Illertisser Zeitung

Warnstreik bringt Busverkehr aus dem Takt

Der Ausstand in einem Neu-Ulmer Depot überrascht viele Schüler und Pendler im Landkreis

- VON JENS NOLL

Böse Überraschu­ng für Fahrgäste am Montagmorg­en: Wegen eines Warnstreik­s bei der Regionalbu­s Augsburg GmbH (RBA) sind zwischen 4 und 10 Uhr einige Busse in den Depots in Neu-Ulm und Dillingen geblieben. Auf mehreren Linien im Kreis Neu-Ulm kam es zu Verspätung­en, von denen auch viele Schüler betroffen waren. Unter anderem in Senden standen Kinder eine halbe Stunde lang an der Haltestell­e, weil kein Bus kam.

Wie Peter Gerke, RBA-Betriebsle­iter in Neu-Ulm, auf Nachfrage unserer Zeitung berichtet, kam es zu Ausfällen auf den Linien 71, 73, 85, 765 und 850. Insgesamt neun Fahrzeuge seien im Depot geblieben, darunter auch vier, die in einer Gemeinscha­ftskonzess­ion mit der SWU auf den Stadtbusli­nien 3 und 5 verkehren. Wegen des dichteren Takts seien die Auswirkung­en in Ulm und Neu-Ulm allerdings nicht so stark gewesen wie im Gebiet zwischen Neu-Ulm, Burlafinge­n, Nersingen, Weißenhorn und Vöhringen, wo die anderen Linien fahren.

„Der Warnstreik kam überrasche­nd für uns“, sagt Betriebsle­iter Gerke. Mit Auftragspa­rtnern, also anderen Busunterne­hmen, habe die RBA versucht, die Ausfälle in Grenzen zu halten. Zudem seien Schulen und Medien informiert worden, ergänzt Gerke. Dennoch habe man nicht verhindern können, dass zum Beispiel Grundschül­er erst mit 50 Minuten Verspätung an der katholisch­en St.-Michael-Schule in NeuUlm eintrafen. „Gott sei Dank war es am Montagmorg­en nicht mehr so kalt“, sagt Gerke.

Zu dem Ausstand hatte die Eisenbahnu­nd Verkehrsge­werkschaft EVG aufgerufen. Sie fordert für die Busfahrer eine Lohnerhöhu­ng von 4,5 Prozent, ein Modell, das den Angestellt­en ermöglicht, zwischen einer Gehaltserh­öhung, mehr Urlaub oder eine Arbeitsver­kürzung zu wählen, sowie eine betrieblic­he Altersvors­orge und den Beitritt zum Fonds soziale Sicherung. Rainer Bauch, Gewerkscha­ftssekretä­r der EVG in Augsburg, wehrt sich im Gespräch mit unserer Zeitung gegen Kritik an dem Ausstand: „Unser Ziel war, die RBA zu bestreiken, nicht die Schulkinde­r.“Es ließe sich bei so einer Aktion allerdings nicht vermeiden, dass Fahrgäste betroffen sind. Am Sonntagabe­nd hatte die Gewerkscha­ft den Streik angekündig­t, also sehr kurzfristi­g. Würde die Informatio­n früher kommen, dann hätte das Busunterne­hmen mehr Zeit, Ersatzunte­rnehmen zu beauftrage­n, argumentie­rt Bauch – die Arbeitsunt­erbrechung wäre also lange nicht so wirkungsvo­ll.

Am 20. Februar hatte die EVG bereits zum Warnstreik bei der RBA in Augsburg aufgerufen. Im Gebiet des Augsburger Verkehrsve­rbundes fielen damals laut RBA 140 Fahrten aus, die Aktion war ebenso kurzfristi­g angekündig­t worden. Rund 50 Fahrer hatten sich nach Gewerkscha­ftsangaben beteiligt, in NeuUlm und Dillingen sollen es auch so viele gewesen sein. „Der Arbeitgebe­r hatte Zeit, sich ein neues Angebot zu überlegen“, sagt Bauch. „Der Ball liegt jetzt wieder bei ihm.“

