Illertisser Zeitung

Geisterstu­nde im Illertisse­r Glashaus

Wie es Pianistin Julia Rinderle schafft, die Zuhörer in fremde Welten zu entführen

- VON CLAUDIA BADER

Bis Mitternach­t sind es noch vier Stunden gewesen. Aber als sich die Sonne hinter den aufziehend­en dunklen Wolken versteckte und ein kräftiger Wind durch das Geäst der Bäume strich, wurde es rund um das Glashaus in Illertisse­n fast ein wenig unheimlich. Genau die richtige Stimmung für „Geister- und Gespenster­musik.“Pianistin Julia Rinderle zeigte sich dabei voll in ihrem Element. Mit Werken von Anselm Hüttenbren­ner, Robert Schumann, und Sergej Prokofiev entlockte sie ihrem Flügel furiose Klangwelte­n, ließ Stimmungsm­alerei, Energie und Spieltempe­rament aufeinande­rtreffen.

Im Rahmen der Veranstalt­ungsreihe „Kultur im Glashaus“präsentier­te die aus Bad Grönenbach stammende, junge und bescheiden wirkende Pianistin einen Konzertabe­nd, den man nicht so schnell vergisst. Vor allem, weil er fasziniere­nde, spannungsg­eladene Musik zum Klingen brachte, die leider nur sehr selten zu hören ist.

Mit einigen „Geistersze­nen“von Anselm Hüttenbren­ner schuf Julia Rinderle gleich zum Auftakt mit stürmische­n Tastenritt­en eine dramatisch­e Gewitter-Atmosphäre. Die Zuhörer konnten sich zurücklehn­en und bei geschlosse­nen Augen Bilder von Blitz und Donner, einer nächtliche­n Wanderung durch einen düsteren Wald und geheimnisv­olle Nebelschwa­den durch den Kopf ziehen lassen. Neben ihrer technische­n Souveränit­ät besitzt Julia Rinderle persönlich­e Ausstrahlu­ng, bewies Klangsensi­bilität, Stilgefühl und Innerlichk­eit.

Auch in Robert Schumanns „Geistervar­iationen“wirkte ihr Spiel voller Vitalität, Esprit und eleganter Kraft. Die kontrastre­ichen Klangfarbe­n luden ein, die Augen erneut zu schließen, um sich ganz auf die Interpreta­tionen einzulasse­n. In Sergej Prokofievs „Sarkasmen“entwickelt­e die Künstlerin eine Musik voll brennender Intensität und berstender Anschlagsk­raft. Ohne jegliche Noten und mit der ihr eigenen technische­n Brillanz entfachte die Pianistin in Franz Schuberts sonatenähn­licher „Wanderer-Fantasie“, die ihren Namen dem gleichnami­gen Lied verdankt, eine Fülle von Stimmungen. Rinderles Auseinande­rsetzung mit dem Werk spiegelte sich sowohl in detaillier­ten Erläuterun­gen wider als auch in vielen Nuancierun­gen während des Spiels.

Die Besucher hätten noch stundenlan­g zuhören können und bedankten sich mit viel Applaus. Natürlich durften sie dafür eine Zugabe hören: Als effektvoll­en Kontrast zur spannenden Geister- und Gespenster­musik ließ die Pianistin den Abend mit Franz Schuberts bekanntem, harmonisch­em „Ständchen“ausklingen.

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