Gesellschaftskritik mit Humor verpackt
Christian Springer ist ein Kabarettist, der unangenehme Wahrheiten pointiert ausspricht und dabei niemanden schont – nicht einmal sich selbst. Nun war er in Babenhausen zu Gast
Wer einen gemütlichen, humorvollen Kabarettabend erwartet hatte, der war bei Christian Springers Auftritt im Theater am Espach in Babenhausen in der falschen Veranstaltung. Sprachlich pointiert, bissig und auf nichts Rücksicht nehmend hielt er der Gesellschaft den Spiegel vor und sezierte den Begriff der deutschen Leitkultur. Gleichzeitig könnte sein Schlussappell als Zusammenfassung des Kabarettabends stehen: „Haltung bewahren.“
Der vielfach ausgezeichnete Kabarettist startete mit einem kurzen Blick auf den neuen Ministerpräsidenten. Dem sei alles Recht, um in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden, gleichgültig, ob auf Hundefotos oder beim Kruzifixaufhängen. Unter ihm soll alles besser werden. Dabei erweise er sich, so Springer, als Kabarettkiller, der so manches parodiefähige Kabinettmitglied austauschte und der sich wegen der bevorstehenden Wahl bei allen „anwanzt“. Inzwischen sei Söder bekannt, dass man den Bayern eine Wählerquote von 42 Prozent nicht mehr als absolute Mehrheit verkaufen könne.
Mit der CSU hat Springer seine persönlichen Erfahrungen: In den 1990er-Jahren missglückte ihm ein „Attentat mit biologischen Waffen“, verfehlten doch zwei rohe Eier am Nockerberg Franz-Josef Strauß. Trotzdem unterließ Strauß nichts unversucht, Springer verurteilen zu lassen. Und das sei ihm gelungen, in dem er sich nicht scheute, in die Justiz einzuwirken, aber auch auf die bayerischen Hochschulen, um Springers Studienabschluss zu vereiteln. Da fragte sich Springer, was wohl ein Politiker bei größeren Problemen mache, wenn er schon in kleinen Dingen so lüge?
Doch das Thema des Abends war die Leitkultur – und dazu hatte Springer jede Menge Sprüche parat. Das dringend geforderte und erlassene Integrationsgesetz wurde nie „ausgepackt – also ein „Glump, das man aufhebt, falls man es wirklich einmal braucht“, sagte er. Mit dem Singen der Nationalhymne mussten die Besucher stehend gleich den ersten Test absolvieren. „Und was ist daran deutsch?“, fragte der Kabarettist. Der Text entstand auf englischem Gebiet (Helgoland) und wurde von einem Österreicher (Haydn) vertont, wobei dieser die österreichische Kaiserhymne wählte, die er aus einem kroatischen Volkslied geklaut hatte. Dazu passte auch, dass bei Adenauers Besuch in Chicago mangels einer Nationalhymne damals „Heidewitzka“gespielt wurde.
Zudem gibt es keinen Stamm der Bayern, vielmehr handle es sich hier um ein Vielvölkergemisch. „Also Achtung bei Fremden, es könnten deine Verwandten sein“, so Springer. Dazu passe auch, dass die Asylbewerber das deutsche Grundgesetz kennen sollten, vor allem aber Deutsch. Was wäre die Folge? Sie würden uns auf Deutsch löchern, was eigentlich Leitkultur sei, so Springers Antwort. Gleichzeitig würden die Preußenwitze aussterben. Aber es gebe keine über beispielsweise Nordafrikaner, denn dann wäre man gleich ein Rassist. Als politische „Zeitbombe“stufte Springer das Lied „Die Gedanken sind frei“ein, das der Dresdner Kreuzchor in China nicht singen durfte. Den Auftritt abzusagen wäre die einzig richtige Entscheidung gewesen.
Trotz gesundheitlicher Probleme tigerte Springer während seines zweistündigen Auftritts als Schnellsprecher über die kahle Bühne. Der einzige Stuhl als Requisite diente als Teetassenhalter. Diese Unrast dokumentierte sein Getriebensein, die Finger in die Wunden der Gesellschaft zu legen. Da durfte auch der Hinweis auf die von ihm initiierte Hilfsaktion „Orienthelfer“nicht fehlen. Dreimal im Monat schaut er im Libanon oder in Jordanien nach der Verwendung der Spendengelder, um syrischen Flüchtlingen mehr Lebensqualität zu geben. Die Welt ist in dieser Beziehung schlecht, aber „trotzdem“, so der Programmtitel seines Abends, a „bisserl“gehe immer, vor allem, wenn man Haltung bewahrt. Und diese hat er in einem 80-seitigen Brief an Horst Seehofer dokumentiert.