Etwas Jugend tut der Politik gut
Endlich dürfen die Jungen wieder im Bundestag ran. Hunderte Jugendliche werden im Sommer für vier Tage das Ruder im Reichstagsgebäude zu Berlin übernehmen. Der Bundestagsabgeordnete Karl-Heinz Brunner (SPD) sucht nach jungen Leuten im Alter von 17 bis 20 Jahren aus den Landkreisen Günzburg und Neu-Ulm, seinem Wahlkreis, die bei dem Projekt „Jugend und Parlament“mitmachen möchten.
Sein Büro in Berlin teilt auf Anfrage mit, dass er sehr beschäftigt sei, aber versuche, Zeit für ein Gespräch über das Planspiel zu finden. Nach ein paar Tagen klingelt das Telefon in der Redaktion, Brunner ist dran. Er ist etwas in Eile und gerade im Auto, im Hintergrund hört man den Motor laufen. Er freut sich auf das Planspiel, sagt er. Er sei immer wieder erstaunt, wie informiert die jungen Leute sind. „Wie die Gesetze tatsächlich entstehen, ist hingegen oft nicht bekannt.“Aber genau das lernten die Teilnehmer beim Projekt „Jugend und Parlament“. Vier Tage haben die Jugendlichen beim Planspiel Zeit, um Gesetze zu verabschieden. Bis Deutschland wieder eine Regierung hatte, dauerte es ein halbes Jahr. Auf die Frage, ob die Jugend aus seiner Sicht schneller sei als die altgedienten Politiker, sagt Brunner: „Ich glaube, junge und ältere Leute können das meiste gleich gut.“Junge Menschen seien aber „weniger enttäuschungsbelastet“und hätten dementsprechend hohe Ambitionen. Außerdem sprechen sie „ihre eigene Sprache“. Die sollte man sich auch als Politiker erhalten, sagt er, das versuche er von dem Projekt mitzunehmen.
Susanne Eiselt aus Illertissen blickt heute noch begeistert auf ihre Teilnahme an dem Planspiel zurück. Zwar war das schon im Jahr 2014, doch noch heute sagt die 22-Jährige, dass sie dieses Erlebnis geprägt hat. „Besonders toll war, dass alles in den Räumen stattgefunden hat, wo auch sonst die Gesetze erarbeitet werden.“Zu Beginn wurde jeder ei- ner Fraktion und einer Arbeitsgruppe zugeteilt. In diesen mussten die Jugendlichen dann über Gesetzesentwürfe diskutieren und sie anschließend im großen Plenarsaal beschließen. Meist bekommt man nur in der Tagesschau oder bei Anne Will einen Einblick in die politischen Debatten Berlins, sagt sie. Dort erlebt man sie hautnah. Heute studiert sie Ostasienwissenschaften in Heidelberg. Die Erlebnisse beim Planspiel in Berlin helfen ihr heute noch. „Ich habe jetzt eine Vorstellung davon, wie unser Land regiert wird“, sagt die Illertisserin.
Lea Liui’a aus Neu-Ulm hatte vor zwei Jahren die Möglichkeit, den Bundestag kennenzulernen. Brunner war mit zwei anderen Politikern an ihrer Schule. Er sei auffällig offen gewesen, erzählt sie. Im Internet hat sie erfahren, dass sie sich über sein Abgeordnetenbüro für den Girl’s Day der SPD-Fraktion bewerben kann. Dort hat sie an zwei Tagen Politiker wie Thomas Oppermann kennengelernt, die Parlamentsgebäude erkundet und erfahren, wie aus einem politischen Ziel ein Gesetz wird. Am besten hat ihr das einstündige Gespräch mit dem Abgeordneten Brunner gefallen. „Er war wirklich sehr offen und ist auf meine Fragen eingegangen“, erzählt sie. Wieso er Politiker geworden ist und wie er mit Vorurteilen gegenüber seinem Beruf umgeht, wollte sie wissen. Er hat zum Beispiel darüber mit ihr gesprochen, wie schwierig es sei, eine Lösung zu finden, die für alle in Ordnung ist, erzählt sie.
Das Planspiel ist ein Projekt des Besucherdienstes des deutschen Bundestages. Politiker aller Fraktionen können sich dafür bewerben, um einen jungen Menschen aus ihrem Wahlkreis nach Berlin holen zu können. Aus dem Wahlkreis NeuUlm, sind zwei weitere Abgeordnete in Berlin, Georg Nüßlein für die CSU sowie Ekin Deligöz für die Grünen. Die Büros der beiden teilen auf Nachfrage aber mit, dass sie sich beworben hatten, aber dieses Jahr leider nicht ausgewählt wurden. VON PHILIPP WEHRMANN
Jugend und Parlament