Wo Mozarts Frauen auf den Rosenkavalier treffen
Initiative „Kultur im Glashaus“hat heuer einiges zu bieten. Und das trotz Konkurrenz und eines Ausfalls
Verträge mit Künstlern gibt es nicht, perfektgemacht werden die Auftritte per Handschlag: Ziemlich persönlich geht es zu bei der Planung des Programms „Kultur im Glashaus“(KiG), sagt Organisator Reinhard Hemmer. Hingehauen habe das eigentlich immer, denn viele Musiker treten nur deshalb zu bezahlbaren Konditionen auf, weil man sich kennt und schätzt. Meistens funktioniere das bestens. Doch in dieser Spielzeit hat Hemmer einen Ausfall zu beklagen: Die musikalische Komödie „Männe, hak mir mal die Taille auf“, die für Freitag, 20. April, geplant war, musste abgesagt werden. Die Künstlerin hatte einen anderen Termin übersehen. Allerdings waren die Eintrittskarten für die aktuelle KiG-Saison bereits gedruckt gewesen und von einigen Fans auch schon bestellt. Geld sei zwar noch keines geflossen, allerdings habe es Bedauern gegeben, sagt Hemmer. Mit einem Blick ins Programm nimmt er’s gelassen: „Da gibt es viele andere schöne Sachen.“
Sechs Veranstaltungen sind heuer geboten, die Inhalte breit gefächert: Da gibt es etwa Jazz, Gespenstermusik, einen Abend im Zeichen von Wilhelm Buschs Lausbuben Max und Moritz sowie je einen, an dem der Rosenkavalier und Mozarts Frauen im Mittelpunkt stehen. Los geht es am Freitag, 23. März, mit „Jazz mit Vieren“: Ein Quartett um den Trompeter Joo Kraus will mit Klavier, Bass und Schlagzeug sowie karibischen Klängen Schwung ins Glashaus bringen. Genau das war einst die Idee hinter dem Kulturprogramm. Denn das Museum auf der Jungviehweide biete zwar Ausstellungen, Bibliothek und Café, werde aber eben nur zu bestimmten Zeiten genutzt, sagt der 70-jährige Hemmer, der die Räume auch an Abenden mit Leben füllen wollte. Das war die Geburtsstunde von „Kultur im Glashaus“.
In den vergangenen Jahren ist diese Reihe zur festen Größe im Illertisser Veranstaltungskalender geworden. Auch über die Stadtgrenzen hinaus ist das Kulturprogramm bekannt – damit wird es von vielen die zweite überregional bedeutsame Konzertserie neben Fritz Unglerts „Kultur im Schloss“angesehen. In Konkurrenz zu jener sieht Hemmer sein Glashaus nicht: „Das können wir nicht, das wollen wir nicht.“Ein bisschen hinüber schaut er dann aber doch: Während Unglert auf mehrere Veranstaltungsorte, Zuschüsse und Spenden zurückgreifen könne, habe KiG „nur“ei- nen Raum zur Verfügung, geringe Zuwendungen und müsse mitunter „etwas improvisieren“. Es sei schon herausfordernd, Stühle für 170 Besucher in den Saal des Museums zu bekommen. Im Schnitt fänden sich etwa 80 Gäste ein, bei 130 sei eine Veranstaltung ein Erfolg. Fans hätten das Glashaus wegen des „handgestrickten Programms“ins Herz geschlossen, sagt Hemmer. „Ich suals ● che mir Künstler, die ich mag und die ich zahlen kann – und sage ihnen, was ich in Illertissen hören möchte.“Etwa wenn es um den polnischen Komponisten Chopin geht. Der sei beliebt und viele könnten seine Werke spielen. Weshalb sie in Konzertprogrammen oft zu finden seien. „Wir machen das deshalb anders“, sagt Hemmer. Im Glashaus liegt der Akzent beim Chopinabend (Samstag, 5. Mai) auf der Liebesbeziehung mit der Schriftstellerin George Sand. Die polnische Chopinexpertin Aleksandra Mikulska (Jahrgang 1981) spielt Klavier, bei der musikalisch-literarischen Soirée werden auch Texte vorgetragen.
