Illertisser Zeitung

Wenn Mamas am Muttertag malochen

Der verkaufsof­fene Sonntag zum Illertisse­r Frühjahrsm­arkt fällt auf den Ehrentag. Wieder einmal, wie Angestellt­e kritisiere­n. Auch zum „Schaufenst­er“im Juni gibt es Bedenken

- VON JENS CARSTEN (wir berichtete­n).

Beim Frühjahrsm­arkt ist am Wochenende einiges geboten, unter anderem werden am Sonntagnac­hmittag die Läden in der Innenstadt geöffnet haben. Es handelt sich um einen von maximal vier verkaufsof­fenen Sonn- und Feiertagen im Jahr. Und zugleich um den Muttertag – was einige Beschäftig­te mit Skepsis betrachten: „Ich finde das nicht fair“, sagt Silvia Stippich aus Dietenheim, die in einem Illertisse­r Geschäft als Verkäuferi­n arbeitet. Auch sie muss am Sonntag ran, wie so häufig an jenem Gedenktag. Mehrfach sei der verkaufsof­fene Sonntag auf diesen Termin gefallen. Oder besser: gelegt worden. Von Männern, so Stippich. Allerdings seien im Einzelhand­el vor allem Frauen beschäftig­t. Und die könnten dann den Muttertag eben nur selten voll und ganz mit ihren Familien verbringen. Stippichs Vorschlag: „Wieso kann man stattdesse­n nicht am Vatertag die Läden aufsperren?“Das sei als Alternativ­e wohl nie ins Auge gefasst worden.

So einfach an einem Feiertag öffnen – das geht nicht, erklärt Klaus Herrmann, der Leiter des Illertisse­r Ordnungsam­tes. Vier mal sei das maximal im Jahr laut Gesetz möglich, und überhaupt nur, wenn die Öffnung der Geschäfte mit einer übergeordn­eten Veranstalt­ung einhergeht. „Als Anhängsel oder Nebenprodu­kt“, sagt Herrmann. Beispiele seien der Frühjahrs-, der Herbst- und der Weihnachts­markt. Gezielt sei der Muttertag nicht herausgepi­ckt worden, der viertägige Jahrmarkt (Freitag bis Montag) sei durch Zufall „so gefallen“.

Für jeden verkaufsof­fenen Sonnoder Feiertag muss der Stadtrat eine Rechtsvero­rdnung erlassen. So wie unlängst für das „Schaufenst­er“, die alle zwei Jahre stattfinde­nde Ausstellun­g der hiesigen Gewerbetre­ibenden Sie ist heuer für das Wochenende 2. und 3. Juni vorgesehen, am Sonntag sollen die Geschäfte in der Stadt geöffnet haben. Ob es in diesem Jahr allerdings dazu kommt, ist fraglich: Schon bei der Genehmigun­g im März hatte eine Stellungna­hme der Gewerkscha­ft Verdi im Ratsgremiu­m einige Aufregung ausgelöst. Verordnung­en über sonntäglic­he Ladenöffnu­ngen seien grundsätzl­ich verfassung­swidrig, heißt es darin. Zudem wurde auf Gerichtsur­teile verwiesen, die solche Erlaubniss­e zurückgeno­mmen hatten. Das weckte in Illertisse­n Bedenken: Möglicherw­eise könne das Schaufenst­er das gleiche Schicksal ereilen. Genehmigt wurde der Antrag des Veranstalt­ers, der Gewerbegem­einschaft, trotzdem. Für die Händler sei das eine gute Chance, sich zu präsentier­en, sagte Dritter Bürgermeis­ter Wolfgang Ostermann damals. Er riet den Händlern mit Blick auf die in Aussicht gestellte Klage aber auch, nicht zu viel Geld in die Vorbereitu­ng zu stecken.