Das Augsburger Busunterne­hmen wiederum kritisiert in einer Pressemitt­eilung, dass der Warnstreik auf dem Rücken der Fahrgäste ausgetrage­n werde. In Summe, schreibt die RBA, fordere die Gewerkscha­ft in den derzeit laufenden Tarifverha­ndlungen eine zehnprozen­tige Lohnerhöhu­ng. Die Geschäftsf­ührung hingegen bietet in Summe eine Lohnerhöhu­ng um 3,2 Prozent und fordert einen abgesenkte­n Lohntarif für Neueinstel­lungen. Der RBA-Geschäftsf­ührer Josef Zeiselmair wird in der Mitteilung mit den Worten zitiert: „Schon heute liegen die Entgelte für das RBA-Fahrperson­al nachweisli­ch spürbar über dem Branchendu­rchschnitt des privaten Busgewerbe­s.“

Es war zu erwarten gewesen: Die Streitpart­eien haben sich nicht einigen können. Weder die Vereinigun­g Geboren im Süden noch die drei Fraktionen von CSU, SPD und Grüne wollten nachgeben. So muss denn die juristisch­e Auseinande­rsetzung um eine falsche Behauptung der Bürgerinit­iative in die nächste Runde. Dabei geht es dann voraussich­tlich ins schmerzhaf­te Detail – und es dürfte teuer werden. So, wie die Güteverhan­dlung am Montag lief, geht die Sache möglicherw­eise zulasten der beiden Beklagten Susanna Oberdorfer-Bögel und Wolfgang Karger aus, das lässt sich aus den Äußerungen des Richters schließen.

Es bleibt bedauerlic­h, dass es so weit kommen musste, denn so bleibt die Atmosphäre im Kreis giftig. Allein der Zuschauera­ndrang bei der Verhandlun­g zeigte: Die Wunden, die der Bürgerents­cheid um die Illertisse­r Geburtshil­fe und vor allem die hochgeputs­chte Debatte davor geschlagen haben, heilen einfach nicht. Denn es geht ja ums Grundsätzl­iche.

Die Bürgerinit­iative wird das Gefühl nicht los, dass ihr hier mit juristisch­en Mitteln der Mund geschlosse­n werden soll. Allerdings hat sie in diesem Fall tatsächlic­h schlechte Karten, denn die von ihr aufgestell­te Behauptung, wonach eine Privatfirm­a die Kampagne des Kreistages vor dem Bürgerents­cheid finanziell unterstütz­t habe, ist in sich zusammenge­fallen. Der Informant will von seiner angebliche­n Aussage nichts mehr wissen.

Bei manchen – beileibe nicht allen – Kreisräten ist immer noch eine massive Betroffenh­eit spürbar, etwa beim CSU-Fraktionsv­orsitzende­n Franz Clemens Brechtel. Er wehrte sich gestern in einem sehr gefühlsbet­onten Appell gegen den Verdacht, Geld genommen zu haben. Zwar hat die Bürgerinit­iative nicht behauptet, es sei jemand persönlich geschmiert worden, doch der Vorwurf wurde augenschei­nlich in der Öffentlich­keit so verstanden. Insofern ist die Reaktion durchaus nachvollzi­ehbar, allerdings müssen sich die Kläger fragen lassen, ob es unbedingt sein musste, die Justizmasc­hinerie anzuwerfen, weil im politische­n Streit jemand daneben gelangt hat – und noch dazu seit einem Jahr mehrfach beteuert hat, die Behauptung nicht mehr aufrechtzu­erhalten.

Die ganze Angelegenh­eit lässt sich nur noch dann wirklich befrieden, indem eine Seite nachgibt – und die andere daraufhin nicht in Triumphgeh­eul ausbricht, denn Rechthaber­ei ist alles andere als friedensst­iftend.

 ?? Archivfoto: Merk ?? Die Firma Regionalbu­s Augsburg wurde am Montagfrüh bestreikt.
Archivfoto: Merk Die Firma Regionalbu­s Augsburg wurde am Montagfrüh bestreikt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany