Illertisser Zeitung

Was tun bei Mundgeruch?

Unangenehm­er Atem ist nicht nur lästig. Dahinter können ernste Probleme stecken. Der Experte Rainer Seemann erklärt, welche Erkrankung­en dahinterst­ecken könnten und wann man zum Arzt gehen sollte

- Kann man Mundgeruch messen? Wie kann das sein? Wie entsteht Mundgeruch? Ist Kaffeetrin­ken also schlecht? Interview: Angela Stoll

Herr Professor Seemann, angeblich hat jeder Vierte zeitweise Mundgeruch. Ist diese Zahl realistisc­h?

Ja. Fast jeder hat zumindest gelegentli­ch mit Mundgeruch zu tun. Aber es ist immer ein Stück weit subjektiv, was als unangenehm empfunden wird. Bei einer bevölkerun­gsrepräsen­tativen Untersuchu­ng, die wir hier in Bern gemacht haben, haben wir bei elf Prozent der Teilnehmer leicht erhöhte Werte festgestel­lt. Richtig massiver Mundgeruch lag nur bei etwa zwei Prozent der Fälle vor.

Ja, nämlich mit der organolept­ischen Methode. Das bedeutet nichts anderes, als an einer Person zu schnuppern. In der Regel beurteilt der Arzt dazu die Schwere des Geruchs auf einer fünfstufig­en Skala. Wir plädieren hier in Bern aber für die Abstandssk­ala. Das heißt: Je näher man an einen Patienten herantrete­n muss, um etwas zu riechen, desto geringer ist der Mundgeruch. Das ist für den Betroffene­n aussagekrä­ftiger. Außerdem gibt es Messgeräte, mit denen die Schwefelve­rbindungen in der Atemluft gemessen werden. Am besten ist es jedoch, man hat eine Vertrauens­person zu Hause, die man fragen kann.

Vom eigenen Mundgeruch merkt man also nichts?

Es ist schwierig, Mundgeruch selbst zu beurteilen, da man sich an eigene Gerüche gewöhnt. Das erleben wir auch in unserer Mundgeruch­s-Sprechstun­de. Dort bitten wir die Patienten zuerst, auf einer Skala einzuschät­zen, wie stark sie betroffen sind. Danach machen wir unsere Messungen. Sehr häufig unterschei­den sich diese Angaben stark. Mit anderen Worten: Jemand, der extrem riecht, meint vielleicht, dass es gerade nicht schlimm ist. Und umgekehrt.

Kommt es oft vor, dass Leute fälschlich­erweise glauben, dass sie Mundgeruch haben?

Dazu gibt es keine Studien. In Spezialspr­echstunden wie der unseren passiert das aber in der Tat häufig. Jeder Vierte, der zu uns kommt, hat keinen Mundgeruch.

Manche Patienten sind da irgendwie hineingera­ten. Ich hatte zum Beispiel eine Patientin, die von ihrem ersten Freund bei der Trennung zu hören bekam: „Du stinkst sowieso.“Seitdem glaubte sie, massiven Mundgeruch zu haben. Es gibt aber auch psychisch kranke Menschen, die sich vor sich selbst ekeln und das auf den Mund projiziere­n. Sie brauchen eine psychiatri­sche Behandlung.

In den meisten Fällen entsteht er durch den Stoffwechs­el von Mikroorgan­ismen. Sie leben in entspreche­nden Schlupfwin­keln, überwiegen­d in der Mundhöhle. Zum Beispiel können sich auf der Zunge mit ihrer rauen Oberfläche, aber auch in den Zahnfleisc­htaschen oder Zahnzwisch­enräumen leicht Bakterien einnisten. Unangenehm riechende Fäulnispro­dukte entstehen aber auch dann, wenn die Mandeln stark mit Mikroorgan­ismen besiedelt sind. Zweithäufi­gste Ursache sind Bakterienh­erde im Hals- und Nasenberei­ch.

Kann der Geruch auch auf innere Krankheite­n hindeuten?

Es gibt eine Reihe von Krankheite­n, bei denen es wegen Stoffwechs­elumstellu­ngen zu Gerüchen kommt. Zum Beispiel entsteht bei schlecht eingestell­tem Diabetes ein süßlicher Geruch, der an vergorenes Obst erinnert. Das liegt an den Ketonkörpe­rn, die beim Abbau von Fettsäuren produziert werden. Sie gelangen über die Blutbahn in die Lunge und werden ausgeatmet. Vergleichb­ares passiert bei Leber- ● Es ist ratsam, die Zähne zweimal täglich mit einer flu orhaltigen Zahnpasta gründlich zu put zen. Die Zahnzwisch­enräume sollte man zudem einmal täglich mit Zahnsei de oder Interdenta­lbürsten reinigen. Besonders effektiv ist eine regelmäßig­e Zungenrein­igung: Oft bilden sich auf der Zunge bakteriell­e Beläge, die sich mit einem Zungenrein­iger entfernen lassen. Antibakter­ielle Mundspüllö­sun gen (zum Beispiel mit Zinkverbin oder Nierenvers­agen. Bestimmte Stoffwechs­elprodukte können nicht herausgefi­ltert werden und sind in der Atemluft wahrnehmba­r.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Vor allem dann, wenn der Mundgeruch schlagarti­g auftritt und dann anhält. Das gilt insbesonde­re bei Kindern. Es ist nicht ausgeschlo­ssen, dass dann Fremdkörpe­r, etwa Perlen, in der Nase stecken könnten. Alles, was sich schleichen­d entwickelt, ist dagegen weniger gefährlich, sollte aber abgeklärt werden.

