Ein Fest der Stimmen im Illertisser Glashaus
Eine große Oper in einem kleinen Ambiente wird zur eigenen Kunstform
In der Opernliteratur stellt „Der Rosenkavalier“von Richard Strauss nach einem Libretto von Hugo von Hofmannsthal ein Meisterwerk dar. Kann man dieses orchestrale und anspruchsvolle Werk mit Scharen von Protagonisten „eindampfen“, ohne dass die Essenz verloren geht? Man kann! Aber dafür bedarf es eines glücklichen Händchens, über das der Impresario der Glashaus-Veranstaltungen, Reinhard Hemmer, offenbar verfügt. So wurde der „musikalisch-literarische Salon mit Oper am Klavier“, so dem Besetzungsblatt zu entnehmen, zu einer Symbiose aus Musik, Erzählung und stimmlichen Höhepunkten.
Strauss weicht mit seiner Komposition völlig von der sogenannten Nummern-Oper ab, die Verdi und Donizetti so trefflich beherrschten. Handlung und Musik laufen im Glashaus ineinander und verschmelzen zu einem Kunstwerk, das sich als Genre in der kulturellen Szene etablieren könnte. Neu sind szenische Opernaufführungen nicht, aber das Ambiente des Illertisser Glashauses entwickelt einen besonderen Charme. „Man darf hemdsärmelig kommen“, ist das Credo von Hemmer. Damit nimmt er der großen Oper den Nimbus der High Society, die auf rotem Teppich der Aufführung elegant entgegen schreitet. Die glitzernde Brillanz Strauss’scher Musik ist für alle da.
Auch wenn Orchesterfülle fehlt, gleicht dies Stellario Fagone am Flügel mit Feingefühl spielerisch farbig aus. Und auch ihm gebührt der Erfolg, weil es wahrlich eine Leistung ist, viereinhalb Stunden das Ensemble stimmig und emotional zu begleiten.
Es ist eine Liebesgeschichte mit Irrungen und Wirrungen, die Hofmannsthal als Vorlage geliefert hatte und die Strauss musikalisch bisweilen tonmalerisch – mit dem berühmten Rosenkavalier-Walzer – umgesetzt hat. Die Oper spielt in der Zeit, als Maria Theresia Kaiserin von Österreich war.
Der 17-jährige Octavian kommt keck daher – er steigt gerade aus dem Bett der Marschallin, dort haben sich beide lustvoll vergnügt. Julia Rutigliano lässt ihren leicht metallischen Mezzosopran in voller Stärke erklingen, dass er fast den Raum sprengt, für große Theater eine ideale Besetzung. Der Marschallin gibt Bärbel Béela Müller berührendes Profil, sie ist eine Frau, die weiß, dass ihre Tage als weitaus ältere Liebhaberin gezählt sind. Das weiche Timbre ihres ausdrucksstarken lyrischen Soprans berührt. Ein Schwerenöter ist Baron Ochs von Lerchenau, der polternd daher kommt, immer auf der Suche nach der jungen Weiblichkeit. Diese dankbare Partie übernimmt Tobias Pfülb, Bass. Darstellerisch wie stimmlich merkt man dem Sänger an, dass er Rosenkavalier erfahren ist. Seine weichen baritonalen Mittellagen, die er mühelos erreicht und nicht „erpresst“, sind Höhepunkte seiner Sangeskunst. Beispiel dafür, dass Belcanto auch für Bässe kein unbekanntes Terrain ist. Der „Ochs“will sich vermählen. Sein Blick fällt auf Sophie, gesungen von Yvonne Steiner mit dem Ambiente angepassten Stimmvolumen und einem Sopran, der sich dramatisch zu höchsten Tonlagen mit Leichtigkeit emporschwingt. Sie verzaubert auch mit zarten Piani die Zuhörer. Annina und die Leitmetzerin, eine Art Mutterersatz für Sophie, werden von Elisabeth Rauch mit klarem Sopran gesungen. Auch Thomas W. Luckett, der in verschiedenen Rollen zu hören ist, verschafft sich mit einer Ballade einen markanten Einstieg. Bedeutung kommt dem Erzähler zu: Joseph Kiermeier-Debre liest mit gepflegter Sprache und augenzwinkernd die literarischen Intermezzi und führt so durch die Handlung des Rosenkavaliers. In rauschendem Beifall endet ein Abend, der mal das ganz andere Opern-Erlebnis bietet und ein Da capo wünschenswert macht.