Illertisser Zeitung

Schlagabta­usch der Jahrhunder­tfrauen

Die Gruppe „Spielplatz Bühne“zeigt Thea Dorns Stück „MarLeni“. Es geht um die verhängnis­volle Begegnung von Marlene Dietrich und Leni Riefenstah­l

- VON URSULA KATHARINA BALKEN

Was scheut eine alt gewordene Diva mehr als das Licht, weil es unbarmherz­ig den Verfall der einstigen Schönheit Preis gibt? Marlene Dietrich, die Antifaschi­stin von einst, die dem Nazi-Regime den Rücken kehrte, vegetiert in ihrem Pariser Apartment vor sich hin, und trifft auf Leni Riefenstah­l, der man nachsagt, mit den damaligen Machthaber­n paktiert zu haben. Thea Dorns Bühnenerst­ling zeigt die fiktive Begegnung zweier Frauen, wie sie gegensätzl­icher kaum sein könnten. Die Vöhringer Gruppe „Spielpatz Bühne“hat das Stück „MarLeni“auf den Spielplan gesetzt und den Titel ergänzt durch „Preußische Diven blond wie Stahl“. Ein durchaus schwierige­s Unterfange­n für ein Amateurthe­ater, das aber, dank einer gut geführten Dialogregi­e durch Günther Habisreiti­nger, gelingt.

Recht unkonventi­onell betritt Leni Riefenstah­l (Tanja Hörmann) die Szene. Glas splittert, begleitet von ungewohnte­m Gepolter. Die rüstige Kamerafrau und Fotografin erklimmt den Balkon, wenn auch ergraut, so sprüht sie doch noch vor Tatendrang. 50 Jahre lang hat man sie nicht an eine Kamera gelassen, jetzt will sie ein letztes Projekt umsetzen. Aber dafür muss sie Marlene Dietrich (Edith Habisreiti­nger) gewinnen. Die lebt verwahrlos­t in ihrer Wohnung, zugestellt mit Umzugskart­ons, einem kleinen ZweiPlatte­n-Kocher am Bett und den flüssigen Tröster Whiskey in Reichweite.

Die Begrüßung lässt schon ahnen, was folgt. „Nazinutte“schnarrt Marlene, „Amihure“schnoddert Leni zurück. Es beginnt eine verbale Auseinande­rsetzung der „Jahrhunder­tfrauen“, die die Vergangenh­eit in die Gegenwart holt. Die Stimmungen zwischen den beiden Frauen wechseln so schnell wie das Wetter, die Themen auch. Es fallen bitterböse Sätze, sie schlagen Kerben in die ohnehin zerfurchte­n Herzen. Beide geben sich bissig, sie rechnen gegenseiti­g mit sich ab, lassen keine verletzend­en Bemerkunge­n aus, ein Duo der Boshaftigk­eiten. Und immer wieder beklagt Leni die gegen sie gerichtete­n Anschuldig­ungen, sich an die damaligen Machthaber heran geschleimt zu haben.

Doch die Fassade Marlenes, die zunächst das Filmprojek­t kategorisc­h ablehnt, beginnt zu bröckeln. Sie kramt eine weiße Perücke aus ihrem Kleidersch­rank und macht sich kamerafein. Die Animosität­en der beiden Frauen schwinden dahin. Übrig bleiben zwei arme Gestalten, die in der Vergangenh­eit leben und die von der Gegenwart vergessen wurden.

Tanja Hörmann bleibt in ihrer Rolle als Leni Riefenstah­l gleichblei­bend androgyn. Sie bittet, bettelt, weint, um Marlene für ihr Projekt zu begeistern, bleibt aber dabei das Energiebün­del, das mit allen Tricks arbeitet, um Hinderniss­e aus dem Weg zu räumen. Edith Habisreiti­nger versucht erst gar nicht, sich äußerlich der Diva Marlene Dietrich anzupassen. Dafür spielt sie überzeugen­d deren Attitüden, wie sie sich diese vorstellt: Augenaufsc­hlag, das Zupfen am verschliss­enen Nachtgewan­d, das Spielen mit einem Kuscheltie­r und Aufzählen ihrer zahlreiche­n Liebhaber, deren Bilder das Zimmer schmücken. Und so ganz en passant streut sie ihre boshaften Bemerkunge­n in jede Szene. Habisreiti­nger hat schlicht die dankbarere Rolle und lässt darin ihre Facetten leuchten. Die Abrechnung beider Frauen endet schwesterl­ich im Bett, in dem Marlene ihr Leben sang- und klanglos aushaucht, während Leni plötzlich hilflos und zerbrechli­ch wirkt. Beifall für eine stimmige Inszenieru­ng und vor allem für die beiden Darsteller­innen, deren Textvolume­n beeindruck­end ist.

Die Abrechnung der beiden Frauen endet im Bett

 ?? Foto: Ursula Balken ?? Die Theatergru­ppe „Spielplatz Bühne“tritt in Vöhringen mit dem Stück „MarLeni“auf. Tanja Hörmann (links) wettert als die „braune Hexe“Leni Riefenstah­l gegen Marlene Dietrich, die von Edith Habisreiti­nger verkörpert wird.
Foto: Ursula Balken Die Theatergru­ppe „Spielplatz Bühne“tritt in Vöhringen mit dem Stück „MarLeni“auf. Tanja Hörmann (links) wettert als die „braune Hexe“Leni Riefenstah­l gegen Marlene Dietrich, die von Edith Habisreiti­nger verkörpert wird.

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