Punkrock made in Vöhringen
Seit 25 Jahren tritt die Band Sick of Society in mal großen, mal kleinen Klubs auf. In ihrer Geschichte sind die vier Musiker schon viel herumgekommen
Zwei kleine Räume in einer ehemaligen Hausmeisterwohnung mitten in Vöhringen, an manchen Stellen bröckelt der Putz von der Wand. Die Mauern sind zu weiten Teilen mit Postern von Metalund Punkbands beklebt. Das sind die Proberäume der Band Sick of Society. Oliver, Falko, Steini und Chris, die nur mit ihren Spitznamen genannt werden wollen, brauchen nicht mehr. Hier leben die vier ihren Traum von der eigenen Band.
Seit 25 Jahren gibt es Sick of Society jetzt schon. Schlagzeuger Oliver ist heute der Einzige, der von der originalen Besetzung noch übrig ist. Das jüngste Mitglied, der 29-jährige Gitarrist Chris, kam erst 2016 dazu. Zusammen mit einem Klassenkameraden hatte der heute 44-jährige Oliver im Alter von 15 Jahren die Band gegründet. Anfangs spielten sie vor allem Lieder aus dem Metal- und Deathmetal-Genre. Doch mit der Zeit entwickelte sich ihr Stil mehr in Richtung Punk und schließlich zum etwas härteren, lauteren Punkrock. „Das war die einfachste Lösung“, erklärt Oliver und lacht. Denn beim Punkrock stehe nicht die musikalische Qualität im Vordergrund, sondern der Spaß am Spiel. Musikstile wie Rock oder Metal seien da wesentlich anspruchsvoller. Trotzdem sagen die vier: „Guter Sound ist uns wichtig.“Schließlich sollen die Lieder ja gut klingen. Auch das sei früher anders gewesen. „Als wir angefangen haben, war uns so etwas egal“, gesteht der Schlagzeuger.
Wie viele andere Punkrockgruppen, waren Sick of Society ihrer eigenen Aussage nach nie finanziell erfolgreich. „Die meisten deutschen Bands in dem Genre zahlen drauf“, sagt Oliver. Bei vielen Konzerten seien sie froh, wenn sie durch ihre Gagen die Reisekosten decken könnten. Geld zu verdienen sei aber auch noch nie das Ziel der vier Männer gewesen, genauso wenig wie hauptberufliche Musiker zu sein. Für die Band ist Erfolg anders definiert: „Geld spielt keine große Rolle. Wichtiger ist, dass wir uns weiterentwickeln und nicht musikalisch stagnieren“, erklärt Oliver. Deshalb hören sich ihre Alben so unterschiedlich an. Auch das Feedback der Fans sei ihnen wichtig: „Wir haben mal jemanden getroffen, der wegen uns angefangen hat, Musik zu machen“, erzählt er. „So was ist schon beeindruckend.“
Vorbilder oder Bands, zu denen sie aufsehen, hätten die vier nicht. „Eher Respekt vor deren Leistung“, sagt Bassist Steini. In seiner Freizeit höre er unterschiedliche Musikstile. „Hauptsache, es spielt eine Gitarre und es ist laut.“Gitarrist Chris gesteht sogar: „Bei mir läuft auch mal Johnny Cash.“Aber auch sonst höre er viel Unterschiedliches. Nur Mitgründer Oliver schwört voll und ganz auf Punkrock. „Ich bin da engstirnig“, sagt er.
Auf Tour gehen Sick of Society so gut wie nie. „Wir spielen meistens nur einzelne Konzerte“, sagt der 38-jährige Steini. Wenn die aber weiter weg stattfinden, würden sie schon versuchen, mehrere Auftritte am Stück zu absolvieren. So zum Beispiel am kommenden Wochenende: Dann haben die vier Männer drei Konzerte in Berlin und Bitterfeld. Meistens spiele die Gruppe jedoch in Süddeutschland. Dass die Auftritte am Wochenende stattfinden, ist kein Zufall. Denn, während sie in ihrer Freizeit wilden Punkrock machen, sind die Musiker werktags berufstätig. Trotzdem kommen sie viel herum: In sieben Ländern haben sie schon gespielt. 2016 verschlug es das Quartett, damals noch in anderer Besetzung, sogar auf eine kleine Konzertreihe nach Indonesien. „Das war die einzige Tour, die wir jemals gespielt haben“, sagt Oliver.
In ihren Liedern geht es – wie im Genre üblich – vor allem um Politik und Missstände in der Gesellschaft. Sie beklagen Dinge wie Kapitalismus, Fremdenhass oder auch Religion. Aber auch private Erlebnisse und Alltägliches spielen eine wichtige Rolle. Im Februar erschien ihr jüngstes Album „Perlen vor die Säue“. Darin wird ihre politische Haltung besonders deutlich. „Wir wollten uns klar positionieren und unsere Meinung darstellen“, sagt Gitarrist Chris.
Ihre Texte untermalen die vier mit lauten, verzerrten Gitarren und antreibend klingendem Schlagzeug. Wer die Musikrichtung kennt, wird in ihren Liedern auch Einflüsse amerikanischer Punkrockbands wie Bad Religion oder NOFX hören. Oft orientieren sie sich aber auch an anderen Stilen, wie Rock und Metal. Einen strengen musikalischen Plan verfolgt die Band dabei nicht. „Wir machen das, worauf wir eben grade Bock haben“, erklärt Oliver. Dadurch entsteht ein ganz eigener Stil.
Pläne für ein neues Album haben die vier ihrer eigenen Aussage nach noch nicht. „Dafür aber schon einige Lieder.“Eine neue CD gebe es erst wieder in drei bis vier Jahren. Das wird dann auch die erste Platte, auf der die Band in ihrer jetzigen Konstellation zu hören sein wird. „Das wird eine spannende Sache“, sagt Oliver.
Erfolg definieren die vier nicht über Geld