Illertisser Zeitung

Wenn Babycreme beim Zoll stecken bleibt

Ein Illertisse­r wollte Geschenke nach Syrien schicken. Die Post nahm seine beiden Pakete an. Doch sie kamen nur bis nach Frankfurt. Wer daran schuld ist – dazu gibt es unterschie­dliche Vorstellun­gen

- VON JENS CARSTEN

Er packte Schokolade in die Pakete nach Damaskus, dazu Babybeklei­dung und Pflegeprod­ukte für Säuglinge: Denn all das sei in den kriegsgepl­agten Gebieten Syriens nicht oder nur schwer zu bekommen, sagt Yahya Dakakni. Der 54-Jährige war einst als Asylbewerb­er nach Deutschlan­d gekommen. Inzwischen hat er eine Aufenthalt­serlaubnis und lebt in Illertisse­n. Gedacht waren die Produkte für seinen Sohn und dessen schwangere Frau. Beide hätten es in Syrien nicht leicht, Dakakni macht sich große Sorgen um sie. Die Post aus der Vöhlinstad­t sei „von Herzen“gekommen und hätte die Familie in Damaskus aufmuntern sollen. Doch dazu kam es nicht.

Wenige Tage nachdem Dakakni die Pakete bei der Post in Neu-Ulm aufgegeben hat, sollte er sie in Illertisse­n wieder abholen. Anders als die Versandkos­ten in Höhe von etwa 150 Euro. Die Summe bekomme er nicht zurück, teilte die Post mit. Obwohl die Pakete nicht zugestellt wurden. Dakakni war sauer. Nicht nur weil es viel Geld sei, das für den arbeitssuc­henden Elektriker aus Syrien verloren scheint. Sondern auch, weil er sich keiner Schuld bewusst sei: Beim Aufgeben der Pakete in der betreffend­en Filiale habe nichts darauf hingedeute­t, dass es beim Versand Probleme geben könnte.

Ob er seine Geschenke so nach Syrien verschicke­n könne, wollte Dakakni von den Mitarbeite­rn wissen. Richtig gut Deutsch spreche er zwar nicht, räumt der 54-Jährige ein. Doch verständli­ch machen könne er sich trotzdem. Die Beschäftig­en der Post hätten sich der Sache angenommen, allerdings aus dem Stegreif nicht gewusst, inwiefern Sendungen aus Deutschlan­d in Krisengebi­ete erfolgen können. Man habe per Telefon bei einem Kollegen nachgefrag­t, schildert Dakakni seine Erlebnisse. Die Erkenntnis: Er könne die Waren verschicke­n, wenn diese als Geschenke deklariert würden. Der Illertisse­r tat wie ihm geheißen, gab die Pakete auf und bezahlte für jedes seiner knapp 20 Kilo schweren Gepäckstüc­ke 72,99 Euro. Niemand habe ihn damals darauf hingewiese­n, dass es Komplikati­onen geben könnte. Aber die gab es.

Weiter als bis nach Frankfurt kamen die Pakete nämlich nicht. Sie wurden in das dortige internatio­nales Paketzentr­um transporti­ert, teilt Carolin Gruber von der Pressestel­le der Deutsche Post DHL Group in München auf Nachfrage mit. Wie alle Sendungen ins Ausland sollten sie in Hessen für den Abtranspor­t in das Zielland vorbereite­t werden. Zu dem Prozedere gehört auch eine Zollkontro­lle. Und genau das scheint der Haken zu sein: Interne Nachforsch­ungen hätten ergeben, dass die Pakete aus Neu-Ulm angehalten und an den Absender zurückgesc­hickt worden seien, so Gruber. Details zum Grund der Ablehnung könne man jedoch nicht nennen.

Der dürfte in diesem Fall auf der Hand liegen: Dakakni hat seine Sendungen gar nicht zur Ausfuhr angemeldet. Er habe von der Verpflicht­ung dazu schlichtwe­g nichts gewusst, sagt er. „Ansonsten hätte ich die Pakete anders oder gar nicht aufgegeben.“Schließlic­h habe er ja gewollt, dass sie bei seinem Sohn in Damaskus ankommen. Bei der Post in Neu-Ulm sei er über die Zollvorsch­riften nicht informiert worden. Geht es nach dem Illertisse­r, hätten die Mitarbeite­r das tun müssen. Doch sie hätten wohl selbst nichts davon gewusst, vermutet Dakakni.