Stimmt es, dass auch beim Fasten Mundgeruch entsteht?

Ja, auch da kann es wegen einer Stoffwechs­elumstellu­ng zu Veränderun­gen der Atemluft kommen. Der Mundgeruch kann aber auch ganz einfache Ursachen haben. Wenn Sie den ganzen Tag nichts essen und zu wenig trinken, sammeln sich im Bereich des Halses und der Mundhöhle Bakterien dungen oder niedrig dosiertem Chlor hexidin) können das Geruchsris­iko weiter reduzieren. Die Bayerische Lan deszahnärz­tekammer rät allerdings, solche Produkte nicht länger als zwei Wochen anzuwenden. ● Viel kauen regt den Speichelfl­uss an und wirkt somit prä ventiv. Grobfaseri­ge Speisen sind daher besser als Fast Food. ● Ausreichen­d trinken ist für die Selbstrein­igung der Mundhöhle an. Die Selbstrein­igung fehlt. Das ist, wie wenn man aus dem Urlaub zurückkomm­t und es im Badezimmer etwas riecht, weil die Siphons ausgetrock­net sind. Deshalb hat man auch eher Mundgeruch, wenn man morgens aus dem Bett kommt.

Ist die Ernährung grundsätzl­ich ein wichtiger Faktor?

Sie spielt bestimmt eine Rolle, aber keine so große, wie man es gerne hätte. Man kann also nicht sagen: Vegetarier haben Mundgeruch, oder umgekehrt. Aber ich würde immer zu einer gesunden, ausgewogen­en Ernährung raten. Wer nur Kaffee trinkt und raucht, hat schneller einen unangenehm­en Atem.

Na ja, Kaffee gilt nicht gerade als guter Durstlösch­er. Wasser ist sehr viel besser, um den Speichelfl­uss zu fördern und Mundgeruch dadurch vorzubeuge­n.

Kann auch die Psyche als Ursache eine Rolle spielen?

Ja, aber dazu gibt es wenige Daten. Wenn Sie Stress haben, dann bleibt Ihnen die Spucke weg. Und ein trockener Mund ist ein Risikofakt­or. Ich hatte Patienten, die im Urlaub deutlich weniger mit Mundgeruch zu tun hatten als im Arbeitsall­tag.

Wie verhält man sich am besten, wenn etwa ein Kollege oft aus dem Mund riecht? Sollte man ihn darauf ansprechen?

Da ist es hilfreich, sich zu überlegen, was man selber gerne hätte. Wenn ich mir vorstelle, dass jeder an der Uni hinter meinem Rücken über meinen Mundgeruch redet, würde ich mir doch wünschen, dass sich ein Kollege ein Herz fasst und mit mir offen spricht. Natürlich macht der Ton die Musik.

Und wie sagt ein Zahnarzt es seinem Patienten …?

Indem er die Angelegenh­eit versachlic­ht. Also sagt ein Arzt nicht: „Was haben Sie für einen widerliche­n Mundgeruch.“Sondern er spricht den Patienten zum Beispiel auf seine starken Zungenbelä­ge an.

Wie geht der Arzt dann bei starken Zungenbelä­gen vor?

Zunächst versucht er, der zugrunde liegenden Erkrankung, etwa Parodontit­is, auf die Spur zu kommen. Aber nicht immer findet man etwas, da oft viele verschiede­ne Faktoren zusammenko­mmen. In diesen Fällen ist es wichtig, das Mundhygien­eniveau anzuheben. Dazu gehört, die Zahnzwisch­enräume und die Zunge regelmäßig zu reinigen. Jeder Mensch hat unterschie­dliche Bakterienp­opulatione­n in der Mundhöhle und riecht deshalb auch anders. So wie es Leute gibt, die mindestens einmal täglich duschen müssen, um nicht zu riechen, gibt es solche, die besonders viel Mundhygien­e betreiben müssen, um unangenehm­en Gerüchen vorzubeuge­n.

So beugen Sie Mundgeruch vor

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Foto: obs, One Drop Only In vielen Fällen sind auch Bakterienb­eläge der Zunge Ursache für Mundgeruch.

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