Illertisser Zeitung

„Mein Instrument ist meine Stimme“

Die polnische E-Bassistin Kinga Glyk ist zwanzig Jahre alt und schon eine Meisterin ihres Fachs. Auch Eric Clapton mag ihre Fassung von „Tears In Heaven“

- (lacht) (lacht). Hat Eric Clapton irgendwie reagiert? Interview: Steffen Rüth (lacht).

Kinga, Sie sind jetzt 20 Jahre alt. Ist Jazz nicht eigentlich Rentnermus­ik?

Das habe ich jetzt nicht gehört! Ich finde überhaupt nicht, dass Jazz nur was für alte Leute ist. Genauso ist es nicht nur eine Musik für Männer. Wahr ist, dass viele Jazzmusike­r schon sehr alt sind. Aber sie haben immer noch Spaß am Spielen, auch wenn sie 80 Jahre oder mehr auf dem Buckel haben. Und warum ist das so? Weil du im Jazz nie auslernst. Es geht immer weiter, du hast unendlich viele Möglichkei­ten, dich dein ganzes Leben lang zu verbessern.

Was finden Sie am Jazz sonst noch beglückend?

Dass es echt nicht leicht ist, ihn zu spielen. Deshalb ist Jazz vielen Leuten in meinem Alter zu schwierig und zu komplizier­t. Du musst dich konzentrie­ren und üben, üben, üben – sonst wird das nichts. Und, diesen Rat habe ich von meinem Vater: Du musst offen sein für diese Musik und immer genau das spielen, was du fühlst. Eine Musikschul­e habe ich nie besucht. Ich habe mir das alles selber beigebrach­t. Naja, ein paar Privatstun­den hatte ich am Anfang schon. Und mein Vater hat mir irre viel gezeigt.

Ihr Vater Irek Glyk, der jetzt auch in Ihrer Live-Band mitspielt, ist ein in Polen sehr bekannter Jazzschlag­zeuger. Haben Sie die Leidenscha­ft für den Jazz von ihm?

Ich kann es mir nicht anders erklären. Seit ich auf der Welt bin, höre ich diese Musik. Anfangs natürlich nur unterbewus­st, doch als ich ungefähr elf Jahre alt war, fing ich selbst Feuer für den Jazz. Mit zwölf spielte ich schon in unserer Familienba­nd „Glyk P.I.K. Trip“. Wir sind in ganz Polen aufgetrete­n.

Ist es komisch, jetzt plötzlich die Chefin zu sein?

Naja, in meiner Band bin ich der Boss, das stimmt. Aber ansonsten bleibt mein Vater der Chef. Er ist mein bester Freund, wir verbringen fast die ganze Zeit zusammen. Ich wohne auch noch zu Hause bei meinen Eltern. Wir leben in einem kleinen Dorf in der Nähe von Kattowitz. Und wir sind ein hundertpro­zentiger Familienbe­trieb. Mein Bruder macht bei den Shows den Sound, meine Mutter verkauft CDs und T-Shirts.

Mit 18 haben Sie Ihr erstes Album he- rausgebrac­ht. „Dream“ist schon das dritte – und das erste, das bei einer großen Plattenfir­ma erscheint. Geht alles ganz schön schnell, oder?

Kann man so sagen Mein Traum, jeden Abend vor Menschen zu stehen und diese herrliche Musik zu spielen, ist schneller wahr geworden, als ich gedacht hätte. Gerade fühlt sich wirklich alles „wow“an.

(lacht). Sie spielen E-Bass – ohne Gesang. Fehlt da nichts?

Nö, da fehlt nichts. Am Anfang haben mich viele gefragt, warum ich nicht auch singe oder je- manden dafür engagiere. Das wollte ich aber nicht. Mein Instrument ist meine Stimme. Und wer mich einmal live gesehen hat, der versteht das. Und stellt diese Frage nicht mehr

Vor gut einem Jahr, nachdem Sie in Polen bereits das Studioalbu­m „Registrati­on“sowie die Liveplatte „Happy Birthday“veröffentl­icht hatten, wurde plötzlich die ganze Welt auf Sie aufmerksam. Was war da passiert?

Ich hatte meine eigene Version von Eric Claptons „Tears In Heaven“ins Netz gestellt. Wir haben einen total schlichten Clip gedreht, mein Bruder nahm das daheim auf unserem Dachboden auf. Als das Portal „Bass Player United“mein Video entdeckte und auf seine Seite stellte, ging es ab. Mittlerwei­le haben sich bald 25 Millionen Leute den Clip angeschaut. Durch „Tears In Heaven“schreiben mir Menschen aus der ganzen Welt. Das finde ich total klasse. Ich will ja auch rauskommen mit meiner Musik, am liebsten überall hinreisen und spielen.

Viele Leute benutzen das Internet, um bekannt zu werden. Du auch?

Oh nein. Ich hatte wirklich nicht geplant, berühmt zu werden. So kalkuliert denke ich gar nicht. Mein Bruder und ich fanden die Idee mit „Tears In Heaven“einfach lustig. Über drei Ecken habe ich gehört, dass er meine Fassung mag.

Wollen Sie den Jazz wieder stärker in das Bewusstsei­n von Menschen jüngeren Alters rücken?

Das wäre schon klasse. Wir haben ja darüber gesprochen, wie zeitlos diese Musik ist, aber richtig ist auch, dass dem Jazz ein paar jüngere Musiker ganz gut täten. Deshalb

„In meiner Band bin ich der Boss. Ansonsten bleibt mein Vater der Chef.“ „Über alte Leute im Publikum freue ich mich natürlich auch.“

hoffe ich sehr, dass junge Menschen diese Musik durch mich entdecken. Ich will eine Inspiratio­n sein … Aber über alte Leute im Publikum freue ich mich natürlich auch

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Foto: Peter Hönnemann „Du musst dich konzentrie­ren und üben, üben, üben“– Kinga Glyk, polnischer Jazz Shooting Star, am E Bass.

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