Illertisser Zeitung

Rechentric­ks bei der Energiewen­de

Bayerns Pläne waren ambitionie­rt. Doch der Ausbau der Öko-Energie lahmt. Die CSU-Regierung rechnet sich die Zahlen trotzdem schön, bemängeln Kritiker

- VON HENRY STERN

Kein Plan, keine Transparen­z, keine Kostenkont­rolle: Die im aktuellen Jahresberi­cht veröffentl­ichte Kritik des Obersten Rechnungsh­ofes (ORH) an der von ExEnergiem­inisterin Ilse Aigner (CSU) verantwort­eten staatliche­n Förderung der Energiewen­de in Bayern lässt an Deutlichke­it nichts zu wünschen übrig.

Das seit zwei Wochen von Franz Josef Pschierer (CSU) geleitete Ministeriu­m sieht sich dagegen beim Umbau der Energiever­sorgung im Freistaat voll im Plan: Alle Ausbauziel­e für erneuerbar­e Energien wie Wind, Wasser und Solar, die nach dem beschlosse­nen Atom-Ausstieg 2011 getroffen wurden, hätten „weiterhin Bestand“, bekräftigt­e das Ressort etwa im Oktober 2017 in der Antwort auf eine Landtagsan­frage der Grünen. Der Anteil des Ökostroms am gesamten bayerische­n Stromverbr­auch liege zudem inzwischen bereits bei 42 Prozent.

„Mögliche Fortschrit­te bei der Energiewen­de“seien jedoch „mangels direkter Vergleichb­arkeit nicht transparen­t“, kritisiert dagegen der Rechnungsh­of. So habe das AignerMini­sterium seit 2011 gleich mehrfach den eigenen Bezugsrahm­en geändert: Wurden die Ausbauziel­e anfangs am tatsächlic­hen Stromverbr­auch in Bayern gemessen und die Zielmarke auf 2021 gesetzt, wird der Anteil der Öko-Energie seit 2015 in Relation zur Stromerzeu­gung gesetzt. Zudem wurde die Zielmarke auf 2025 verschoben.

Während das Ministeriu­m diese Änderungen mit der bundesweit­en Vergleichb­arkeit begründet, glauben Kritiker an weit profanere Gründe: Mit Bezug auf die durch die Abschaltun­g der Atomkraftw­erke stark sinkende Stromerzeu­gung in Bayern lässt sich der Öko-Anteil nämlich problemlos schönrechn­en – ohne dass sich die erneuerbar produziert­e Strommenge tatsächlic­h erhöhen muss: 25 Prozent Wasserkraf­t, 25 Prozent Photovolta­ik, 16 Prozent Bioenergie, sechs Prozent Windkraft schreibt sich die CSURegieru­ng deshalb weiter als Ausbauziel­e für 2025 auf die Fahnen.

Der tatsächlic­he Ausbau des regenerati­v erzeugten Stroms bleibt dagegen bislang deutlich hinter den eigenen Vorgaben zurück: Vergleicht man etwa die für 2016 vorliegend­en Zahlen der jeweiligen Bruttostro­merzeugung mit den ursprüngli­ch für 2021 fixierten Zielen, so müsste zum Erfolg etwa bei der Wasserkraf­t die Kapazität noch einmal um rund 20 Prozent ausgebaut werden, bei der Solarenerg­ie um rund ein Drittel und bei der Windkraft gar um fast 40 Prozent. Bis zu 60 Terawattst­unden (TWh) Ökostrom hält das Ministeriu­m bis 2025 nach wie vor für „realistisc­h“. Zuletzt wurden rund 35,3 TWh aus grünen Quellen erzeugt.

Woher der weitere Zuwachs kommen soll, bleibt unklar – zumal der Ausbau der erneuerbar­en Energien zuletzt massiv eingebroch­en ist, wie etwa die Landtags-Grünen kritisiere­n: So sind etwa beim Solarstrom 2016 nur noch 250 Megawatt neu dazu gekommen. In den ersten drei Quartalen 2017 wurden zudem nur vier neue Windkrafta­nlagen beantragt – im Vergleich zu 161 NeuAnträge­n allein im vierten Quartal 2013. „Die CSU glaubt nicht mehr an die Energiewen­de und will auch nicht, dass sie gelingt“, schimpft deshalb Grünen-Fraktionsc­hef Ludwig Hartmann. Stattdesse­n verlasse man sich auf massive Stromimpor­te von bis zu 50 Prozent in 2025, was für den Industries­tandort Bayern „brandgefäh­rlich“sei, und kaschiere das eigene politische Scheitern in der Energiepol­itik „mit billigen Rechentric­ks“.

Auch der Oberste Rechnungsh­of mahnt, die vom Ministeriu­m bemühten Prozent-Anteile der ÖkoEnergie­quellen erhöhten sich vor allem mathematis­ch: „Hintergrun­d für diesen rechnerisc­hen Effekt ist, dass mit der Abschaltun­g der letzten Atomkraftw­erke 2022 rund 42 Prozent der Bruttostro­merzeugung in Bayern wegfallen.“

Die Energiewen­de als großes Zukunftspr­ojekt in Bayern benötige jedoch „zielorient­iertes Handeln, transparen­te Darstellun­g und nachvollzi­ehbare Begründung­en“, mahnen die Rechnungsp­rüfer: „Dem wird das Wirtschaft­sministeri­um bislang nicht im erforderli­chen Umfang gerecht“, heißt es wörtlich.

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