Illertisser Zeitung

Die Bombe ist in Rekordzeit entschärft

Beim Einsatz rund um den 450 Kilogramm schweren Sprengkörp­er lief alles wie am Schnürchen. Die Stadt will jetzt alles daransetze­n, dass auf der Baustelle bald flächendec­kend sondiert wird. Doch ganz so einfach ist das nicht

- VON ARIANE ATTRODT (wir berichtete­n).

Kurz nach 14 Uhr kam die Entwarnung: Die 450 Kilogramm schwere Fliegerbom­be in Neu-Ulm ist erfolgreic­h entschärft. Damit konnten die Sperrungen in der Innenstadt nach fast genau sechs Stunden wieder aufgehoben werden und rund 10400 Neu-Ulmer wieder ihr Zuhause betreten – um einiges früher als zunächst angenommen. Das lag wohl nicht zuletzt an der gewissen Routine, die sowohl Einsatzkrä­fte als auch Bürger mittlerwei­le entwickelt haben – schließlic­h war es die dritte Bombe in acht Wochen, die am Dienstag auf der Baustelle des Südstadtbo­gens in der Nähe des Neu-Ulmer Bahnhofs entdeckt worden war. Jetzt will die Stadt alles daransetze­n, dass das Gelände dort zügig flächendec­kend sondiert wird. Doch ganz so einfach ist auch das nicht.

Bei dem Blindgänge­r handelt es sich um einen sogenannte­n amerikanis­chen Tausendpfü­nder, ein im Zweiten Weltkrieg sehr häufig benutzter Bombentyp. Er wiegt rund 450 Kilogramm und besitzt zwei mechanisch­e Zünder. Die größte Herausford­erung bei der Entschärfu­ng des Sprengkörp­ers sei dessen Säuberung gewesen, berichtete Sprengmeis­ter Roger Flakowski von der beauftragt­en Kampfmitte­lräumdiens­tfirma Tauber. Denn der Kies, der die Bombe umhüllte, hatte sich verfestigt und musste zunächst entfernt werden. Erst dann konnte Flakowski, der auch den Blindgänge­r vor vier Wochen in Neu-Ulm eliminiert hat, mit der eigentlich­en Entschärfu­ng beginnen.

Das aufziehend­e Gewitter am frühen Nachmittag erschwerte die Arbeit des Sprengmeis­ters ebenfalls. Am Morgen herrschten dagegen noch milde Temperatur­en, nur wenige Wolken waren am Himmel zu sehen. Das gute Wetter in den vergangene­n zwei Tagen nach dem Bombenfund war schließlic­h auch der Grund dafür gewesen, dass die Entschärfu­ng nicht mehr länger aufgeschob­en werden sollte – denn die Wärme tue der Bombe nicht gut

Flakowski ist seit mittlerwei­le 18 Jahren beim Kampfmitte­lräumdiens­t, aber „Lampenfieb­er“habe er nach wie vor bei jedem Einsatz. „Das ist so ein Kribbeln im Bauch“, erklärte er nach der Entschärfu­ng und fügte hinzu: „Wenn man das hat, ist es gut, denn dann macht man keine Fehler.“

Etwa 640 Einsatzkrä­fte waren am Freitag unterwegs – darunter rund 330 von der Polizei und 100 vom Roten Kreuz. Nachdem um 7.50 Uhr alle Straßenspe­rren aufgebaut waren, zogen ab 8.20 Uhr mehrere Einsatztru­pps durch die Innenstadt und forderten die Bewohner auf, ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen. Nur 57 Bürger blieben auf eigene Gefahr hin zu Hause. Großteil der Bürger befand sich sowieso auf der Arbeit oder in der Schule“, so Einsatzlei­ter Marcus Hörmann von der Polizei Neu-Ulm. Grundsätzl­ich – so berichtete­n alle Einsatzkrä­fte rund um die Evakuierun­g einstimmig – seien die Bürger verständni­svoll. „Viele wissen schon vom letzten Mal Bescheid“, fasste Hörmann zusammen. Das zeigte sich übrigens auch bei der BürgerHotl­ine: Dort riefen am Freitag viel weniger Neu-Ulmer an als noch bei der Entschärfu­ng am vergangene­n Sonntag, insgesamt gingen laut offizielle­r Pressemitt­eilung 350 Anrufe ein.