Passend zum Gartenmuseum finde sich mit Richard Strauss’ Rosenkavalier (Samstag, 14. April) auch ein pflanzliches Thema im Programm, sagt Hemmer augenzwinkernd. Und mit dem Abend zu Max und Moritz, bei dem ein Posaunenquartett die Bildgeschichten musikalisch untermalt, will der Veranstalter die Bühne im Glashaus für ein jüngeres Publikum öffnen. Am Nachmittag habe sich zwar kein Termin finden lassen, doch an einem Freitagabend dürften die Kinder vielleicht ausnahmsweise mal länger aufbleiben, hofft Hemmer.
Im Sommer soll die Bühne des Glashauses nach außen vergrößert werden: Im Rahmen des Abends „Mozarts Frauen“(Samstag, 9. Juni), bei dem Figuren aus zahlreichen beliebten Opern mit Klavierspiel und Lesung vorgestellt werden, ist eine Ausstellung vorgesehen. „Wir wollen das wunderschöne Gelände nutzen“, sagt Hemmer. Daher wird eine Künstlerin etwa 30 Porzellanbüsten aufstellen, welche die Attribute der Figuren aus bekannten Mozartopern verkörpern. Einige Wochen lang werde die Schau dann zu sehen sein.
Es ist die letzte Veranstaltung der Saison. Und an deren Ende steht, wie immer, auch ein finanzielles Ziel: die schwarze Null. Das sei stets erreicht worden, heißt es.
Geht es nach Hemmer, könnte das Glashaus künftig auch ein Kinoprogramm bieten. Das Projekt sei allerdings schwer umzusetzen: Man verfüge zwar über eine drei Meter große Leinwand, könne aber mit großen Lichtspielhäusern nicht konkurrieren. Auch nicht mit deren weichen Sesseln, sagt Hemmer und scherzt: „Bei unseren harten Holzstühlen schläft wenigstens keiner ein.“Möglicherweise könnte heuer ein Schritt in diese Richtung unternommen werden: ein Public Viewing zur Fußball-Weltmeisterschaft sei denkbar. Mehr als eine Idee ist das allerdings bisher nicht. Bis zum WM-Auftakt wäre das Kulturprogramm jedenfalls abgeschlossen. Doch bevor die Fußballstars auf der Bühne zaubern dürfen, versprühen erst einmal Mozart, Strauss und Chopin ihre Magie.
Es begann mit der Idee, das Museum für Gartenkultur in den Abendstunden mit Leben zu erfüllen. Das war Reinhard Hemmers Traum. Und den wollte das Gründungsmitglied der Stiftung Gartenkultur verwirklichen – mithilfe eines Kulturprogramms. Es ist bemerkenswert, was aus diesem Ansinnen geworden ist: Hemmer hat ein vielschichtiges Angebot etabliert, das sich nicht nur in der Illertisser Umgebung sehen (und hören) lassen kann. Fans der charmanten Glashaus-Bühne kommen aus der ganzen Region und machen damit dem Ruf Illertissens als Kulturstadt alle Ehre. Manch einer spricht sogar von der „Kulturhauptstadt“der Region.
Inwieweit das zutrifft, darüber lässt sich trefflich streiten. Fest steht aber: Musik- und Theaterfreunde haben mehrere gute Gründe, Illertissen zu besuchen.
Da sind die Aufführungen der Schwabenbühne, die jedes Jahr Sehenswertes präsentiert – zum Beispiel auf der beliebten Freilichtbühne. Zudem ermöglicht der Förderkreis für Kirchenmusik und klassische Musik außergewöhnliche Darbietungen: Zu Ehren Martin Luthers hat er eine Kantate komponieren lassen. Seit vielen Jahren beliebt ist das Konzertprogramm von „Kultur im Schloss“: Zuhörer aus ganz Süddeutschland sind zu Gast, denn Hauptorganisator Fritz Unglert schafft es stets, hochkarätige Konzerte anzubieten. Viele Künstler kommen, weil sie die familiäre Atmosphäre schätzen.
Der persönliche Kontakt spielt auch bei Kultur im Glashaus eine Rolle: Mit großem Engagement ist es Hemmer gelungen, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Manch bekanntem Musiker ist die Jungviehweide ein Begriff, er besucht sie gerne und spielt für kleine Gage.
Es sind Illertissens quirlige Kulturschaffende, die ihre Heimat mit großer Leidenschaft zu einem Anziehungspunkt machen. Und wenn auch nicht zur Kulturhauptstadt, dann doch zumindest zu einem Kulturzentrum. Ganz abseits der großen Bühnen.