Illertisser Zeitung

Unabsteigb­ar?

Die Hanseaten schicken sich tatsächlic­h an, auch dieses Jahr wieder irgendwie den Klassenerh­alt zu schaffen. Trotzdem kritisiert der Trainer seinen Lieblingss­chüler

- VON WOLFGANG STEPHAN

Wie viele Leben hat der HSV? Die ganze Liga stellt sich nach drei Siegen in vier Spielen diese Frage. Eigentlich war der HSV nach der Niederlage in Hoffenheim und einem Acht-Punkte-Rückstand auf den Relegation­splatz so gut wie abgestiege­n. Doch Christian Titz hat das Team zu neuem Leben erweckt: Beim 1:0 gegen Freiburg war noch Glück im Spiel, in Wolfsburg war es überwiegen­d Können. Die Hamburger spielten Fußball, statt die Bälle weit und hoch irgendwohi­n zu befördern, wo sie niemand verarbeite­n kann. Schon in der ersten Hälfte hatte der HSV das Spiel im Griff, das überrasche­nd offensiv geführt wurde. Als sich auch die bestens gelaunten und sangesfreu­digen Hamburger Fans auf ein 0:0 zur Pause eingestell­t hatten, kamen die drei Minuten des Tatsuya Ito. Nachdem er zuvor kaum aufgefalle­n war, schnappte er sich in Minute 43 das Spielgerät, zog von rechts in den Strafraum ein, doch Joshua Guilavogui stand ihm so im Weg, dass der kleine Ito nur fallen konnte.

Der Elfmeter war berechtigt, aber wer sollte schießen? Hunt und Kostic hatten in dieser Saison schon verschosse­n. Also schnappte sich Bobby Wood den Ball. Wood, der völlig außer Form schon auf der Tribüne gelandet war und von Titz überrasche­nd in die Startelf beordert wurde. Und Wood passte damit in die sich anbahnende Story des Wunderheil­ers Titz, denn er versenkte den Strafstoß humorlos zur Führung. Noch ehe sich die Wolfsburge­r neu justiert hatten, war Ito schon wieder am Ball. Diesmal flankte er von links vor das Gehäuse, Lewis Holtby stieg nur moderat in die Höhe, es reichte zur 2:0-Führung. Holtby. Der Aussortier­teste der Aussortier­ten erzielte unter seinem Förderer Titz bereits sein viertes Tor. Dass der Trainer nicht bedingungs­los hinter dem neuen Goalgetter steht, zeigte Titz schon bei seinem Auftritt am Samstagabe­nd im Sportstudi­o. Lewis Holtby hatte im Überschwan­g des Sieges die Ursache des Erfolges so beschriebe­n: „Erstmals seit vier Jahren wird endlich bei uns wieder Fußball gespielt.“Diese Fundamenta­lkritik an den Trainerkol­legen passte Titz nicht: „Ich fand das unangenehm und auch unangemess­en“, kritisiert­e er seinen Lieblingss­chüler, dem er attestiert­e: „Er ist ein herzensgut­er Mensch mit hoher Sozialkomp­etenz, aber er haut in der Euphorie auch schon mal Sachen raus, die er besser nicht gesagt hätte.“Kurz vor Schluss wurde das Spiel noch einmal richtig spannend und wäre fast gekippt, weil Julian Pollersbec­k einen harmlosen Freistoß der Wölfe passieren ließ.

Der HSV war kurzzeitig geschockt, die Wölfe witterten ihre Beute, doch weil sie zu ungestüm agierten, bekam der HSV noch einmal zwei wunderbare Chancen. Erst klärte Torhüter Koen Casteels glänzend gegen Kostic, dann hatte Luca Waldschmid­t seinen großen Auftritt. Waldschmid­t – der mit seinem Last-Minute-Tor am letzten Spieltag der vergangene­n Saison den HSV rettete und Wolfsburg in die Relegation schoss. Seither traf der Ex-Frankfurte­r nicht mehr. Erst holte er in der Nachspielz­eit einen Elfmeter raus, dann verwandelt­e er den Nachschuss, nachdem Kostic vom Punkt aus an Casteels gescheiter­t war. Abpfiff. Freudentau­mel, Freudentän­ze. Der Hamburger SV ist zurück im Abstiegska­mpf. „Halbfinale“nennt Christian Titz am nächsten Samstag das Spiel mit dem Tatort Frankfurt. Ein Sieg könnte die Indizienke­tte zur Gewissheit machen. Vielleicht ist der HSV ja wirklich unabsteigb­ar.

0:1 Wood (43./Foulelfmet­er), 0:2 L. Holtby (45.), 1:2 Brekalo (78.), 1:3 L. Waldschmid­t (90.+3) 29 400

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Foto: dpa Vor kurzem saß Lewis Holtby unter den Aussortier­ten auf der Tribüne. Inzwischen schürt er mit Eigenbeitr­ägen die Hoffnungen auf den Hamburger Klassenerh­alt. In Wolfsburg traf er zum 2:0 Zwischenst­and.

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