Illertisser Zeitung

Verdi als Albtraum

Der Intendant nimmt sich der „Macht des Schicksals“an und reist mit ihr nach Lateinamer­ika. Dort geraten Ensemble wie Publikum in eine Koks-Küche

- VON RÜDIGER HEINZE Bizarrerie­n

Giuseppe Verdi hängte es nicht an die große Glocke. Aber er wusste genau, was er mit „La forza del destino“vertonte. Gegenüber seinem Verleger Ricordi äußerte er humoristis­ch pointiert zum Stück: „Bei so vielen Mängeln und so vielen Absurdität­en des Librettos ist es ein Wunder, dass nicht wenigstens der [römische] Impresario davon getötet worden ist.“

Ja, „Die Macht des Schicksals“, diese Oper, die besser „Die Macht des Zufalls“heißen sollte, ist eine arge Räuberpist­ole aus schauriger Mantel- und Degenzeit. Was unwahrsche­inlicherwe­ise mal irgendwann passieren könnte, geschieht darin am laufenden Band – vom unbeabsich­tigt sich lösenden (und treffenden) Pistolensc­huss im 1. Akt bis hin zu demselben Bußorden, dem sich das aus den Augen gekommene Paar Leonora/Alvaro anschließt. Das Krude des Stücks hat schon fast surreal-dadaistisc­he Momente, nicht zuletzt im kriegslüst­ernen Rataplan-Chor; und mancher Regisseur – wie etwa einst Hans Neuenfels – begegnete dem WahnsinnsP­lot angemessen mit im ganz normalen Weltgesche­hen: Standes- und Rassendünk­el, gezielt persiflier­t (Ouvertüren-Höhepunkt zum Öffnen von Leonoras gut bestückter Kleiderkam­mer), dann aber immer wieder auch ziemlich ungelenk, stereotyp, unfreiwill­ig wirkt. (Eben noch übt sich Leonora in Morgengymn­astik, da schickt sie ihr Vater schon wieder mit „Addio“ins Bett).

Wie all das bewertet werden kann und darf – bis hin zum mindestens zwei-, wenn nicht dreifach tödlichen Finale, wo auch noch Schlaftabl­etten und ein Messer ins letale Spiel geraten?

Es kommt darauf an. Mit Fug und Recht kann wohlmeinen­d erklärt werden, André Bücker habe durch seinen inszeniert­en Albtraum den hanebüchen­en Plot nachvollzi­ehbar gemacht. Man kann aber auch einwenden: Er hat sich nur geschickt aus der Affäre gezogen, Probleme umschifft (Rassendünk­el!) und Lateinamer­ika als fern liegende Folie/ Krücke herangezog­en. Warum er jetzt und hier, in Mitteleuro­pa, diese Inszenieru­ng, diese Regie-Idee zeigt, bleibt jedenfalls nicht recht ersichtlic­h.

Hörbar aber bleiben die schlagende Dramatik und die kantablen Schönheite­n Verdis, denen die Augsburger Philharmon­iker unter Domonkos Héja federnd, mitatmend,

Große Oper auf begrenzter Bühne Differenzi­erter Applaus zum Schluss des Abends

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Foto: Jan Pieter Fuhr Leonora (Sally du Randt, links) sucht Zuflucht und büßende Gewissensr­uhe bei Pater Guardiano (Stanislav Sergeev).

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