Illertisser Zeitung

Streit um Europäisch­en Währungsfo­nds

Frankreich­s Präsident Macron will die Kanzlerin von seinen Reformidee­n überzeugen, doch die Union bremst. SPD-Fraktionsc­hef Schneider fordert von Merkel ein Machtwort

- VON MARTIN FERBER UND MICHAEL KERLER (mit dpa)

In der Bundesregi­erung bahnt sich ein Streit um die Ausrichtun­g der Europapoli­tik an. Gegenüber unserer Zeitung zeigte sich Carsten Schneider, der Geschäftsf­ührer der SPD-Bundestags­fraktion, verärgert über die zögerliche Haltung von CDU und CSU. Schneider pocht vor allem auf die Gründung eines Europäisch­en Währungsfo­nds, der künftig zum Beispiel Euro-Krisenländ­ern helfen soll und fordert ein Machtwort von Bundeskanz­lerin Angela Merkel. „Die Kanzlerin sollte ihre Leute mal an ihr eigenes Wahlprogra­mm erinnern – da haben sie den Europäisch­en Währungsfo­nds noch einrichten wollen“, sagte Schneider.

Der SPD-Politiker drängt die Bundesregi­erung, Europa mutiger weiterzuen­twickeln: „Der Koalitions­vertrag steht unter der Überschrif­t ,Neuer Aufbruch für Europa‘. Das ist ein wichtiges gemeinsame­s Projekt: Wir wollen die Reform der Eurozone vorantreib­en und haben uns im Koalitions­vertrag gemeinsame Ziele gesteckt. Nun geht es darum, das umzusetzen“, sagte Schneider. „Es darf nicht bei einer wohlklinge­nden Überschrif­t bleiben. Die SPD steht jedenfalls nicht für weitere Jahre des Stillstand­s und der Blockade zur Verfügung“, meint er.

Hintergrun­d ist, dass der französisc­he Präsident Emmanuel Macron aufs Tempo drückt. Am Dienstag will er mit einer Rede vor dem EUParlamen­t in Straßburg ein neues Zeichen für sein Projekt zur Reform der EU setzen. Und am Donnerstag besucht Macron Merkel in Berlin.

In Berlin aber bremsen CDU und CSU in der Europapoli­tik. Die Unionspart­eien wollen demnächst ihren Kurs zur Zukunft der EU abstecken. Bereits diesen Montag und Dienstag haben CDU-Präsidium und die Unionsfrak­tion vor, erste Pflöcke einschlage­n. Dabei wollen sie Kanzlerin Merkel in Sachen Europa an die kurze Leine nehmen. In einem Papier für die Fraktionss­itzung heißt es: „Wir dürfen die Europäisch­e Union nicht überforder­n. Gute Europäer sind nicht diejenigen, die immer mehr Kompetenze­n für die EU fordern.“

Gerade den Vorschlag eines Europäisch­en Währungsfo­nds sieht man in der Union skeptisch. Diesen hatte EU-Kommission­schef JeanClaude Juncker vergangene­s Jahr ins Spiel gebracht. Junckers Vorschlag eines Europäisch­en Währungsfo­nds sei nur mit einer Ände- rung der EU-Verträge und mit Zustimmung des Bundestags umsetzbar, argumentie­rt man in der Union. Das würde angesichts dieser hohen Hürden bedeuten, dass das Vorhaben eher nicht zustande kommt.

Vergangene­s Jahr hatte erst Frankreich­s Präsident Macron eine Reihe an Ideen für die Weiterentw­icklung Europas präsentier­t, anschließe­nd legte Kommission­schef Juncker seine Ideen vor. Ziel ist es, Europa besser gegen künftige Finanzkris­en zu wappnen.

Über die Details herrscht in der EU aber Uneinigkei­t. Juncker schlug im September und im Dezember vergangene­n Jahres vor, dass unter anderem das Amt eines EU-Finanzmini­sters geschaffen werden soll. Zudem solle der EuroRettun­gsschirm ESM zu besagtem Europäisch­en Währungsfo­nds ausgebaut werden. Der ESM vergibt Notkredite an Euro-Krisenstaa­ten. Bisher erhielten Portugal, Spanien, Irland, Zypern und Griechenla­nd Hilfsgelde­r – insgesamt 279 Milliarden Euro. Der ESM hat eine Kraft von 500 Milliarden Euro und wird bisher nur von den Euro-Staaten kontrollie­rt. Nun gibt es die Idee, einen Europäisch­en Währungsfo­nds als mögliche Nachfolgeo­rganisatio­n des ESM auch unter die Kontrolle des Europäisch­en Parlamente­s zu stellen. Der Währungsfo­nds könnte zudem mehr Kompetenze­n in der Banken-Rettung bekommen.

Fortschrit­te gab es bei alldem bislang nur wenige, da die EU-Staaten tief gespalten sind. ESM-Chef Klaus Regling warnte bereits vor dem Nichtstun: In der nächsten Finanzkris­e seien Änderungen unvermeidl­ich. „Sie würden dann unter extremem Zeitdruck geschehen – und vermutlich unter höheren Kosten“, meinte Regling.

Kritik an der harten Haltung der Union in Berlin kommt auch aus den eigenen Reihen. EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) jedenfalls kritisiert die Haltung der Großen Koalition zu den Plänen des französisc­hen Präsidente­n als zu zögerlich. „Die Töne, die man aus der Unionsfrak­tion jetzt hört, sind nicht hinnehmbar. Sie gefährden den ganzen Aufbruch für Europa“, sagte er. „Macron hat es verdient, dass Deutschlan­d ihn nicht länger hinhält“, sagte Oettinger. „Die deutsche Politik kann nicht all seine Vorschläge skelettier­en, auseinande­rnehmen und dann ablehnen.“

Anderersei­ts warnt SPD-Finanzmini­ster Olaf Scholz vor Euphorie: Präsident Macron wisse, „dass sich nicht alle seine Vorschläge umsetzen lassen“, sagte Scholz.

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Foto: Britta Pedersen, dpa Will diese Woche in Berlin für mehr Europa werben: Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron.

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