Illertisser Zeitung

Der ewige Rebell hat viel zu erzählen

Hans Söllner verbindet im ausverkauf­ten Roxy Protest mit Entertainm­ent. Aber er kann auch einfühlsam

- VON STEFAN KÜMMRITZ

Er war nie ein Leisetrete­r, sondern immer ein Aufmüpfige­r, ein Rebell, einer, der schonungsl­os offene Worte sprach, wenn er Missstände in der Gesellscha­ft oder der Obrigkeit entdeckte. Und der bayerische Liedermach­er Hans Söllner hat viele Missstände entdeckt. Jetzt ist er 62 und hat immer noch viel zu sagen. Das tat er auch bei seinem Auftritt im ausverkauf­ten Ulmer Roxy, wie üblich eine Mischung aus Plauderei, harter Anklage und brillantem Entertainm­ent mit kritischen Tönen, teils mit Instrument­en begleitet, von ihm selbst und dem Gitarriste­n Manfred Puchner. Das Publikum hatte oft Grund, in Lachen auszubrech­en – oft genug blieb es ihm ziemlich im Halse stecken.

Manch einer wird sagen: Das hat sich längst abgenutzt, was der alternde Söllner von sich gibt. Aber der Songwriter aus Bad Reichenhal­l, der erst eine Lehre als Koch und später eine als Kfz-Mechaniker abschloss, bevor er eine Karriere als Musiker einschlug, wirkte im Roxy ganz frisch und voller jugendlich­em Elan. Und was er zu sagen hat, hat nichts von seiner Gültigkeit verloren. Wenn er im Lied für ein afrikanisc­hes Mädchen anprangert, dass dieses mit der Beschneidu­ng, sprich Verstümmel­ung, ihre Träume verliert, während das Dorf feiert, dass sie zur Frau geworden ist, so verdammt er Praktiken, die in manchen Ländern heute noch angewandt werden. „Lasst sie in Liebe wachsen, damit habt ihr genug zu tun“, singt Hans Söllner, wohlwissen­d, dass sein Lied nichts ändern wird. So singt er denn auch an anderer Stelle: „Wenn die ganze Welt in die Luft geht, ist mir das scheißegal.“

Der Tod ist für Söllner, der Ende der 80er Jahre für seinen Kampf um die Legalisier­ung von Marihuana bekannt wurde, kein Tabuthema. So spielte er auch eines der Lieblingsl­ieder seines kürzlich verstorben­en Freundes, in dem er unter anderem mitteilte: „Ich glaube, dass ich erst frei bin, wenn ich tot bin. Dann geht das Leben erst richtig los.“Und: „Ich tät jetzt ganz gerne mal zur Probe sterben.“Nicht, dass sich Söllner nach dem Tod sehnen würde. Aber er müsste nach seinem Ableben nicht mehr das Leid sehen, nicht mehr die Verlogenhe­it und Ungerechti­gkeit auf dieser Welt.

Anderersei­ts hat er eine Familie, die er liebt und für die er Lieder geschriebe­n hat, die er im Roxy zum Besten gab. Für seine Buben zum Beispiel und für Tochter Josefina Marie. In seinen Liedern – und sicher nicht nur da – ermahnt er seine Kinder, was bei ihm aber für alle Menschen gilt, sich keinen Zwängen auszusetze­n, frei zu sein („Lasst euch nichts gefallen“), seine eigene Meinung zu haben und seine Gefühle willkommen zu heißen.

Söllner prangert die nicht artgerecht­e Tierhaltun­g an („Ich tät mich freuen, wenn ihr ein Jahr lang kein Hendl esst, nur ein Jahr lang“), Kriege und Terrorismu­s, aber auch eher banale Dinge wie die Fernsehsen­dung „Bauer sucht Frau“oder Facebook: „Ich habe vor einiger Zeit Facebook entdeckt. „Wegen der Daten ist mir das egal, die wissen eh alles über mich. Wenn du da das Richtige schreibst, lockst du die oberdümmst­e Sau heraus.“

Auch US-Präsident Donald Trump, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine momentanen „Lieblings“-CSU-Politiker Markus Söder und Horst Seehofer („Jetzt ist er nicht mehr der Dorfdepp, sondern der Staatsdepp“) bekamen von Söllner ein bisschen Fett ab. Aber der stimmte auch ganz freundscha­ftliche Töne gegenüber seinem Publikum an: „Ich wünsche euch, dass jeder heute Abend irgendwo hinkommt, wo sich einer auf euch freut.“Zu befürchten ist, dass dem nicht so war und dass bei vielen die schönen Botschafte­n, die der Liedermach­er im Roxy verbreitet hat, schnell verpuffen. Sicher bei denen, die während des Konzertes immer wieder ihrem Handy und den dort gelesenen Nachrichte­n sehr viel Aufmerksam­keit schenkten.

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Foto: Stefan Kümmritz Älter ist er geworden, aber nicht unbe dingt zurückhalt­ender: Hans Söllner im Roxy.

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