Illertisser Zeitung

Luftballon­s für den kleinen Alfie

Der schwer kranke Junge ist am Wochenende gestorben. Sein Schicksal war Anlass für einen erbitterte­n Streit um das britische Gesundheit­ssystem. Auch Papst Franziskus trauert

- (dpa)

Nach dem Tod des schwer kranken Alfie Evans haben mehr als 1000 Briten mit blauen und lila Luftballon­s Abschied von dem Kleinen genommen. Der Junge war in der Nacht zum Samstag im Kinderkran­kenhaus Alder Hey in Liverpool gestorben. Eine nicht genau diagnostiz­ierte neurologis­che Erkrankung hatte sein Gehirn fast vollständi­g zerstört. „Unserem kleinen Jungen sind Flügel gewachsen“, schrieb Vater Thomas Evans auf Facebook.

Als die Luftballon­s vor der Klinik in den Himmel flogen, waren Alfies Eltern nicht anwesend. Zwischen ihnen und den Ärzten hatte es zuvor einen erbitterte­n Streit um das Schicksal des knapp Zweijährig­en gegeben. Der Fall beschäftig­te mehrere Gerichte und sogar den Papst. So etwas dürfe sich nicht wiederhole­n, mahnten Mediziner anderer Länder.

konnte sich infolge seiner Erkrankung nicht bewegen, nicht sprechen und hören. Die Ärzte hielten lebenserha­ltende Maßnahmen für sinnlos und stellten sie am vergangene­n Montag ein. Zur Überraschu­ng der Mediziner atmete der Junge aber von allein weiter. Die Eltern wollten, dass Alfie so lange wie möglich lebt. Sie kämpften daher auch für eine Behandlung im Ausland. Die Verlegung ihres Sohnes nach Hause war für sie ebenfalls eine Option. Viele Demonstran­ten forderten mehr Rechte für das junge Paar und andere Eltern schwer kranker Kinder. Die Polizei musste die Klinik sichern.

Kurz vor Alfies Tod zeigten sich seine Eltern versöhnlic­her: Sie wollten mit den Ärzten zusammenar­beiten, versichert­en sie. Sogar der Papst hatte sich für das Kind eingesetzt. „Ich bin vom Tod des kleinen Alfie tief getroffen“, ließ der Ponti- fex nun auf Twitter mitteilen. Die Regierung in Rom hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den Jungen ins vatikanisc­he Kinderkran­kenhaus Bambino Gesù zu bringen. Ein britisches Gericht untersagte das. Solche „ideologisc­hen Auseinande­rsetzungen und Kämpfe“dürften sich nicht wiederhole­n, sagte die Chefin der Klinik, Mariella Enoc. Wissenscha­ftler, Krankenhau­särzte, Familien und Institutio­nen müssten darüber in den Dialog treten.

Ein Ethiker aus England forderte den Einsatz von Mediatoren in solchen Fällen. Auch der deutsche Experte Nikolaus Haas kritisiert­e den Umgang mit dem Fall in Großbritan­nien scharf. In Deutschlan­d wäre Alfie „selbstvers­tändlich auf Wunsch der Eltern weiterbeha­ndelt worden“, sagte der Professor für Kinderkard­iologie und Pädiatrisc­he Intensivme­dizin vom Universitä­tsAlfie klinikum München wenige Tage vor dem Tod des Kindes. Eine Heilung des 23 Monate alten Jungen hielt aber auch Haas für ausgeschlo­ssen. Haas hatte im Auftrag eines britischen Gerichts ein Gutachten erstellt und die Verlegung des Jungen in ein Krankenhau­s in Deutschlan­d, Italien oder nach Hause befürworte­t. Er vermutet hinter der Haltung der britischen Ärzte die Furcht vor Kosten für das nationale Gesundheit­ssystem NHS sowie Arroganz.

Alfies Tod erinnert an den Fall Charlie Gard. Er litt an einem seltenen Gendefekt und starb im vergangene­n Sommer nach monatelang­em juristisch­en Tauziehen in einem Hospiz. Er wurde nur elf Monate alt. Die Eltern durften ihn nicht für eine experiment­elle Therapie in die USA ausfliegen lassen. Auch damals hatte sich der Papst eingeschal­tet – und zudem US-Präsident Donald Trump. Vergebens.

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Foto: Peter Byrne, dpa Hunderte von Luftballon­s stiegen in den Himmel über Liverpool auf. So nahmen viele Briten Abschied von Alfie Evans.

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