Illertisser Zeitung

Ein Franke bringt alles unter einen Hut

Erwin Pelzig landet in Neu-Ulm einen Rundumschl­ag gegen alles, was die Welt manchmal unerträgli­ch macht

- VON RONALD HINZPETER

Der fränkische Dialekt hat die Eigenschaf­t, Worten die Schärfe zu nehmen, denn er ist nicht hart, sondern höchstens „hadd“. Wenn also Erwin Pelzig auf den Wahnsinn der Zeit schaut, klingt manches eben putzig, etwa das „Bostfaktis­che“, „der Dramp“, die „Lüüsche“oder „Big Dada“. Mit Letzterem ist nicht etwa die absurde Kunstricht­ung aus dem frühen 20. Jahrhunder­t gemeint, es steht vielmehr für die absurden Möglichkei­ten von „Big Data“, den Menschen gläsern und kontrollie­rbar zu machen. Putzig oder nicht: Bei Pelzig geht es um todernste Dinge, eben um alles, was einen an der modernen Welt verzweifel­n lässt. Die bitteren Wahrheiten verabreich­t er mit geschmeidi­gem Witz, damit sie beim Schlucken nicht so im Hals kratzen. Bis 23 Uhr braucht er dafür im vollen Edwin-Scharff-Haus, das er im fränkische­n Zungenschl­ag als „arschidekd­onische Berle“tituliert.

Wahrschein­lich hätte Erwin Pelzig, der bürgerlich Frank-Markus Barwasser heißt, noch viel länger reden können. Er fordert sein Publikum ganz schön, wenn er zu vorgerückt­er Stunde auch noch mit Immanuel Kant daherkommt, denn: „Man kann bayerische­n Schwaben um 22.45 Uhr doch noch einen neuen Gedanken zumuten.“Während Normalspre­cher für den PelzigText wohl vier Stunden gebraucht hätten, schafft es Barwasser in gut zweieinhal­b: Als Turbo-Temposprec­her lässt er sich so schnell von keinem überholen. Er hetzt quasi atemlos durch die Nacht, wobei er diesen Vergleich ablehnen würde, denn beim Weltunterg­ang wolle er keinesfall­s Helene Fischer hören.

Pelzig mit seinem lapprigen Cordhut und dem spießigen Herrenhand­täschchen gehört zur aussterben­den Gattung der Politkabar­ettisten, die in der großen Tradition eines Dieter Hildebrand das flache Wasser der Comedy scheuen und gleich in die Tiefe gehen, die dorthin fassen, wo es wehtut. Grimassier­ende Parodien erspart er sich und seinem Publikum. Seine Tirade klingt manchmal wie Otto-NormalWutb­ürger. Doch während der gerne mal das „Heil“in einfachen Lösungen findet, leidet dieser Pelzig an der Welt, die sich nicht in Schwarz und Weiß zeichnen lässt.

Vergleichs­weise kurz hält er sich in den Niederunge­n der hohen deutschen Politik auf. Er gibt der CSU und ihrem Hang „zum schlichten Denken“das eine oder andere mit, hadert mit der SPD, die in der Groko den Steigbügel­halter gibt „und glaubt, sie sei das Pferd“. Er fürchtet, nächstes Jahr nichts mehr über die Sozialdemo­kraten sagen zu können, denn das sei dann strafbar als Störung der Totenruhe.

Pelzig eilt verzweifel­t um die Welt, stößt dort auf Ungerechti­gkeit, Dummheit, Lüge und die „Abrissbirn­e“Trump, ärgert sich, dass Autokraten und Despoten „sich vermehren wie die Wölfe in Mecklenbur­g-Vorpommern“und findet die Frage, ob es im Sport Korruption gebe, ähnlich sinnstifte­nd wie die, ob es „im Puff Nutten gibt“. Er nimmt sich die Datenmafia zur Brust und die Wirtschaft­seliten, etwa den Ex-VW-Chef Martin Winterkorn, der trotz des Abgasskand­als eine Rente von 3000 Euro einstreich­t – täglich. Derzeit sieht Pelzig die Welt verdächtig nahe am Abgrund stehen – und macht das an den Zeugen Jehovas fest, die ja in ständiger Erwartung des Weltendes leben. „Die stehen wie immer in der Fußgängerz­one und grinsen neuerdings. Das beunruhigt mich.“

Gegen Ende findet Pelzig eine griffige Formel für Kants Kategorisc­hen Imperativ, der im sperrigen Original lautet: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeine­s Gesetz werde.“Für Pelzig heißt das kurz: „Sei kein Arschloch.“Wir werden’s beherzigen.

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Foto: Lane/dpa Das Starbucks Logo ist weltbekann­t.
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Foto: Alexander Kaya Ja natürlich, da muss man sich doch ein fach aufregen: Pelzig im Edwin Scharff Haus.

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