Wer Fröschen eine Grube gräbt
Mehr als die Hälfte der in Schwaben vorkommenden Arten gilt als gefährdet. Ein neues Projekt nutzt Kies- und Sandgruben, um den Tieren zu helfen. Was jeder Einzelne zum Schutz der Lurche beitragen kann
Er ist grün, hat Glupschaugen und ist ein Tier der Kategorie 2. Das bedeutet für den Laubfrosch, dass er laut der Roten Liste gefährdeter Amphibien in Bayern „stark gefährdet“ist. Umso größer war die Freude beim Bund Naturschutz Donau-Ries Anfang des Jahres, als man im Tapfheimer Ortsteil Rettingen Exemplare des geschützten Tieres entdeckte. Doch nicht nur der Laubfrosch ist gefährdet. In Bayern sind es zehn von 19 Amphibienarten. Wie steht es in Schwaben um Frösche, Kröten und Co? Und was unternimmt man zu deren Schutz?
Karlheinz Schaile, Vorstandsmitglied und Referent für Öffentlichkeitsarbeit beim Landesverband für Amphibien- und Reptilienschutz in Bayern, gibt Entwarnung für häufige Arten wie Grasfrösche, Erdkröten, Teichmolche und Bergmolche. Deren Bestände hielten sich relativ stabil. Schlecht stehe es dagegen um die sogenannten Pionierarten. Arten, die sich stets frisch entstandene Biotope, also Pionierbiotope, suchen, um Fressfeinde zu meiden. Für sie werde es immer schwieriger, weil kaum noch neue Biotope entstehen. Betroffen seien in Schwaben unter anderem der Laubfrosch, die Kreuzkröte und die Gelbbauchunke sowie die Wechselkröte, die auf der Roten Liste als „vom Aussterben bedroht“geführt wird.
Für diese seltenen Arten müsse man dringend etwas tun, fordert Schaile. Das Problem: Es gibt keine Dynamik mehr in den Flüssen. Keine Wildflusslandschaften, in denen das Wasser Geäst mitreißt. Keine natürlichen Flussauen, wie beim Lech vor hundert Jahren. Viele bedrohte Arten kommen heute dagegen in Baggergruben vor. Abhilfe kann daher ein neues Projekt von Naturschützern, Abbauunternehmern und der Regierung von Schwaben schaffen.
Wie, das erklärt Brigitte Kraft, Leiterin der Bezirksgeschäftsstelle Schwaben des Landesbunds für Vogelschutz in Bayern. Jene Pionierarten bräuchten Rohbodenstandorte, wie sie sie früher in breiten Flussauen mit kleinen Senken vorgefunden hätten. Diese Bedingungen herrschten während der Abbauphase in Kies- oder Sandgruben vor. Dabei verschiebe sich ständig roher Boden. Für Froschlurche ideal zum Leben und Fortpflanzen. In Gruben sollen Biotope als Ersatzlebensräu- me entstehen und sich Amphibien ansiedeln können. „Wir wollen Artenschutz im laufenden Betrieb“, erklärt Brigitte Kraft. Dabei sollen keine dauerhaften Lebensräume entstehen, sondern Wanderbiotope.
Der erste Kooperationsvertrag wurde im vergangenen Jahr unterzeichnet. Man führe zudem Gespräche mit Abbaufirmen in den Landkreisen Günzburg, Augsburg, Dillingen und Unterallgäu, sagt Kraft. Von Schwaben aus hat sich das Programm inzwischen auf Bayern ausgeweitet. Das Ziel? „In hundert Gruben in ganz Bayern Artenschutz betreiben“.
Doch zum Artenschutz kann jeder beitragen. Das beginnt für Christine Margraf schon beim Einkaufsverhalten. Sie ist Artenschutzreferentin für Südbayern beim Bund Naturschutz und empfiehlt, direkt bei Öko-Landwirten einzukaufen und die zu unterstützen, die Gewässer auch mal stehen lassen. „Naturschutz mit dem Einkaufskorb“nennt sie das. Karlheinz Schaile pflichtet ihr bei: „Einer der größten Artenkiller ist die industrielle Landwirtschaft. Viele Tiere werden totgespritzt oder totgewalzt.“
Ein weiteres Problem sieht er darin, dass Feldwege zunehmend geteert oder aufgeschottert werden. Die stark gefährdete Gelbbauchunke brauche Fahrspurpfützen, um sich zu reproduzieren. Privat einen Gartenteich anzulegen helfe nur den häufigen Arten wie Erdkröten, sagt der Experte – und nur, wenn der Teich fischfrei sei. Er warnt zudem vor Dünger: Der verätze die Tiere.
Erdkröten sind derzeit noch einer anderen Gefahr ausgesetzt: Sie wandern zu ihren Geburtsgewässern, um abzulaichen, und werden dabei häufig von Autos erfasst. Durch den erneuten Kälteeinbruch findet die Massenwanderung heuer später statt. Artenschutzreferentin Margraf warnt, nicht nur jetzt aufzupassen, sondern auch später, wenn die Jungtiere zu ihren Sommerquartieren wandern. Das könne sich bis Mai, Juni ziehen. Also: Vorsicht beim Autofahren. Die Erdkröte, der Laubfrosch und ihre Artgenossen werden im Sommer dafür mit einem Quakkonzert grüßen.
Amphibien in Schwaben