Machten die Birken Diebe einen Fehler?
In der Nacht zum 1. Mai haben Unbekannte drei neu gepflanzte Bäume in Illertissen abgesägt. Warum der Bauhofsleiter hofft, dass die Täter gefunden werden können
Kaum eingepflanzt, schon abgesägt: Unbekannte haben in der sogenannten Freinacht zum 1. Mai drei junge Birken in der Franz-Eugen-Huber-Straße gestohlen. Zum großen Ärger von Michael Kienast, dem Leiter des Illertisser Bauhofs: „Ich möchte mich am liebsten ohrfeigen.“Insgesamt sieben Bäume waren vor zwei Wochen eingesetzt worden. Der Zeitpunkt kurz vor dem 1. Mai sei wohl „sehr ungeschickt“ausgewählt gewesen, räumt Kienast ein.
Ein Kollege habe ihn zuvor sogar noch darauf aufmerksam gemacht. Allerdings müssten solche Arbeiten eben im April erledigt werden. Und er habe offen gesagt auch nicht damit gerechnet, „dass Leute so dreist vorgehen und einfach die Säge ansetzen“, so Kienast. Als gebürtiger Sachse habe er die möglichen Auswirkungen des hiesigen Brauchtums vielleicht nicht voll und ganz auf dem Schirm gehabt: „Sachen mit Klopapier einwickeln mag ja noch erträglich sein, aber das Absägen geht einfach zu weit.“
Der Schaden sei zudem erheblich: Insgesamt rund 2000 Euro koste der Beutezug durch die Franz-EugenHuber-Straße den Steuerzahler, schätzt Kienast. Denn zu den Kosten der Bäume als solche kämen noch die Arbeitsstunden und der Einsatz des Baggers. Für den Leiter des Bauhofs ist der Birken-Diebstahl kein Scherz: „Das geht zulasten der Allgemeinheit.“Denn seitens der Stadt habe man sich Mühe gegeben, den Allee-Charakter vor Ort zu erhalten. Darauf hatten auch Vertreter des Bund Naturschutzes gepocht. „Das wäre eine schöne Sache gewesen“, sagt Kienast, der Anzeige bei der Polizei erstattet hat. „So etwas gehört bestraft.“
Dass Menschen in der sogenannten Freinacht derart rücksichtlos mit öffentlichem Eigentum umgehen, könne er nicht nachvollziehen, sagt Kienast. Zumal es in Illertissen und Umgebung einige Förster gebe, die auch zum 1. Mai auch kurzfristig noch Bäume zur Verfügung stellten – sodass verliebte Burschen ihre Angebeteten brauchtumsgemäß beschenken könnten. Und das ganz legal.
Beim Illertisser Bauhof hofft man, dass die Diebe gefunden werden. Die Chancen dafür könnten gut stehen, besser wohl als bei vielen anderen Fällen von Vandalismus. Denn nach der Warnung des Kollegen hat Kienast die Stämme der Birken in der Franz-Eugen-HuberStraße noch mit gelber Farbe anmalen lassen. Möglicherweise werden die Bäume nun aufgrund der Markierung entdeckt: Vielleicht sehe sie ein aufmerksamer Bürger vor einem Haus in der Umgebung – und melde seine Beobachtung, so Kienast. Unabhängig davon sollen die drei gestohlenen Birken durch neue Bäume ersetzt werden. Wie diese im kommenden Jahr vor Angriffen geschützt werden, sei noch zu überlegen. „Wo kommen wir denn hin, wenn überall ein Sicherheitsdienst stehen muss?“, fragt Kienast.
Der konnte in der Nacht zum 1. Mai jedoch nicht verhindern, dass auf dem Parkplatz des Kollegs der Schulbrüder, ein Baum gefällt wurde Ein Mitarbeiter einer Security-Firma hörte gegen 1.10Uhr zwar die Geräusche einer Motorsäge, konnte die Täter aber nicht aufspüren. Sie hatten den sieben bis acht Meter großen Ahorn liegen lassen. „Das war reiner Vandalismus“, ist sich Bauhofsleiter Kienast sicher. Und fügt hinzu: „Da kann man nur noch mit dem Kopf schütteln.“
Hinweise zu den Fällen nimmt die Polizei in Illertissen unter Te lefon 07303/96510 entgegen.
Daheim ist da, wo der Maibaum steht: Es ist schön, dass das Brauchtum noch eine große Rolle spielt. Denn es gehört zur Region dazu. Viele Menschen wissen nicht nur, dass zum 1. Mai ein Bäumchen am Wohnort der (oder des) Angebeteten platziert wird. Sie schätzen das auch. Wer aber davon ausgeht, dass dem ein grober Akt des Vandalismus vorausgehen muss, ist auf dem Holzweg. Solche Taten bringen den Maibrauch in Verruf.
Ein bisschen mehr Weitblick hätte man sich von den Birken-Dieben in der Franz-Eugen-HuberStraße in Illertissen daher schon wünschen können. Auch wenn sie noch so dringend einen Liebesbeweis benötigten: Ihre rücksichtslose Tat hat das Ortsbild ziemlich verschandelt. Auch der Sachschaden ist beachtlich. Dass man bei der Stadt angefressen reagiert, ist nachvollziehbar. Ebenso wie der Eifer, die Täter zu finden. Hätten diese sich das vorher überlegt, hätten sie vielleicht von ihrem Tun abgesehen. Haben sie aber nicht. Jetzt geht es um die Frage: Lässt sich das Malheur beheben? Dazu rät der gesunde Menschenverstand: Die Diebe sollten sich stellen und ihre Strafe sollte im Gegenzug milde ausfallen. Vielleicht könnten sie die neuen Bäume zahlen und gleich einpflanzen. Eine romantische Vorstellung? Sicher. Aber sie könnte die schöne Idee vom Brauchtum retten. Und das Vorurteil entkräften, dass in der Mainacht vor allem Krawallmacher unterwegs sind.