Illertisser Zeitung

Erst mal aus Prinzip dagegen

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VON DETLEF DREWES Regierungs­chefs mit großer Landwirtsc­haft wie Frankreich ihren Landwirten nicht mit Kürzungen nach Hause kommen dürfen.

Kein Etat-Entwurf kann solchen sich widersprec­henden Herausford­erungen genügen. Vor diesem Hintergrun­d scheint der Plan von Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger allerdings gelungen. Gerade weil er trotz des Brexit auf Investitio­nen setzt und neue Geldquelle­n erschließe­n will. Denn von den Mehrausgab­en profitiere­n die EUMitglied­er selbst. In Ungarn oder der Slowakei wäre der Staatshaus­halt im heutigen Umfang ohne EUSubventi­onen nicht denkbar. Gerade diese Staaten sind es, die auf der Gemeinscha­ft herumhacke­n, während sie zugleich in Brüssel die Hand aufhalten. Die nun vorgeschla­gene Wohlverhal­tensklause­l macht deshalb Eindruck, vor allem als Instrument der Drohung. Denn sehr viel mehr wird daraus nicht werden. Die Bereitscha­ft der Minister im Rat, sich gegen einen aus den eigenen Reihen zu stellen und ihm Finanzmitt­el zu versagen, ist gering. Trotzdem zeigen die ersten Reaktionen aus den betroffene­n Ländern, dass man den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden hat.

Der Haushaltse­ntwurf bietet Chancen für eine zukunftsfä­hige europäisch­e Politik. Dass das Papier fast schon pflichtgem­äß erst zerrissen wird, um es dann wieder zusammenzu­setzen, gehört zur politische­n Strategie der Regierunge­n. Mehr nicht. Wohlverhal­tensklause­l eigentlich vermeiden. Es blieb nicht seine einzige Niederlage.

Denn Oettinger konnte sich auch mit Forderunge­n zur Erschließu­ng neuer Finanzquel­len durchsetze­n. Auf der Suche nach frischem Kapital will Brüssel nämlich bis zu 20 Prozent der Gewinne aus dem Emissionsh­andel einziehen. Außerdem sollen drei Prozent der neuen gemeinsame­n, konsolidie­rten Körperscha­ftsteuer in den Etat der EU fließen. Zusätzlich soll jeder Mitgliedst­aat pro Kilo Plastikmül­l, das nicht recycelt wird, 80 Cent an die Gemeinscha­ftskasse überweisen. Unterm Strich würden so rund 22 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich eingenomme­n werden – das sind zwölf Prozent des Etats.

Allerdings ist das erst ein Entwurf. Nun beginnt das eigentlich­e Tauziehen: Die Kommission muss in den Verhandlun­gen mit den Mitgliedst­aaten und dem EU-Parlament einen Kompromiss finden. Zeit dafür gibt es noch genug. Zwar wollten die Beteiligte­n eigentlich rechtzeiti­g vor der Europawahl 2019 dem Wähler sagen, wie sich die Union künftig finanziert. Doch auch eine spätere Einigung bis Ende 2020 käme noch rechtzeiti­g. Bis dahin wird viel gestritten werden. Denn abgesehen von Deutschlan­d hat sich bisher keine EU-Regierung bereit erklärt, freiwillig mehr für Europa zu bezahlen.

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