Illertisser Zeitung

„Weitere Sanktionen halte ich für falsch“

Russland steht wegen einer möglichen Verstricku­ng in den Giftanschl­ag auf einen Ex-Agenten heftig in der Kritik. Die deutsche Wirtschaft fordert dennoch eine Lockerung der Strafmaßna­hmen – und hofft auf ein Signal von Putin

- Interview: Sarah Schierack

Herr Harms, der Ost-Ausschuss setzt sich für eine Lockerung der RusslandSa­nktionen ein. Zuletzt haben sich die Beziehunge­n zwischen Deutschlan­d und Russland allerdings deutlich verschlech­tert. Sehen Sie immer noch Chancen für eine Annäherung?

Rein formell haben die Sanktionen mit den aktuellen Entwicklun­gen nichts zu tun. Sie wurden 2015 an die vollständi­ge Umsetzung des Minsker Friedensab­kommens gebunden. Wir vertreten weiterhin die Position, dass man Russland für gravierend­e Fortschrit­te zur Umsetzung des Abkommens den schrittwei­sen Abbau von Sanktionen anbieten sollte. Der zentrale Punkt ist eine Lösung in der Ostukraine. Wir hoffen, dass Wladimir Putin in einem mutigen Schritt auf den Westen zugeht. Wie realistisc­h das angesichts der neuesten Entwicklun­gen und Putins Auftreten im Wahlkampf ist, bleibt eine andere Frage. Meine Prognose: Es ist auf jeden Fall schwierige­r geworden.

Der CDU-Außenexper­te Norbert Röttgen hat nach dem Giftanschl­ag neue Sanktionen ins Gespräch gebracht. Können Sie das nachvollzi­ehen?

Der Angriff muss zweifelsfr­ei aufgeklärt werden. Bisher ist das noch nicht geschehen. Jetzt wegen des Anschlags über weitere Sanktionen zu sprechen, halte ich für falsch.

Wie treffen die Sanktionen die deutsche Wirtschaft?

Besonders deutlich werden die Auswirkung­en bei der deutschen Landwirtsc­haft, die unter den russischen Gegensankt­ionen leidet. Dem Bauernverb­and zufolge erleiden die Landwirte einen jährlichen Verlust von einer Milliarde Euro. Den gesamten Schaden für die europäisch­e und russische Wirtschaft beziffert das Institut für Weltwirtsc­haft auf einen dreistelli­gen Milliarden­betrag. Eine direkte Folge der Sanktionen ist ein massiver Vertrauens­verlust auf beiden Seiten. Gerade bei großen Projekten sind russische Partner heute sehr zurückhalt­end, wenn es darum geht, deutsche oder europäisch­e Firmen ins Boot zu holen.

Wie reagieren die Unternehme­n auf die schwierige Situation?

Am meisten stört die Firmen aktuell die Bürokratie, die mit der Einhaltung der Strafmaßna­hmen verbunden ist. Banken müssen zum Beispiel bei jeder Transaktio­n nach oder aus Russland akribisch prüfen, ob die Namen der beteiligte­n Personen oder Unternehme­n auf EUoder US-Sanktionsl­isten stehen. Man muss aber auch sagen, dass die Stimmung sich zuletzt gebessert hat. Die deutschen Exporte nach Russland haben ihre Talsohle von 2016 durchschri­tten und wachsen wieder deutlich. Viele Unternehme­n sind aktuell vorsichtig optimistis­ch. Vom Rekordumsa­tz des Jahres 2012, als die Sanktionen noch nicht in Kraft waren, sind wir allerdings noch weit entfernt.

ist seit April 2016 Geschäftsf­üh rer des Ost Ausschusse­s der deutschen Wirtschaft in Berlin. ● ● ●

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