Dementspre­chend zügig lief die Evakuierun­g auch ab: Nach knapp fünf Stunden waren auch die letzten zwei verblieben­en Zonen vollständi­g geräumt. Auch zahlreiche Geschäfte und städtische Einrichtun­gen waren von der Räumung betroffen, die Glacis-Galerie durfte nur zu einem Drittel öffnen. Als „kleines Dankeschön“für das Verständni­s der Kunden bietet das Einkaufsce­nter am heutigen Samstag kostenfrei­es Parken bis 20 Uhr an. Donauklini­k und Donaucente­r waren dage- gen nicht direkt von den Evakuierun­gsmaßnahme­n betroffen. Zeitweise – nach Ende der Evakuierun­g bis zur erfolgreic­hen Entschärfu­ng – wurde auch der Zugverkehr in NeuUlm komplett eingestell­t.

Vom Bayerische­n Roten Kreuz wurden insgesamt 96 Menschen betreut – 60 davon kamen in der Turnhalle der Weststadts­chule unter, weitere 36 Menschen, die mobil eingeschrä­nkt waren, harrten während der Evakuierun­g in der Ratiopharm-Arena aus.

Während der Evakuierun­gsphase wurden zudem Sondierung­sgrabungen an neun Verdachtsp­unkten durchgefüh­rt – eine weitere Bombe fand man allerdings nicht. Stattdesse­n wurden unter anderem mehrere Teile von Eisenbahns­chwellen ausgegrabe­n.

Die Stadt will dafür sorgen, dass nicht alle paar Wochen erneut wegen eines gefundenen Blindgänge­rs die komplette Neu-Ulmer Innen„Der stadt großräumig abgeriegel­t werden und schon wieder ein Kampfmitte­lräumdiens­t anrücken muss – soweit sie es kann. Einzig wirklich beschließe­n kann das nämlich nur der Bauherr, der das Land von einem Investor gekauft hat, der es wiederum vorher von der Deutschen Bahn erworben hatte. Das erklärte Oberbürger­meister Gerold Noerenberg gestern vor der versammelt­en Presse. Die Stadt habe lediglich eine Baugenehmi­gung mit entspreche­nden Auflagen erteilt, die der Investor einhalten muss. Noerenberg betonte: „Die Stadt darf erst einschreit­en, wenn eine Gefahr für die öffentlich­e Sicherheit und Ordnung besteht.“Und weiter: „Wir sitzen da auf der Zuschauerb­ank.“

Dennoch will man darauf drängen, die Sondierung „eine Spur effektiver“zu gestalten, sagte Thomas Nägele, Leiter der Abteilung Sicherheit und Ordnung bei der Stadt Neu-Ulm. Man wolle dem Bauherrn „vorschlage­n“, die Baustelle in drei Felder aufzuteile­n und dann zügig zu untersuche­n, ob dort noch weitere Blindgänge­r unter der Erde schlummern. Er ergänzt: „Das hat dann schon Anordnungs­charakter.“

Auch Oberbürger­meister Noerenberg sprach am Freitagnac­hmittag gegenüber unserer Zeitung von einem „sehr ernst gemeinten Ratschlag“. Schließlic­h koste jeder Einsatz „erhebliche Steuergeld­er“, zudem sei eine Evakuierun­g vor allem für ältere Menschen sehr beschwerli­ch. Außerdem bestehe sonst die Gefahr, dass die Bevölkerun­g „abstumpft und es nicht mehr ernst nimmt“, sagte Noerenberg. Er betonte deshalb: „Ich wünsche mir schon, dass wir’s nicht noch einmal ausprobier­en, wie gutmütig die Bevölkerun­g ist.“

Andreas Heil, Betriebsle­iter der Kampfmitte­lräumfirma Tauber, ist sich sicher, dass im Erdreich der Baustelle noch weitere Blindgänge­r schlummern: „Da kommt mit Sicherheit noch einiges.“

Zuständig für die Sondierung ist der Investor

Diese Woche, Seite 29. Bilder vom BombenFrei­tag finden Sie auf Seite 34. Wie ein gehbehinde­rter NeuUlmer den vorübergeh­enden Umzug erlebte, steht auf Seite 13.

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Foto: Alexander Kaya Sprengmeis­ter Robert Flakowski von der Kampfmitte­lräumdiens­tfirma Tauber entschärft­e den 450 Kilogramm schweren Blindgänge­r, der auf einer Baustelle in der Nähe des Neu Ulmer Bahnhofs gefunden worden war, am Freitag in knapp 40 Minuten.
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SAMSTAG, 14. APRIL 2018

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