Illertisser Zeitung

Ein Fest der Stimmen im Illertisse­r Glashaus

Eine große Oper in einem kleinen Ambiente wird zur eigenen Kunstform

- VON URSULA KATHARINA BALKEN

In der Opernliter­atur stellt „Der Rosenkaval­ier“von Richard Strauss nach einem Libretto von Hugo von Hofmannsth­al ein Meisterwer­k dar. Kann man dieses orchestral­e und anspruchsv­olle Werk mit Scharen von Protagonis­ten „eindampfen“, ohne dass die Essenz verloren geht? Man kann! Aber dafür bedarf es eines glückliche­n Händchens, über das der Impresario der Glashaus-Veranstalt­ungen, Reinhard Hemmer, offenbar verfügt. So wurde der „musikalisc­h-literarisc­he Salon mit Oper am Klavier“, so dem Besetzungs­blatt zu entnehmen, zu einer Symbiose aus Musik, Erzählung und stimmliche­n Höhepunkte­n.

Strauss weicht mit seiner Kompositio­n völlig von der sogenannte­n Nummern-Oper ab, die Verdi und Donizetti so trefflich beherrscht­en. Handlung und Musik laufen im Glashaus ineinander und verschmelz­en zu einem Kunstwerk, das sich als Genre in der kulturelle­n Szene etablieren könnte. Neu sind szenische Opernauffü­hrungen nicht, aber das Ambiente des Illertisse­r Glashauses entwickelt einen besonderen Charme. „Man darf hemdsärmel­ig kommen“, ist das Credo von Hemmer. Damit nimmt er der großen Oper den Nimbus der High Society, die auf rotem Teppich der Aufführung elegant entgegen schreitet. Die glitzernde Brillanz Strauss’scher Musik ist für alle da.

Auch wenn Orchesterf­ülle fehlt, gleicht dies Stellario Fagone am Flügel mit Feingefühl spielerisc­h farbig aus. Und auch ihm gebührt der Erfolg, weil es wahrlich eine Leistung ist, viereinhal­b Stunden das Ensemble stimmig und emotional zu begleiten.

Es ist eine Liebesgesc­hichte mit Irrungen und Wirrungen, die Hofmannsth­al als Vorlage geliefert hatte und die Strauss musikalisc­h bisweilen tonmaleris­ch – mit dem berühmten Rosenkaval­ier-Walzer – umgesetzt hat. Die Oper spielt in der Zeit, als Maria Theresia Kaiserin von Österreich war.

Der 17-jährige Octavian kommt keck daher – er steigt gerade aus dem Bett der Marschalli­n, dort haben sich beide lustvoll vergnügt. Julia Rutigliano lässt ihren leicht metallisch­en Mezzosopra­n in voller Stärke erklingen, dass er fast den Raum sprengt, für große Theater eine ideale Besetzung. Der Marschalli­n gibt Bärbel Béela Müller berührende­s Profil, sie ist eine Frau, die weiß, dass ihre Tage als weitaus ältere Liebhaberi­n gezählt sind. Das weiche Timbre ihres ausdruckss­tarken lyrischen Soprans berührt. Ein Schwerenöt­er ist Baron Ochs von Lerchenau, der polternd daher kommt, immer auf der Suche nach der jungen Weiblichke­it. Diese dankbare Partie übernimmt Tobias Pfülb, Bass. Darsteller­isch wie stimmlich merkt man dem Sänger an, dass er Rosenkaval­ier erfahren ist. Seine weichen baritonale­n Mittellage­n, die er mühelos erreicht und nicht „erpresst“, sind Höhepunkte seiner Sangeskuns­t. Beispiel dafür, dass Belcanto auch für Bässe kein unbekannte­s Terrain ist. Der „Ochs“will sich vermählen. Sein Blick fällt auf Sophie, gesungen von Yvonne Steiner mit dem Ambiente angepasste­n Stimmvolum­en und einem Sopran, der sich dramatisch zu höchsten Tonlagen mit Leichtigke­it emporschwi­ngt. Sie verzaubert auch mit zarten Piani die Zuhörer. Annina und die Leitmetzer­in, eine Art Mutterersa­tz für Sophie, werden von Elisabeth Rauch mit klarem Sopran gesungen. Auch Thomas W. Luckett, der in verschiede­nen Rollen zu hören ist, verschafft sich mit einer Ballade einen markanten Einstieg. Bedeutung kommt dem Erzähler zu: Joseph Kiermeier-Debre liest mit gepflegter Sprache und augenzwink­ernd die literarisc­hen Intermezzi und führt so durch die Handlung des Rosenkaval­iers. In rauschende­m Beifall endet ein Abend, der mal das ganz andere Opern-Erlebnis bietet und ein Da capo wünschensw­ert macht.

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Foto: Ursula K. Balken Unser Bild zeigt die Übergabe der silber nen Rose. Rechts steht Yvonne Steiner als Sophie und Julia Rutigliano als Octa vian.

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