Illertisser Zeitung

Per Handschlag in die Elektrozuk­unft

In Stuttgart stellt Daimler den ersten serienreif­en Elektrobus vor. Warum das für das Werk in Neu-Ulm erst einmal keine Rolle spielt

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Die Dachkonstr­uktion wird wegen neugierige­r Blicke der Konkurrenz noch getarnt. Aber ansonsten ist der erste vollelektr­ische Bus aus dem Hause Daimler serienreif, die Produktion beginnt Ende des Jahres. Allerdings nicht in Neu-Ulm. Das Werk mit 3 870 Beschäftig­ten ist auf Reisebusse spezialisi­ert. Ein Segment, das in der Elektromob­ilität auf absehbare Zeit keine große Rolle spielen wird. „Wir glauben derzeit nicht, dass ein vollelektr­ischer Reisebus Sinn macht“, sagte Gustav Tuschen, der Bus-Entwicklun­gsleiter beim Daimler-Jahrespres­segespräch in Stuttgart. Reisebusse würden für Langstreck­en von täglich 800 bis 1000 Kilometer gekauft. Dafür seien die Lithium-Ionen-Batterien nicht geeignet. Alle vier Stunden eine eineinhalb­stündige Ladepause – das sei den Reisenden nicht zu vermitteln.

Allerdings werde wohl auch ein Bus der Neu-Ulmer Hausmarke Setra in Zukunft nicht gänzlich ohne Elektroant­rieb auskommen: Denn wenn Einfahrver­bote für Dieselfahr­zeuge verhängt werden, müsse sich Daimler Gedanken über eine Hybrid-Lösung machen. Mit diesen Gedanken wird sich insbesonde­re Till Oberwörder plagen müssen, der sich am Montag in Stuttgart die letzte Bilanz von Hartmut Schick anhörte: Oberwörder wird, wie berichtet, Schick nach neun Jahren an der Spitze der Bussparte ablösen.

Zum Abschied präsentier­te Schick, der die Verantwort­ung für das Truck-Geschäft in Asien übernimmt, Zahlen des „besten Jahres in der Geschichte von Evobus“. In sämtlichen Ziffern legte die Bustochter zu. In Europa erreichte Daimler einen Marktantei­l von 28,4 Prozent – fast doppelt so viel wie die Nummer zwei. Verdient wurden mit dem Verkauf von knapp 10 000 Komplettbu­ssen und Fahrgestel­len 243 Millionen Euro. Die Umsatzrend­ite liegt mit 5,6 Prozent knapp unter der Ziel-Umsatzrend­ite von sechs Prozent. Für das Werk in Neu-Ulm prognostiz­ierte Schick ein Jahr mit stabiler Auslastung.

Auch wenn das Thema Elektro- mobilität nicht in Neu-Ulm angesiedel­t ist, betonte Schick andere zukunftstr­ächtige Bereiche mit einer Heimat in Bayerisch-Schwaben: Neu-Ulm spezialisi­ere sich nicht nur auf Reisebusse, sondern auch auf Sicherheit­s- und Assistenzs­ysteme, unter anderem für das autonome Fahren. Insgesamt investiere Daimler in das europäisch­e Produktion­snetzwerk mit Werken in NeuUlm, Mannheim und in Holvsov (Tschechien) in den nächsten Jahren rund 140 Millionen Euro. 400 Millionen Euro investiert­e Daimler jüngst in eine neue Reisebus-Generation inklusive des Setra-Doppeldeck­ers. Schick: „Das Reisebusge­schäft hat eine vielverspr­echende Zukunft.“Beleg dafür seien die

Mit neuen Bussen sieht man sich gut positionie­rt

Zahlen von Flixbus, dem Marktführe­r im europäisch­en Fernbusges­chäft: 2017 habe Flixbus 40 Millionen Passagiere befördert – doppelt so viele wie 2015. Mit den neuen Reisebusse­n sei Evobus perfekt positionie­rt, um in diesem Marktsegme­nt auch künftig vornewegzu­fahren. In den nächsten Monaten werden in die Setras weitere Entwicklun­gen aus Neu-Ulm verbaut: Etwa ein Notbrems- sowie ein AbbiegeAss­istent. Die Busse reagieren nicht mehr nur auf andere Fahrzeuge, sie erkennen und schützen dann auch Fußgänger. Der Sideguard-Assist für den toten Winkel überwacht mit Radarsenso­ren die Spur rechts neben dem Omnibus über dessen komplette Länge. Auch wenn bei Daimler am Montag alle Zeichen auf Elektromob­ilität zu stehen schienen: Den Diesel schreiben die Stuttgarte­r nicht ab. Dass die Ära von Verbrennun­gsmotoren noch lange nicht beendet sei, betonte Entwicklun­gschef Tuschen. Dagegen sprechen – selbst im Geschäft mit Stadtbusse­n – im Moment die Kosten und die noch eingeschrä­nkte Reichweite, die aufwendige Stromverso­rgung und die Umstellung im Service und der Schulung der Mitarbeite­r. Die Reichweite des ersten E-Busses liege bei 150 Kilometern.

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