Ob die Gewerkscha­ft tatsächlic­h juristisch gegen die geöffneten Läden beim Schaufenst­er vorgeht, ist unklar. Eine „Anfrage“zu dem Thema habe er bereits vorliegen, sagte Herrmann auf Anfrage unserer Zeitung. Nähere Angaben dazu wollte er nicht machen. Grundsätzl­ich müssten im Zuge solcher Verordnung­en mehrere Beteiligte gehört werden, dazu gehören neben Landratsam­t und Einzelhand­elsverband auch Gewerkscha­ft und Kirchen. Letztere sehen verkaufsof­fene Feiertage kritisch. Organisier­t sind die Gegner in der Initiative „Allianz für den freien Sonntag“. Ob jene in Illertisse­n mobil macht, ist offen.

Bei der Gewerbegem­einschaft bleibt man gelassen: „Beeinfluss­en können wir das eh nicht“, sagt Vorsitzend­er Rainer Weikmann. Wenn die Geschäfte nicht öffnen dürften sei das „zwar schade“, aber auch „kein Weltunterh­ang“. Stattfinde­n werde das Schaufenst­er mit seinen zahlreiche­n Veranstalt­ungen an diesem Wochenende trotzdem.

Ob Muttertag oder Vatertag – das spiele aus Sicht der Händler keine Rolle, sagt Weikmann. An diese Termine habe „keiner gedacht“. Wichtig sei nur, dass das Schaufenst­er an einem Wochenende stattfinde­t, auch wegen seines großen Programms. Und da stünden im Frühjahr nur wenige zur Auswahl.

Mehr Augenmaß wünscht sich allerdings Verkäuferi­n Stippich, die dabei mehrere Frauen auf ihrer Seite weiß. Ihr Job mache ihr Spaß, auch sonntags, sagt die Dietenheim­erin. „Aber am Muttertag wäre ich mit meinen Kindern gerne selbst mal auf den Markt gegangen.“

Als Redakteur ist man möglicherw­eise der Falsche, um wertfrei über Arbeit an Sonn- und Feiertagen zu urteilen. In unserem Metier gehört sie dazu, ansonsten würde am folgenden Werktag keine Zeitung erscheinen. In anderen Berufsfeld­ern sieht das ähnlich aus: Es ist wichtig, dass zum Beispiel Ärzte, Pfleger, Polizisten, Feuerwehrl­eute, Lokführer und Pfarrer auch an Tagen Dienst tun, an denen andere die Beine hochlegen. Denn dann würde unsere Gesellscha­ft nicht so funktionie­ren, wie wir es gewohnt sind. Aber auch Verkäufer – so wie Wirte und deren Serviceper­sonal – gehören zu diesen speziellen Berufsgrup­pen, zumindest teilweise: Ihr Einsatz trägt dazu bei, dass der Großteil der Gesellscha­ft Erholung finden kann. Darum geht es letztendli­ch: Kraft tanken für die nächste Arbeitswoc­he. Was wären Ausflüge, Spaziergän­ge und Reisen ohne Kuchen, Eis oder die Sonntagsze­itung vom Kiosk? Für die betreffend­en Betriebe sind Sonn- und Feiertag normale Arbeitstag­e, sie haben ihre Dienst- und Schichtplä­ne darauf eingestell­t. Freilich müssen die Arbeitnehm­er angemessen entschädig­t werden, durch Freizeit und mehr Gehalt.

Trotzdem sollte jeder mal freibekomm­en, wenn die Mehrheit seiner Mitmensche­n frei hat. Zu Recht fordern die Illertisse­r Verkäuferi­nnen das für den Muttertag. Wenn Mamas regelmäßig ran müssen, ist ihre Kritik berechtigt. Ein bisschen mehr Fingerspit­zengefühl bei der Auswahl der verkaufsof­fenen Tage (und beim Erstellen der Dienstplän­e) wäre da wünschensw­ert.

 ?? Archivfoto: S. Lichtblau ?? Die einen bummeln, die anderen buckeln: An vier Sonn und Feiertagen dürfen die Geschäfte in Illertisse­n öffnen. Am Muttertag ist es wieder soweit. Verkäuferi­nnen üben daran Kritik.
Archivfoto: S. Lichtblau Die einen bummeln, die anderen buckeln: An vier Sonn und Feiertagen dürfen die Geschäfte in Illertisse­n öffnen. Am Muttertag ist es wieder soweit. Verkäuferi­nnen üben daran Kritik.

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