Der Populärste geht über Bord
Ende einer bewegten politischen Karriere: Sigmar Gabriel kämpfte bis zuletzt darum, das Amt behalten zu dürfen, in dem er spät seine Bestimmung fand. Doch am Ende stand er Andrea Nahles und Olaf Scholz im Weg
Zuhause, in seiner Heimatstadt Goslar am Rande des Harzes, bei seiner Frau Anke und den beiden Töchtern Marie und Saskia, schrumpfte er stets binnen Sekunden wieder auf Normalmaß. Aus dem Außenminister und Chef-Diplomaten der Republik wurde der Ehemann und Familienvater Sigmar Gabriel. Der sich nicht mehr mit den Krisen dieser Welt, sondern mit dem aufgeschlagenen Knie der Tochter oder den Erlebnissen beim Schwimmkurs beschäftigen musste. Und Ehefrau Anke, die eine Zahnarztpraxis leitet, lästerte gerne über die Aufgeblasenheit des Berliner Politikbetriebs, nannte ihn „Herrn Wichtig“und zog ihn beim Abendessen mit der Frage auf, ob er denn an diesem Tag mal wieder die Welt gerettet habe. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte Gabriel schon lange seinen Rückzug aus der Bundesregierung ankündigen können.
Doch Gabriel kämpfte um sein Amt, das ihm in seiner nur gut einjährigen des Parteichefs zurückgetreten und hatte den Weg für Martin Schulz als Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten frei gemacht.
Gabriel ist ein Vollblutpolitiker durch und durch, ein Mann voller Energie und Tatendrang, ein begnadeter Redner mit einem feinen Gespür für die Stimmung und Gefühle der Menschen. Die Kehrseite der Medaille: Er ist sprunghaft und unberechenbar. Er neigte zu Alleingängen, hüpfte wahllos von Thema zu Thema und hatte sein Temperament nicht immer im Griff. Seine Mitarbeiter können ein Lied davon singen. Das Verhältnis zu seiner einstigen Generalsekretärin Andrea Nahles, nun die starke Frau der SPD, ist seit dieser Zeit zerrüttet.
Systematische Programmarbeit war nie Gabriels Sache. Das WillyBrandt-Haus führte zu seiner Zeit ein Eigenleben und war am Ende im vergangenen Jahr auf einen auf Martin Schulz zugeschnittenen Wahlkampf nicht vorbereitet. Und auch im Wahlkampf konnte Gabriel sich nicht zurückhalten, sondern
Als Außenminister erhielt er lang gesuchte Anerkennung Das Verhältnis zu Nahles war seit langem zerrüttet