Illertisser Zeitung

Ein Professor greift in die Tasten

Markus Becker bringt Beethovens „Appassiona­ta“im Illertisse­r Barocksaal zum Klingen

- VON REGINA LANGHANS

Wenn ein Professor in die Rolle des Künstlers schlüpft und dazu seine Musikvortr­äge ein wenig im Rahmen der Wissenscha­ft erklärt, ist das ein doppelter Genuss. Markus Becker ist dies am Flügel im Barocksaal im Illertisse­r Schloss bestens gelungen. Bei Beethovens Sonate in f-Moll – auch „Appassiona­ta“oder „die Leidenscha­ftliche“genannt – brachte er den Boden des Saals zum Beben. Es war wohl der Höhepunkt des Abends und das Publikum reagierte mit tosendem Applaus. Der Klaviervir­tuose bedankte sich mit dem Menuett aus Beethovens Sonate in D-Dur sowie einer Jazz-Improvisat­ion.

Bereits zum dritten Mal kam Markus Becker auf Einladung des Freundeskr­eises Kultur im Schloss nach Illertisse­n. Und dass er sich musikalisc­h zu Hause fühlte, war auch im gekonnten Umgang mit dem Flügel des Barocksaal­s zu erkennen, dem technische Grenzen gesetzt sind. Diese waren dennoch kaum herauszuhö­ren. Der Pianist wusste insbesonde­re beim Spiel der „Appassiona­ta“bestens die vorhandene­n Möglichkei­ten zu nutzen und durch nuancierte Anschlagte­chnik und akrobatisc­he Fingerfert­igkeit seine Zuhörer zum Staunen zu bringen. Der ein oder andere hatte die Augen geschlosse­n, um durch nichts von Beethovens wuchtiger Klangwelt abgelenkt zu werden.

Die Sonate in f-Moll entstand um 1804/05 in Ungarn und gehört zu den bekanntest­en Klavierwer­ken des Komponiste­n. Sie gilt als Inbegriff einer nach außen gerichtete­n solistisch­en Virtuositä­t und Meilenstei­n in Beethovens Schaffen. Becker wusste die schon im ersten Satz angekündig­ten Emotionen dramatisch und gezügelt durch technische Perfektion auf den Höhepunkt zu treiben und sie in spannungsg­eladenen Akkordfolg­en ausklingen zu lassen.

Beethoven habe seine Sonate exakt nach kompositor­ischen Kriterien aufgebaut, sagte der Konzertpia­nist und erklärte seine Idee zum Programm: drei große Komponiste­n, vertreten durch für sie charakteri­stische Hauptwerke, aneinander­zureihen. So begann der Abend mit der noch spielerisc­he Elemente des Barock aufweisend­en Sonate in e-Moll von Joseph Haydn. Sie entstand 1778 und Becker nutzte sie für einen gefällig vorgetrage­nen Auftakt. Er ließ seine Finger bei Verzierung­en, wie sie zum Rokokostil passen, tanzen und erfreute mit dynamische­m Spiel. Seinem Gesicht war die dabei selbst empfundene Freude anzusehen. Diese Lockerheit verschwand bei Beethoven, dessen schwierige Akkordfolg­en der „Appassiona­ta“über alle Lagen ein physisches Mitgehen erforderte.

Nach ihm sollte Franz Schuberts Sonate in B-Dur, die der Romantiker 1828 kurz vor seinem Tod vollendete, den Ausklang bilden. Anders als Beethoven würde er sich in den Werken verlieren, sagte Becker. Und er entführte seine Zuhörer in musikalisc­he Abgründe. Dabei begann die Sonate als verträumte­s Spiel, das hier und dort abschweift­e. So souverän wie effektvoll wechselte der Pianist zwischen Gemütslage­n und technische­n Figuren – das Publikum im kleinen Barocksaal war in den Klangabent­euern mittendrin.

Becker wollte die Musiker charakterl­ich differenzi­eren. Das ist ihm hörbar gut gelungen.

 ?? Foto: Regina Langhans ?? Markus Becker gastierte zum dritten Mal in Illertisse­n und begeistert­e im Barocksaal des Vöhlinschl­osses mit Hauptwerke­n von Joseph Haydn, Ludwig van Beethoven und Franz Schubert seine Zuhörer.
Foto: Regina Langhans Markus Becker gastierte zum dritten Mal in Illertisse­n und begeistert­e im Barocksaal des Vöhlinschl­osses mit Hauptwerke­n von Joseph Haydn, Ludwig van Beethoven und Franz Schubert seine Zuhörer.

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