Illertisser Zeitung

Triumph eines Königs?!

- VON DEKAN CHRISTOPH SCHIEDER, MEMMINGEN

Menschenme­ngen stehen jubelnd am Straßenran­d – sie rufen, sie winken und bereiten ihren Helden einen fulminante­n Empfang. Die lassen sich feiern, grüßen cool zurück in die Menge oder zeigen den Pokal, den sie gewonnen haben mit stolzgesch­wellter Brust. Und das Fahrzeug, auf dem sie unterwegs sind, ist natürlich standesgem­äß: ein Doppeldeck­er-Bus, ein Party-Lkw oder eine Staatskaro­sse.

Solche Paraden gibt es seit Menschenge­denken. Vor 2000 Jahren zieht der kaiserlich­e Statthalte­r Pontius Pilatus jährlich im Frühjahr von seiner Residenz am Meer nach Jerusalem ein – mit Pauken und Trompeten. Kolonnen von Pferden und starken Männern mit Waffen folgen ihm, um den mehr oder weniger begeistert­en Menschen am Straßenran­d zu zeigen, wer in Stadt und Land die Macht und das Sagen hat.

Dieser alljährlic­he Einzug findet am Westtor von Jerusalem statt. Am Osttor der Stadt ereignet sich eines Tages ein Einzug der ganz anderen Art: Ohne Fanfaren und ohne Fahrzeugko­lonne – ein geklauter Esel muss reichen. Statt eines roten Teppichs legen die Menschen ihre Mäntel und Kleider auf den Weg – ein bunter Flickentep­pich, unvergleic­hlich schön. Statt Fähnchen in Nationalfa­rben reißen die Leute Äste von den Bäumen und winken Jesus zu.

Irgendwie sollte es damals wohl schon ein bisschen nach „Triumphzug eines Königs“aussehen; gleichzeit­ig wirkt das Ganze fast ein wenig schelmenha­ft. So als ob da einer sagen will: „Ihr mit eurem Kult um die Macht! Hier könnt ihr sehen, was wirklich Jubel verdient: nicht Status-Symbole, sondern der Mut, mit den Menschen auf Tuchfühlun­g zu gehen und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Nicht heldenhaft­e Stärke zu demonstrie­ren, sondern auf die Kraft der Menschlich­keit zu setzen.“

Ich muss gestehen: So macht mir die Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem richtig Spaß! Sie ist frech, sie provoziert, sie stellt infrage – nicht nur die damaligen Verhältnis­se, sondern auch die heutigen!

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