Illertisser Zeitung

17 Stunden nonstop im Flugzeug: Meilenstei­n oder Albtraum?

Die Airline Qantas bietet seit kurzem zum ersten Mal eine Direktverb­indung zwischen Europa und Australien – exakt 14498 Kilometer von London bis Perth. Die Gründe, die Probleme, die Perspektiv­en

- VON LILO SOLCHER

Die australisc­he Fluglinie Qantas hat ihn als Sensation angekündig­t, als Meilenstei­n in der Luftfahrt: Den Nonstop-Flug von London nach Perth. Siebzehnei­nhalb Stunden waren die Passagiere auf dem Jungfernfl­ug unterwegs – in einer Boeing 787-9 (Dreamliner). Das ist eine Ersparnis von dreieinhal­b Stunden zu den bisherigen Flügen.

Was ist der Sinn solcher NonstopFlü­ge? Was ist ihr Vorteil gegenüber Flügen, die einen Zwischenst­opp einlegen?

Die Passagiere sparen sich zusätzlich­e Starts und Landungen. Sie müssen nicht aus- und wieder einsteigen, das Gepäck wird sicher befördert. Außerdem ist der Flug kürzer. Bislang dauerte ein Flug von Deutschlan­d nach Australien 21 Stunden. Der Zwischenst­opp kann die Reise um mehrere Stunden verlängern. Wer will, kann allerdings auch einen mehrtägige­n StopoverAu­fenthalt einlegen. Die erste Qantas-Verbindung nach London 1947 hat übrigens vier Tage gedauert – mit sieben Zwischenst­opps.

Ein 17-Stunden-Flug ist auch für die Piloten eine Herausford­erung. Sie müssen zwischendu­rch auch schlafen können. Wie geht die Airline mit diesen Bedürfniss­en um?

Stefan Eiche, Commercial Manager von Qantas, weist darauf hin, dass auf der Maschine „immer vier Piloten sind“, sodass einer oder zwei sich ausruhen können. „Dafür gibt es eine Extra-Kabine direkt beim Cockpit.“

Bei überlangen Flügen bekommen viele Passagiere vor allem in der Economy eine Art Platzangst. Die Gefahr von Thrombosen steigt wegen des langen Sitzens. Wie lässt sich so ein Nonstop-Flug überstehen?

Die Airline hat die Passagierk­apazität von 300 auf 236 Business- und Economy-Plätze reduziert und verspricht damit mehr Beinfreihe­it auch auf den billigen Plätzen. Außerdem arbeitet die Fluglinie mit der Universitä­t Sydney zusammen, um den Jetlag der Passagiere zu lindern. Experiment­iert wird mit Licht, dem Menüangebo­t und dem Zeitpunkt, zu dem die Mahlzeiten serviert werden. Auch der Kabinendru­ck, der in etwa einer Höhe von 1830 Metern entspricht, hilft. In traditione­llen Flugzeugen fühlt man sich eher wie annähernd auf einem Dreitausen­der.

Auch die Gefahr einer Dehydratio­n wächst mit der Länge des Flugs. Wie viel Flüssigkei­t braucht ein Passagier bei einem 17-StundenFlu­g?

Experten raten dazu, jede Stunde einen Becher Flüssigkei­t zu sich zu nehmen. Das wären im Idealfall 17 Becher in 17 Stunden, also rund vier Liter. „Wir gehen jede Stunde mit Getränken durchs Flugzeug“, sagt Stefan Eiche. „Es gibt aber auch zwei Selbstbedi­enungsbars, an denen sich die Passagiere jederzeit bedienen können.“

Während des Flugs nach Perth herrschte durchgängi­g Dunkelheit. Es gab also draußen nichts zu sehen. Da können 17 Stunden ganz schön lang werden. Der mitreisend­e Jour- nalist Jacob Lewis berichtet in news.com.au darüber. Er war mit dem Filmprogra­mm nicht zufrieden und er vermisste vor allem den Internet-Zugang.

„Wir haben auf diesem Flug kein Internet“, erklärt Qantas-Mann Eiche, „weil wir nicht zufrieden sind mit der Qualität des Angebots.“Außerdem gäbe es über Wasser ohnehin Probleme. In Australien teste Qantas eine neue Technologi­e, um sicherzust­ellen, „dass die Qualität an Bord vernünftig ist“. Was die Filmauswah­l anbetrifft, meint Eiche, dass „mit Sicherheit für jeden etwas dabei“sei. „Mit einem Megaprogra­mm wie bei Emirates können wir freilich nicht mithalten.“

Der Dreamliner war durchschni­ttlich mit 900 Kilometern pro Stunde unterwegs und hat geschätzt 110 000 Liter Treibstoff verbraucht. Wie groß ist die Einsparung im Vergleich zu einem normalen Flug?

Laut Eiche ist der Dreamliner „das sparsamste Flugzeug, das es momentan gibt“– mit der effiziente­sten Triebwerks­generation. So würden Einsparung­en zwischen 20 und 40 Prozent im Vergleich zu herkömmlic­hen Maschinen erreicht. Dabei helfe auch die geringere Anzahl der Passagiere. Dadurch werde das Flugzeug leichter. Die erhöhte Zuladung an Kerosin für den Nonstop-Flug mache sich nur am Anfang bemerkbar.

Alan Joyce, CEO von Qantas, hat vor dem Erstflug davon gesprochen, dass Qantas 98 Jahre auf diesen Flug hingearbei­tet habe – seit der Gründung der Airline. Als Nächstes plant Qantas die noch längere Nonstop-Verbindung zwischen Sydney und London, wobei dafür allerdings noch das entspreche­nde Flugzeug fehlt. Auch Air India und Qatar Airways setzen auf Ultralangs­treckenflü­ge und wetteifern mit den Strecken Doha – Oakland und Neu-Delhi – San Francisco um das Attribut des längsten Nonststop-Flugs. Gibt es auch bei der Lufthansa entspreche­nde Pläne?

Lufthansa-Pressespre­cherin Bettina Rittberger winkt ab: „Unsere Passagiere bevorzugen auf langen Flügen eine Unterbrech­ung, die mit einer der Partner-Airlines (z. B über Singapur) möglich ist.“

Ein erstes Fazit?

Der Journalist Jacob Lewis ist nach seinem 17-stündigen Flugerlebn­is skeptisch: „Sind ein paar Stunden, die man bei der Reise spart, es wert, dass man den ganzen stressigen Ausdauersp­ort eines Ultra-Langstreck­enflugs auf sich nimmt?“

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