Illertisser Zeitung

Ein intensiver Abend mit Vivaldi

Einige Zuschauer verlassen die Premiere der Oper „Motezuma“bereits zur Pause. Wer blieb, war begeistert

- VON DAGMAR HUB

Eine weitere große gesellscha­ftskritisc­h-politische Inszenieru­ng am Theater Ulm und – wie bei „Die Krönung Richard III.“– nach der Pause stark gelichtete Reihen im Großen Haus und jubelnder Beifall von denen, die blieben: Erneut wirft die Publikumsr­eaktion bei der Premiere die Frage auf, ob ein in die Aktualität der Gegenwart versetzter historisch­er Stoff die Zuschauer verunsiche­rt. Wer blieb, war jedoch von Antje Schupps Inszenieru­ng der Vivaldi-Oper „Motezuma“und vom Einsatz des Münchner Baritons David Pichlmaier, der die Titelrolle extrem kurzfristi­g übernahm und vom Blatt singen musste, begeistert. Unsere Zeitung fragte Premierenb­esucher.

„Vorklassis­che Musik mit toller Instrument­ierung und schön gesungen“, sagt Joachim Eisenkolb. „Ich hatte die Oper nie gehört. Berührend aber ist vor allem der Bezug zur Gegenwart, den die Inszenieru­ng schafft.“Ungemein spannend, lebendig, aber auch anstrengen­d sei die fast drei stündige Aufführung. „Und ein supertolle­s Bühnenbild“, urteilt der Elchinger. „Ich finde die Details der Anspielung­en wie den grünen Marmor des UN-Vollversam­mlungssaal­es extrem gelungen. Da steckt ganz viel Nachdenken und Deutung dahinter.“

„Ich bin fasziniert und begeistert“, sagt Jürgen Eggle aus Günzburg. „Das Bühnenbild, das die Oper ins Prado Museum nach Madrid versetzt, funktionie­rt klasse. Der Sprung in die Gegenwart entsetzt angesichts des Realismus. Die Zerstörung der kulturelle­n Symbolik – das kommt super rüber. Toll!“

„Die Musik ist wunderschö­n und auch die Stimmen sind es“, findet Margarete Schenk aus Neu-Ulm. „Aber das Wichtigste an der Inszenieru­ng ist der Bezug zum Hier und Jetzt. Das Parlament erscheint als Debattierk­lub persönlich­er Eitelkeite­n. Für die Anführer zählen Menschenle­ben nichts. Und der Krieg, der im Namen des Kreuzes begonnen wurde, führt dazu, dass alle letztlich den neuen Göttern der Wirtschaft zujubeln.“

Auch Roswitha Burgmayer findet die Musik der Oper „superschön“. Das Bühnenbild beeindruck­te die Ulmerin sehr. „Aber am tollsten ist der Schwenk aus der Vergangenh­eit in die Gegenwart. Es spiegelt die Situation der Welt im Moment, die Kriegsgefa­hr, die Kriegstrei­berei der Mächtigen, die das Volk gar nicht will. Es ist etwas, was man den Mächtigen vorhalten müsste.“

„Ich finde die Inszenieru­ng einfach großartig“, lobt die Ulmerin Oxana Arkaeva. „Der Bezug zu epochalen Ereignisse­n, die geschehen sind bei der Unterwerfu­ng und Zerstörung des Reiches der Azteken – das wird sehr klar dargestell­t, insbesonde­re am Ende“, findet sie. „Man fragt sich, ob diese neue Welt, die die jetzige Welt ist, wirklich gut ist.“Ein ganz großes Lob verteilt Oxana Arkaeva an David Pichlmaier, dessen sehr kurzfristi­ger Einsatz für den erkrankten Hauptdarst­eller Martin Gäbler die Premiere in Ulm rettete.

„Ein sehr intensiver Abend“, sagt Jürgen Steinacker. „Mich beeindruck­te am meisten die Transposit­ion des Stoffes in die verschiede­nen Welten. Das ist sehr gut gelungen“, findet er. „Die Übertragun­g des angerichte­ten Leides in die gegenwärti­ge Welt, die auch nicht gut ist – ganz, ganz großes Lob für diese Aufführung!“Orchester, Sänger, Stimmen – das alles habe ihm ebenfalls supergut gefallen, berichtet der Ulmer.

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Foto: Jean Marc Turmes Premiere der Oper „Motezuma“im Thea ter Ulm.
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Symbolfoto: Uwe Zucchi, dpa Ein Berater einer Telefonsee­lsorge hört einem Hilfesuche­nden zu und gibt Rat schläge.

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