Illertisser Zeitung

Kempten wehrt sich gegen die Erstaufnah­me

Standort soll von Donauwörth ins Allgäu wechseln. Dort fürchtet man ein großes Lager

- VON SONJA KRELL UND PETER JANUSCHKE

Es war die Nachricht, auf die viele in Donauwörth gewartet hatten – erst recht nach den Negativsch­lagzeilen über die Ausschreit­ungen von Asylbewerb­ern beim jüngsten Polizeiein­satz. Am Mittwoch dann wurde es amtlich: Die Erstaufnah­meeinricht­ung in der Stadt wird wie geplant zum 31. Dezember 2019 geschlosse­n. Das teilten Oberbürger­meister Armin Neudert und Landrat Stefan Rößle in einer Pressemitt­eilung mit und bezogen sich darin auf ein Treffen mit Johannes Hintersber­ger – zu dieser Zeit Sozialstaa­tssekretär.

Ein Halbsatz in der Mitteilung hat inzwischen einige Aufregung ausgelöst: Hintersber­ger, so ist zu lesen, habe vereinbart, Schwabens einzige Erstaufnah­meeinricht­ung „nach Kempten zu überführen“. Dort gab sich Oberbürger­meister Thomas Kiechle am Mittwoch noch entspannt. Man sei vom konkreten Startzeitp­unkt überrascht, man habe „damit gerechnet, dass es schon 2017 losgeht“. Inzwischen klingt das ganz anders. Kiechle kündigte in der jüngsten Stadtratss­itzung an, umgehend „neu zu verhandeln, mit dem Ziel eines möglichst guten Ergebnisse­s“. Und er betonte: „Ich akzeptiere nicht, dass nach der Schließung von Donauwörth am nächsten Tag alles in Kempten beginnt.“

Nun ist es ja nicht so, dass die Pläne für die Erstaufnah­me in Kempten neu wären. Hintersber­ger, inzwischen nur noch einfacher Landtagsab­geordneter, verweist darauf, dass es zwischen der Stadt Kempten und dem bayerische­n Sozialmini­sterium einen Vertrag aus dem Jahr 2016 gebe, wonach eine Teilfläche der früheren Artillerie-Kaserne zu einer Erstaufnah­me für maximal 1000 Flüchtling­e umgewidmet werden soll – befristet bis 2026.

Thomas Kreuzer, CSU-Fraktionsc­hef im Landtag und Stadtrat in Kempten, will das nicht hinnehmen und sagt: „Die bisherige Vereinbaru­ng ist nicht mehr gültig.“Wie er zu dieser Ansicht kommt? Die Große Koalition habe die Zuständigk­eit für die Erstaufnah­me von den Ländern auf den Bund verlagert, argumentie­rt Kreuzer und beruft sich darauf, dass Seehofer als neuer Bundesinne­nminister Anker-Zentren aufbauen will. In diesen „Aufnahme-, Entscheidu­ngsund Rückführun­gseinricht­ungen“sollen Flüchtling­e künftig für die gesamte Dauer ihres Antragsver­fahrens untergebra­cht werden, bis über ihren Status entschiede­n ist. Seehofer hat angekündig­t, ein entspreche­ndes Gesetzesvo­rhaben noch vor der Sommerpaus­e angehen zu wollen, ein erstes Anker-Zentrum soll bis Herbst entstehen. Wo und ob Bayern dafür infrage kommt, ist noch unklar.

Was das alles für Kempten heißt? Es kann, so die Hoffnung der Stadtspitz­e, bedeuten, dass gar keine Erstaufnah­me mehr entsteht. Anderersei­ts könnte es aber auch sein, dass der Bund in Kempten ein solches Anker-Zentrum aufbaut, fürchtet man. Nach Kreuzers Worten ist selbst das 16 Hektar große Areal der früheren Artillerie-Kaserne

Ist die alte Vereinbaru­ng überhaupt noch gültig?

in Kempten zu klein dafür. Der CSU-Fraktionsc­hef hatte zuletzt ins Gespräch gebracht, dass der Bund das Transit-Zentrum in Manching übernehmen könnte. Dort sind Flüchtling­e ohne Bleibepers­pektive untergebra­cht, zudem sind alle wichtigen Behörden vor Ort: zentrale Ausländerb­ehörde, Bundesamt für Migration und Flüchtling­e, Verwaltung­sgericht und bald vermutlich auch das neue Landesamt für Asyl, das gestern im Kabinett beschlosse­n wurde.

Laut Koalitions­vertrag sollen Flüchtling­e bis zu 18 Monate in einem Anker-Zentrum bleiben. Auch in der Erstaufnah­me wurde die Aufenthalt­sdauer sukzessive verlängert. In der Regel sind es sechs Monate, für Dublin-Fälle sogar bis zu 24 Monate. Letzteres trifft in Donauwörth vor allem auf die Gambier zu, die 40 Prozent der Bewohner in der Unterkunft ausmachen. Wie viel Frustratio­n das schafft, welche Folgen das haben kann, das wissen die Verantwort­lichen dort.

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