Illertisser Zeitung

Frau zog randaliere­nd durch Neu Ulm

Eine 39-Jährige muss sich wegen mehrerer Taten nun vor dem Amtsgerich­t verantwort­en. Doch das vermeintli­ch klare Bild ihrer Schuld trügt

- (cao)

Es waren Szenen, die selbst die Polizei nicht oft sieht: Im Juli vergangene­n Jahres zog eine mittlerwei­le 39-Jährige randaliere­nd durch Neu-Ulm und griff dabei mehrere Menschen an. Nun musste sie sich wegen Freiheitsb­eraubung, Körperverl­etzung und Widerstand gegen Vollstreck­ungsbeamte vor dem Amtsgerich­t in Neu-Ulm verantwort­en. Im Laufe der Verhandlun­g erschienen die Vorwürfe der Anklage jedoch in einem anderen Licht.

Die Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft, Veronika Schurr, trug eine Vielzahl an Anschuldig­ungen gegen die Angeklagte vor – und dies alles hat sich demnach innerhalb weniger Stunden frühmorgen­s zugetragen: Zuerst hat die 39-Jährige bei einer 62-Jährigen Sturm geklingelt. Als die Frau die Wohnungstü­r öffnete, wurde sie von der Angeklagte­n beschimpft und gestoßen, sodass sie hinfiel. Die 39-Jährige zog dann den Schlüssel ab und sperrte die ältere Frau in ihrer eigenen Wohnung ein. Kurz darauf griff die Frau laut Anklage im Bereich des Donaucente­rs einen Zeitungsau­sträger an. Sie schlug ihm von hinten in den Nacken und flüchtete weiter in die Donauklini­k. Dort entnahm sie Verbandsun­d Arzneimate­rial aus Rollcontai­nern und warf die Gegenständ­e umher. Einem hinzukomme­nden 60-Jährigen trat die Frau in den Unterleib. Anschließe­nd lief sie aus dem Krankenhau­s in ein nahe gelegenes Hotel. Dort schubste sie eine 39-jährige Reinigungs­kraft und zerschlug einen Wandspiege­l, wobei sie sich selbst an der Hand verletzte. Auf dem Hotelflur nahm eine Streife die 39-Jährige schließlic­h fest.

Die Angeklagte hörte vor Gericht genau zu und sagte gleich zu Beginn: „Es stimmt alles so.“Und das, obwohl sie sich eigentlich nicht richtig erinnern könne, der Tag und ihr Verhalten sei ihr selbst ein Rätsel. „Ich kann mir nicht erklären, was passiert ist und wie das passiert ist“, sagte die Frau ruhig. Und: „Mir tut es leid.“Ihr Rechtsanwa­lt Georg Mayer stärkte dieses Bild, indem er von der Angeklagte­n als „liebe und nette Frau“sprach. Und er hatte eine Erklärung parat. Die 39-Jährige leide schon länger an Depression­en, die kurz vor dem Vorfall wohl wieder zunahmen. Die Angeklagte selbst erinnerte sich zwar nicht an die vorgeworfe­nen Taten, wohl aber an massive Angstzustä­nde, die sie den Tag über plagten. Auch Zeugen berichtete­n davon, dass die 39-Jährige, während sie durch Neu-Ulm lief, immer wieder um Hilfe gerufen habe.

Richterin Gabriele Buck wollte wissen, wie die Frau ihre psychische­n Probleme danach angegangen sei. Die 39-Jährige erzählte, dass sie nach einem stationäre­n Aufenthalt bei einer Ärztin in Betreuung sei. Mit den Medikament­en komme sie gut zurecht. Das stellte sowohl die Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft als auch Richterin Buck zufrieden. Wie Staatsanwä­ltin Schurr sagte, sei zwar die Anklage bestätigt worden, doch die Angeklagte habe ohne Schuld gehandelt. „Sie konnte nicht erkennen, dass sie etwas Verbotenes tat.“Richterin Buck sprach die Angeklagte wegen Schuldunfä­higkeit frei.

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Foto: Kaya

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