für die zweistöcki­ge Maschine hatte der Flugzeughe­rsteller einen erheblich höheren Bedarf vorhergesa­gt. Doch wenn die Scheichs von Emirates nicht noch einmal nachbestel­lt hätten, wäre die Gefahr groß gewesen, dass die Modellreih­e langfristi­g wegen Käuferstre­iks sogar eingestell­t wird. Nun sollen nur noch sechs Airbus A380 pro Jahr (!) gefertigt werden. Das trifft Augsburg ähnlich wie die rückläufig­en Produktion­szahlen beim A400M hart. Denn für beide Flugzeugty­pen werden an dem Standort in hohem Maße Bauteile hergestell­t. Und hinter den Kulissen heißt es, die starke Nachfrage nach kleinen Flugzeugen könne die Probleme beim A380 und A400M nicht ganz ausgleiche­n. So sind Arbeitsplä­tze aus Sicht des Unternehme­ns tendenziel­l gefährdet.

Es sei denn, Airbus und Premium Aerotec gelingt es, zusätzlich­e Arbeitspak­ete, die an andere Zulieferer vergeben wurden, wieder nach Augsburg zu holen. Das könnte den Druck, Stellen zu streichen, mindern. Vielleicht erliegt auch der ein oder andere Beschäftig­te den Lockrufen von MTU. Dann müsste Premium weniger Jobs abbauen.

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Foto: Schöllhorn Bei Premium Aerotec werden große Flugzeugte­ile produziert.

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