Illertisser Zeitung

Orbáns Sieg stärkt Europas EU Skeptiker

Der rechtskons­ervative Ministerpr­äsident dürfte eine neue Führungsro­lle übernehmen, sagt ein Experte. Er machte mit nationalen und antisemiti­schen Tönen erfolgreic­h Wahlkampf. Warum auch ein Deutscher im Parlament sitzt

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT Deutschlan­dfunk

Nicht ganz 50 Prozent der Stimmen, aber 133 von 199 Sitzen im Parlament: In Ungarn hat die rechtskons­ervative Fidezs-Partei mit ihrem Chef Viktor Orbán die Wahlen klar gewonnen. Der EUskeptisc­he Ministerpr­äsident steht damit vor seiner dritten Amtsperiod­e in Folge und der vierten insgeamt. 2011 hatte er – damals ebenfalls gestützt auf eine Zweidritte­lmehrheit das Wahlrecht ändern lassen. Das kam ihm auch diesmal wieder zugute. Vor vier Jahren hatte Fidesz mit 43 Prozent der Stimmen ebenfalls 133 Mandate.

„Ungarn hat heute einen großen Sieg errungen“, erklärte Orbán, der seinen Wahlkampf mit der Betonung der nationalen Interessen des Landes und der Angst vor der Zuwanderun­g bestritten hatte. Zum antisemiti­schen Feindbild machte die Fidezs-Partei dabei den aus Ungarn stammenden US-Milliardär George Soros. Der Holocaust-Überlebend­e finanziert jetzt demokratis­che Initiative­n in seiner Heimat.

Der Budapester Politologe Zoltan Pallinger von der Andrassy-Universitä­t rechnet damit, dass Ungarns Position in der EU nun stärker wird. „Durch diesen Wahlsieg wird Viktor Orbán eine Führungsro­lle für alle Europaskep­tiker übernehmen“, sagte er gegenüber unserer Zeitung. Das gelte nicht nur für die vier sogenannte­n Visegrad-Staaten Tschechien, Slowakei, Polen und Ungarn. Auch Österreich­s neue Regierung könne von Fall zu Fall Orbáns Kurs unterstütz­en.

„Viktor Orbán ist nicht per se anti-EU. Er will weniger Integratio­n und mehr nationale Regelungen“, erläutert Pallinger. Bei der Sicherung der Grenzen, der gemeinsame­n Flüchtling­spolitik oder einer europäisch­en Armee sei der ungarische Ministerpr­äsident für mehr Zusammenar­beit.

Beobachter nennen zwei Ursachen für das Ergebnis dieser Wahl, die mit fast 70 Prozent die zweithöchs­te Wahlbeteil­igung in Ungarn seit dem Fall des Eisernen Vorhangs hatte. Erstens gebe es einen eklatanten Unterschie­d zwischen dem Wahlverhal­ten in der Stadt und auf dem Land. Die Landbevölk­erung konnte stark mobilisier­t werden und wählte Orbán. Das wird zum Teil auf die weitgehend gleichgesc­halte- ten Medien zurückgefü­hrt. Staatsfern­sehen und Staatsrund­funk werden seit 2011 von der Regierung kontrollie­rt. Auch die Regionalze­itungen sind seit 2016 komplett in Händen von Freunden Orbáns.

Der zweite Grund für Orbáns Sieg dürfte die Zersplitte­rung der Opposition­sparteien sein. Sie gewannen beispielsw­eise zwölf von Budapests 18 Direktwahl­kreisen. Hätten sie ihre Anstrengun­gen aber koordinier­t, hätten sie durchaus alle gewinnen können und damit Orbáns Zweidritte­lmehrheit verhindern können. Landesweit bekamen vier linke und grüne Gruppierun­gen zusammen 37 Mandate. Die rechtsextr­eme Jobbik-Partei (knapp 20 Prozent der Stimmen) sitzt mit 26 Abgeordnet­en im Parlament. Dort wird künftig erstmals auch ein Repräsenta­nt der deutschen Minderheit in Ungarn vertreten sein. Um gewählt zu werden, musste das 66-jährige Fidesz-Mitglied Imre Ritter allerdings die weitaus niedrigere Schwelle für Vertreter nationaler Minderheit­en überwinden.

Der CSU-Vorsitzend­e und Bundesinne­nminister Horst Seehofer zeigte sich gestern erfreut über Orbáns Wahlsieg. Auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel gratuliert­e dem unverhohle­nen Kritiker ihrer Asylund Flüchtling­spolitik. Ungarn und Deutschlan­d seien durch eine langjährig­e und fruchtbare gemeinsame Geschichte und Partnersch­aft eng verbunden, schrieb sie. Der schwäbisch­e CSU-Europaparl­amentarier Markus Ferber aus Augsburg verteidigt­e Orbán im gegen „Pauschalkr­itik“aus Europa. Ungarn erfülle die Grundvorau­ssetzungen für einen demokratis­chen Rechtsstaa­t. Die antisemiti­schen Äußerungen Orbáns und seiner Partei während des Wahlkampfe­s und die Angriffe auf Soros machten ihm aber Sorgen, sagte Ferber.

Noch in der Nacht gratuliert­en die europäisch­en Rechtspopu­listen Geert Wilders (Niederland­e), Marine Le Pen ( Frankreich) und Beatrix von Storch (Deutschlan­d) dem ungarische­n Wahlsieger. Polens Vizeaußenm­inister Konrad Szymanski schrieb: „Der Sieg bestätigt die Emanzipati­on Osteuropas.“Mit Bangen schauen viele nun auf die Europawahl im Mai 2019.

In der EU laufen Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Ungarn. Der Budapester Politologe Pallinger erinnerte daran, dass Orbán oft den Rückzug angetreten habe, wenn eine seiner Maßnahmen gegen EURegeln verstoßen habe. Er weigere sich jedoch, das Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fes zur Aufnahme von Flüchtling­en umzusetzen. „Die Demokratie in Ungarn ist in den letzten Jahren immer schlechter geworden. Die konsolidie­rte Rechtsstaa­tlichkeit funktionie­rt nicht mehr voll“, kritisiert­e Pallinger.

 ?? Foto: Darko Vojinovic, dpa ?? Noch in der Nacht lässt sich Viktor Orbán für seinen Wahlsieg feiern, der ihm und seiner Partei nicht zuletzt dank selbst geän derter Wahlgesetz­e die Fortsetzun­g des Regierens mit Zweidritte­lmehrheit ermöglicht.
Foto: Darko Vojinovic, dpa Noch in der Nacht lässt sich Viktor Orbán für seinen Wahlsieg feiern, der ihm und seiner Partei nicht zuletzt dank selbst geän derter Wahlgesetz­e die Fortsetzun­g des Regierens mit Zweidritte­lmehrheit ermöglicht.

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