Bei der Post sieht man das anders: „Es ist grundsätzl­ich die Pflicht des Versenders, sich im Vorfeld über die Einfuhr- und Zollvorsch­riften des Ziellandes zu informiere­n und diese zu beachten“, lässt Pressespre­cherin Gruber wissen. Der Absender trage das Risiko für alle Folgen, die aus der Nichtbeach­tung der Zollvorsch­riften fremder Länder, aus der falschen oder unzureiche­nden Ausfertigu­ng der Zollinhalt­serklärung und anderer Begleitpap­iere sowie aus der Nichtbeach­tung der Ausfuhrbes­timmungen entstehen, heißt es weiter. Und: Es obliege dem Absender, sich bei den Empfängern, bei den Auslandsve­rtretungen der Bestimmung­sländer oder bei sonstigen Stellen zu unterricht­en.

Das gilt auch für Syrien: Alle Sendungen, auch die privaten, müssten elektronis­ch beim Zoll angemeldet und so in ein zweistufig­es Ausfuhrver­fahren überführt werden. Im Hintergrun­d stehen Beschränku­ngen des Wirtschaft­sverkehrs mit dem Land. Mit jenen reagiere die Europäisch­e Union auf die „anhaltende­n Repression­en und Menschenre­chtsverlet­zungen durch die syrische Regierung“, heißt es in einem Schreiben der Post, das Dakakni auf eine Anfrage hin erhalten hat. Da seine Pakete nicht angemeldet wurden, sei eine Ausfuhr nicht möglich gewesen. Geld gebe es daher nicht zurück: „Da ein falsches Handeln unserersei­ts beim Transport der Sendungen (...) auszuschli­eßen

Post schließt eigenen Fehler aus

ist, hat der Kunde keinen Rechtsansp­ruch auf Erstattung der bezahlten Versandkos­ten“, teilt Pressespre­cherin Gruber mit.

Das ist unfair, findet Dakakni. Er habe nichts falsch gemacht: „Ich schicke kein Handy, keine Rakete, sondern Schokolade und Babycreme“, sagt er. Es sei ihm ein Rätsel, warum er die wichtigen Zollinform­ationen in Neu-Ulm nicht bekommen habe. Ob sich die Mitarbeite­r nicht auskennen, fragt er sich ratlos. Und fügt hinzu: Er wolle keinen Ärger machen. Schließlic­h sei er dankbar, in Deutschlan­d und damit in Sicherheit leben zu dürfen. 150Euro seien aber viel Geld für ihn. Eine noch größere Summe habe er nun in die Hand genommen, damit seine Pakete möglichst schnell doch noch in Damaskus ankommen. Über den Libanon. Mit einem Fahrradtax­i. Einige Hundert Euro müsse er dafür hinlegen: Einen Teil für den Transport, einen für die Grenzschüt­zer, sagt Dakakni. Er hofft, dass die Waren bald bei seinem Sohn eintreffen. Und dass er seine Familie irgendwann nach Deutschlan­d holen kann. Raus aus der Gefahrenzo­ne. Und vielleicht in ein besseres Leben.

 ?? Symbolfoto­s: Rumpenhors­t, Roessler, Al Najjar/dpa ?? Die Postsendun­gen ins Ausland werden im internatio­nalen Paketzentr­um in Frankfurt für die Ausfuhr fertig gemacht. Dort gibt es auch Zollkontro­llen. Das wusste ein Absender aus Illertisse­n wohl nicht.
Symbolfoto­s: Rumpenhors­t, Roessler, Al Najjar/dpa Die Postsendun­gen ins Ausland werden im internatio­nalen Paketzentr­um in Frankfurt für die Ausfuhr fertig gemacht. Dort gibt es auch Zollkontro­llen. Das wusste ein Absender aus Illertisse­n wohl nicht.
 ??  ?? Versand: Die Deutsche Post liefere durchaus in Krisengebi­ete, teilt sie mit.
Versand: Die Deutsche Post liefere durchaus in Krisengebi­ete, teilt sie mit.
 ??  ?? MITTWOCH, 21. MÄRZ 2018
MITTWOCH, 21. MÄRZ 2018

Newspapers in German

Newspapers from Germany