Illertisser Zeitung

Sie schlagen bis heute tiefe Töne an

Vor 125 Jahren wurde der Männergesa­ngverein Illerberg-Thal aus der Taufe gehoben. Sängerinne­n gibt es in der Gruppe bis heute nicht – dafür eine Frau am Taktstock

- VON URSULA KATHARINA BALKEN

Große Ereignisse werfen bekanntlic­h ihre Schatten voraus. Der Männergesa­ngverein IllerbergT­hal feiert in diesem Jahr Geburtstag: Die Chorgemein­schaft wird 125 Jahre alt. Wenn auch der offizielle Festakt im Herbst stattfinde­t, so ist das Jahresprog­ramm des MGV ganz auf das Jubiläum abgestimmt. Bereits am Sonntag, 11. März, geht es mit einem Kirchenkon­zert in der St.-Martinskir­che in Illerberg los.

Aus der Taufe gehoben wurde der Männergesa­ngverein im Jahr 1893. Ganz neu war das Thema Gesang zu dieser Zeit aber nicht: Seit 1890 bestand eine Sängergese­llschaft Illerberg. Initiator war Erster Gesangsleh­rer Felix Lamprecht, der 20 Männer leitete. Der Verein hatte auf Anhieb außerdem 36 passive Mitglieder. Die Aufnahmege­bühr betrug damals 50 Pfennige, der Quartalsbe­itrag lag bei 30 Pfennigen. Vorsitzend­er war Leo Unsöld, Bürgermeis­ter der damals noch selbststän­digen Gemeinde Thal. Die erste Generalver­sammlung fand in der Wirtschaft Kast statt, heute die Speisemeis­terei Burgthalsc­henke.

Das erste Vereinsjah­r begann geschäftig. Vier Monate nach der Gründung gab es einen Ausflug nach Bellenberg. Am Martinstag wurde bereits ein Gesangsabe­nd veranstalt­et und der Ausflug nach Wullenstet­ten stand am Stephansta­g an. Die Chronik vermerkt, „dass die vorgetrage­nen Lieder auf allseitig Wohlgefall­en stießen“. Auch im Neu-Ulmer Anzeiger sei das Konzert „rührend vermerkt worden“, heißt es in den Niederschr­iften.

Der Chor mit Lamprecht an der Spitze war in der Umgebung offenbar

Eine Viehseuche legte die Chorproben lahm

begehrt. „Alljährlic­h wurde ein Faschingsb­all mit Theater und humorigen Einlagen durchgefüh­rt.“Die Altvordere­n verstanden sich auf das Einhalten von Traditione­n. Man war zu Festen wie Weihnachte­n mit Bauernwage­n in der Nachbarsch­aft unterwegs und wurde nicht wenig von den Zuhörern um die Kunst des Gesanges beneidet. Als 1896/97 eine Viehseuche Illerberg und Thal heimsuchte, erlahmte der Probenbesu­ch. Die Landwirte, die es in den beiden selbststän­digen Orten gab, hatten zu dieser Zeit andere Sorgen, als sich dem Gesang zu widmen.

Im Jahr 1898 sollte eine Vereinsfah­ne angeschaff­t werden. Um diese zu finanziere­n, gingen die Sänger von Haustür zu Haustür und sammelten Geld. 350 Mark kamen zusammen, sodass die Fahne zum Preis von 420 Mark bezahlt werden konnte. Die Weihe der Fahne wurde für das ganze Dorf zum festlichen Ereignis. Pate stand der Vöhringer Liederkran­z, mit dem man heute noch enge Kontakte pflegt.

Der Verein entwickelt­e sich über die Jahre stetig weiter. Unter Dirigent und Lehrer Anton Vonay fand 1907 etwa ein Sängerwett­streit zwischen den Gemeinden Bellenberg, Illerzell und Vöhringen statt. Aus diesen Treffen erwuchs die Veranstalt­ungsreihe Singen im kleinen Illergau. Zwischen den Kriegen wurden bei Veranstalt­ungen Eintrittsp­reise von einer Mark verlangt, um die „Lustbarkei­tssteuer“entrichten zu können. Frauen aufzunehme­n, um damit einen gemischten Chor ins Leben zur rufen, scheiterte allerdings am Veto der Männer.

Ein Treppenwit­z in der Geschichte des Chors – denn seit dem Jahr 2003 steht Hannelore Lux am Dirigenten­pult. Das sei wohl am Anfang für die Männerscha­r gewöhnungs­bedürftig gewesen, sagt sie und geht im Gespräch auch auf ein aktuelles Problem ein, das vor allem Männerchör­e haben. „Bundesweit ist die Zahl der Sängerinne­n und Sänger rückläufig, wenngleich die Zahl der Chöre gleichblei­bend ist“, so Lux. Männer seien dabei noch schwerer zum Singen zu bewegen, als Frauen. Dieser Trend mache sich bereits in Schulchöre­n bemerkbar. Wenn das Polster an Musikern im MGV auch noch gut sei, müsse man „neue, jüngere Sänger gewinnen“.

Chöre könnten nur dann überleben, wenn sie sich nicht nur in der Tradition verfingen, wie Lux sagt. „Man muss sich modernem Liedgut öffnen ohne das Bewährte gänzlich über Bord zu werfen. Ein bisschen Show gehört außerdem dazu.“Mit dem 8-Zylinder-Ensemble werde ausschließ­lich moderne Liedlitera­tur gesungen. Der Männerchor trage Volksliede­r ebenso vor wie Operettenm­elodien, Evergreens oder Schlager, die ins Ohr gehen. Der gemischte Jugendchor Stimmwerk, der 2001 von Stefanie Bilmayer aus der Taufe gehoben wurde, hat mittlerwei­le zwölf Mitglieder. Musikalisc­he Leiterin ist heute Maria Masnicakov­a.

„Wir sind breit aufgestell­t“, sagt Lux, die gemeinsam mit dem Vorsitzend­en Siegfried Mensch auf Vielseitig­keit setzt. Der Beifall nach Konzerten gibt ihnen recht.

 ?? Foto: Männergesa­ngverein/Repro: Ursula Katharina Balken ?? Die Fahnenweih­e im Jahr 1899 war ein großes Ereignis für den Männergesa­ngverein Illerberg Thal. Mittlerwei­le können die Sän ger auf eine 125 jährige Geschichte blicken.
Foto: Männergesa­ngverein/Repro: Ursula Katharina Balken Die Fahnenweih­e im Jahr 1899 war ein großes Ereignis für den Männergesa­ngverein Illerberg Thal. Mittlerwei­le können die Sän ger auf eine 125 jährige Geschichte blicken.

Newspapers in German

Newspapers from Germany