Tanzend zu mehr Selbstbewusstsein
Drei Tage lang studieren 200 Jugendliche der Realschule Vöhringen mit amerikanischen Künstlern ein Musical ein. Für die Trainer geht es dabei um mehr als den perfekten Auftritt
„Step, step, vor, zurück. And the same again.“Die Stimme von Coach Jacob hallt durch die Aula der Realschule Vöhringen. Lautes Lachen und Singen ist zu hören. Unter den 200 Kindern herrscht fröhliche Stimmung. Schulleiter Oliver Eschenbach steht still im Hintergrund, lächelt und betrachtet die Szenerie. Er hat die Gruppe „The Young Americans“eingeladen, um den Schülern die Chance zu geben, unter fachkundiger Anleitung eine eigene Show zu produzieren. Aber Eschenbach will mehr als das: Es gehe darum, einem wichtigen Grundsatz der Realschule gerecht zu werden: „Werteorientierung“.
Wie sich Gesang, Tanz und Werteorientierung ergänzen, erklärt Chikako Hamashi in englischer Sprache. Die zierliche Person aus Japan managt die Arbeit der jungen Leute. Sie teilt Workshops ein, in denen die Schüler ein selbst gestaltetes Musical einstudieren können. „Es geht nicht darum, den Kids Erfahrungen in Tanz und Musik beizubringen. Wir wollen vermitteln, dass Kinder mehr Selbstbewusstsein entwickeln, lernen zu sich selbst zu finden und ihre eigene Individualität zu formen.“
Das ist auch der Grund, warum Eschenbach die Gruppe eingeladen hat. Im Gespräch zitiert er einen Auszug aus der Bayerischen Verfassung: „Schule ist nicht nur Wissen und Können zu vermitteln, sondern auch Herz und Charakter zu entwickeln“. Hamashi von den Young Americans kann das nur nickend bestätigen. Die Japanerin schwärmt von Deutschland: „Ich bin zum dritten Mal in diesem Land und komme immer wieder gerne her.“
Dieses Mal ist sie dabei, die Deutschland-Tournee der Gruppe vorzubereiten. Denn die startete gestern Abend in Vöhringen im Karl-Eychmüller-Sportpark. Die Zuschauer bekamen dort also eine Premiere zu sehen, bei der die Schüler aus den Jahrgangsstufen fünf, sechs und sieben ihren großen Auftritt hatten. Es war der Höhepunkt des Besuchs der US-amerikanischen Gruppe.
Drei Tage lang waren 37 junge Leute im Alter zwischen 18 und 24 Jahren, meist Musikstudenten, die sich dem Genre Musical verschrieben haben, in Vöhringen zu Gast. Sie fanden eine Bleibe bei Gasteltern, wo die Amerikaner deutsche Lebensart kennenlernten, aber auch deutsche Küche, der sie sehr zugetan waren. Die Schüler waren den Tag über in verschiedenen Workshops beschäftigt und das mit Tempo und Engagement. Hauptorganisatorin des Projekts sei Annegret Wheatman gewesen, sagt Schulleiter Eschenbach. Sie ist Musiklehrerin an der Schule und leitet die Schulband. Auch andere Lehrer waren involviert und hatten wie die Schüler ihre Freude an den Vorbereitungen für die Show im Sportpark.
Der Art-Director der Young Americans, Jacob Figueroa, stammt aus Puerto Rico. Seine Aufgabe ist es, die Proben zu beobachten, sich Notizen zu machen, was wo verbessert werden kann. Er ist voll des Lobes über den Eifer der Schüler. Jacob ist kein Student, er ist bei der Company Young Americans angestellt. Er ist darauf bedacht, dass die Details stimmen, bevor man vor ein Publikum tritt. Wie er sagt, sei die Gruppe weltweit unterwegs. Er erklärt auch, wie sich das Gastspiel an den Schulen abspielt.
Während eines dreitägigen Workshops wird eine komplette Bühnenshow vorbereitet. „Ziel der Arbeit ist es, den Schülern künstlerische Impulse zu geben und Vertrauen in die eigene Kreativität zu entwickeln“, erklärt Jacob. Darüber hinaus würden Teamfähigkeit und Selbstwertschätzung vermittelt.
Dieser Einsatz der Truppe ist nicht zum Nulltarif zu haben. Wer teilnehmen möchte, muss 50 Euro zahlen. Das hat die 13-jährige Sheyla erst einmal ihrer Mutter beibringen müssen. „Ich spare für einen schicken Trainingsanzug. Dem Gesparten habe ich 25 Euro entnommen und meine Mutter hat 25 Euro drauf gelegt“, sagt sie. Sheyla zeigte sich anfangs skeptisch, aber nach der ersten Performance der Gruppe in der Schule habe sie spontan gesagt: „Da mach’ ich mit.“Sie liebe die Schauspielerei, „das Hineinschlüpfen in eine andere Person“. Die Coachs findet sie „cool“.
So sieht das auch die zwölfjährige Berina. „Ich tanze gerne und habe mich immer geniert es zu tun, wenn andere um mich herum standen.“Jetzt traue sie sich, aus sich herauszukommen. Vorteile sehen die beiden Mädchen auch darin, dass sie ihre Sprachkompetenz in Englisch erweitern können. Es sei schade, dass die drei Tage so schnell vorbeigegangen seien.