Dem Waaghäusle ein Denkmal
Das Gebäude steht seit 100 Jahren in Wullenstetten. Ein Verein will es vor dem Verfall retten
Seit genau 100 Jahren steht ein unscheinbares Waaghäusle an der Johann-Glocker-Straße in Wullenstetten. Kaum jemand beachtet es, dabei hat es eine bewegte Geschichte – und jetzt sogar einen Verein, der es erhalten will. 15 Mitglieder hat der Förderverein „Waaghäusle Wullenstetten“kurz nach seiner Gründungsversammlung. Sie widmen sich mit Vereinsbeiträgen und Spenden der Pflege des Mini-Hauses, dessen Grundfläche gerade mal fünf Quadratmeter misst und die ehemalige Gemeindewaage der Ortschaft beherbergt.
Jahrzehntelang bildete die Waage einen Anziehungspunkt für Landwirte aus der Umgebung, erzählt der frisch gewählte Vereinsvorsitzende und Zweite Sendener Bürgermeister Josef Ölberger. „Es war die einzige Waage in der näheren Umgebung.“Und es sei doch schade, wenn das Häuschen verfallen und irgendwann einmal abgerissen werden würde.
Diesen Gedanken hatten auch die Ideengeber des Projekts in den Reihen der Wullenstetter Feuerwehr: Bei einer Ausflugsfahrt überlegten sie, wie das Waaghäusle zu erhalten wäre. Und schnell fanden sich weitere Unterstützer, die aktiv werden wollten. So trafen sich am 9. März bereits 15 Gründungsmitglieder im Wullenstetter Feuerwehrhaus und beschlossen die Vereinsgründung und eine Satzung.
Zweck des Vereins ist „die ideelle und finanzielle Förderung sowie Unterstützung von Erhalt und Pflege des Gebäudes der ehemaligen Gemeindewaage“. Einst war die öffentliche Waage als Fuhrwerkswaage für höchstens 7,5 Tonnen ausgelegt. Bauern nutzten sie, um Wagen, Heu oder Getreide zu wiegen. Heute befindet sich im Innenraum des Hauses eine Boxenwaage für kleinere Tiere wie Schweine und Kälber, die maximal 250 Kilo trägt.
Damals übernahm das Wiegen ein vereidigter Waagmeister. Belegt ist, das haben die Gründer zusammengetragen, dass ein Waagmeister Hans Gässele hieß, später war es Johann Ölberger senior und anschließend Johann Ölberger junior. Schon seit den 1990er-Jahren blieb die Waage zunehmend ungenutzt, weil die landwirtschaftlichen Fuhrwerke für sie zunehmend zu schwer wurden. Zuletzt seien die Ausgaben höher gewesen als die Einnahmen aus den Wiegegebühren, berichtet der Vorsitzende. 2015 legte man die Waage dann komplett still.
Um sie weiter betreiben zu dürfen, wären Reparaturen nötig gewesen, alles in allem Investitionen von 10 000 Euro, die die Kommune nicht mehr hineinstecken wollte. Freiwillig hatte sie die Waage im Lauf der Zeit mehrfach instandgesetzt und das Häuschen mit neuem Dach und Anstrich versehen. In Zukunft will das der Verein übernehmen. Fürs Erste plant er, ein neues Fenster einzubauen und die Fassade zu streichen. Auch Blumenschmuck soll das Häuschen erhalten, und auf längere Sicht wollen die Förderer den Originalzustand wiederherstellen, indem die zweite, später eingebaute Tür wieder zugemauert wird. Einen Nutzen fürs Dorfleben hat das Haus übrigens bis heute: Sein Stromanschluss versorgt den jährlichen Adventsmarkt mit Energie. Der Anschluss bleibe bestehen, sagt Ölberger, die Stromkosten trage weiterhin die Stadt. Zudem beherbergt der Waageschacht das Fundament für den örtlichen Maibaum und den Weihnachtsbaum. Das Waaghäusle will der Verein nun von der Kommune mieten – gegen einen symbolischen Betrag, der noch nicht festgelegt ist. Am 30. April wird der Schlüssel offiziell übergeben – am Abend des Maibaumstellens.