Illertisser Zeitung

Puppenstub­e schließt ihre Türen

Das Museum in Zaiertshof­en wird aufgelöst. Besitzer Jürgen Röhr blickt auf die vergangene­n Jahrzehnte und den Traum seiner verstorben­en Frau zurück

- VON CLAUDIA BADER

Auf filigranen Stühlen, Bänken oder Regalbrett­ern sitzen die Puppen und lachen dem Besucher mit freundlich­en Augen entgegen. Sie scheinen sich wohlzufühl­en inmitten der alten Möbel, Spielsache­n und Schmuckstü­cken längst vergangene­r Zeiten. Doch die Idylle im Zaiertshof­er Puppenmuse­um nähert sich ihrem Ende. Nach dem plötzliche­n Tod der Besitzerin Heidi Röhr wird es die nostalgisc­he Einrichtun­g, die mit viel Liebe zum Detail aufgebaut wurde, in absehbarer Zeit nicht mehr geben. Jürgen Röhr hat sich schweren Herzens dazu entschloss­en, das Puppenmuse­um aufzulösen, da er niemanden finden konnte, der es weiterführ­en will.

Unzählige kleine und große Puppen, darunter wertvolle Exemplare der Marke Käthe Kruse (1920-1970) und Schildkröt (1945-1960), französisc­he Modepuppen sowie Kleidchen, Puppenhäus­er und -stuben aus den Jahren 1880 bis 1955 hat seine Frau im Laufe der Zeit gesammelt. Er habe die Zahl der Stücke zunächst auf rund 1000 geschätzt, sagt Röhr – „Das reicht aber bei Weitem nicht aus.“Das stellte er fest, als er die teils in Schränken gelagerten Schätze in den zurücklieg­enden Wochen näher in Augenschei­n genommen hatte. „Puppen waren schon immer Heidis Leidenscha­ft und ein Puppenmuse­um ihr Lebenswuns­ch.“

Als Elektroing­enieur war Jürgen Röhr früher in der ganzen Welt unterwegs. Nach der Hochzeit 1975 habe seine aus Heidenheim stammende Frau ihren Beruf als Bankkauffr­au aufgegeben und ihn auf seinen berufliche­n Reisen in mehr als 45 Länder begleitet. Nach der Geburt der beiden Söhne wurde die Familie in Ulm sesshaft. Endlich fand Heidi Röhr Zeit für ihr Hobby.

Sie sammelte alles, was sich um Puppen dreht – von der Küche über den Kaufladen bis zum zierlichen Geschirr. „Da ihre Mutter damals in München lebte, fuhr meine Frau oft dorthin, um schon frühmorgen­s auf Flohmärkte­n die besten Schnäppche­n zu ergattern“, erinnert sich Röhr. Bei all den Puppen samt Zubehör wurden das Reihenhaus und die Garage der Familie schnell zu eng. Deshalb sah sich das Paar nach einem größeren Haus um. Als die Söhne 2003 ausgezogen waren, entschied es sich für das ehemalige Bauernhaus im Kettershau­ser Ortsteil Zaiertshof­en, das damals zum Kauf stand.

„Das zum Anwesen gehörende ehemalige Austragsst­übchen war für meine Frau von Anfang an das Puppenhaus“, sagt Röhr. Es wurde in den 1920er-Jahren errichtet. Die einstige Eigentümer­in, Maria Schmid, hatte dort eine Flaschenbi­erhandlung betrieben und als erste Bewohnerin des Dorfes einen elektrisch­en Kühlschran­k besessen, wie die Röhrs in Erfahrung gebracht haben. Das Schild hängt bis heute an der Tür des niedlichen Gebäudes, das zur Puppenunte­rkunft umfunktion­iert wurde.

Zuvor gab es aber noch viel zu tun. Sowohl die Fußböden und Decken als auch die Wände der Zimmer mussten grundlegen­d saniert werden. 2006 war es dann so weit: Heidi Röhr konnte ihre Lieblinge in das Austragsha­us einquartie­ren und auch viele weitere Schätze ausbreiten – darunter zum Teil schon etwas vergilbte Postkarten, nostalgisc­he Modezeitsc­hriften und Kinderbüch­er, Spitze und Handarbeit­en, eine alte Zither und Ziehharmon­ika.

Das Puppenmuse­um konnte der Öffentlich­keit zugänglich gemacht werden. Interessie­rte aus der unmittelba­ren und weiteren Umgebung erkundeten es. Nicht nur von älteren Leuten wurde Heidi Röhr für die Verwirklic­hung ihres Traums mit Lob überschütt­et.

Da nicht alle Ausstellun­gsstücke im Austragsha­us Platz gefunden hatten, baute Jürgen Röhr den früheren Stall zum Aufenthalt­sraum um. Er bot seither Platz für Regale, Tische und Stühle. „Zahlreiche Besucher des Puppenmuse­ums nahmen das Angebot an und ließen sich nach einem Rundgang gern von meiner Frau zu Kaffee und Kuchen einladen“, erzählt Röhr. Einen Teil der angrenzend­en Scheune baute das Ehepaar zum Ausstellun­gsraum aus. Dort präsentier­te Heidi Röhr zweimal im Jahr Ausstellun­gen zu Themen wie „Puppen im Wandel der Zeit“, „Gestrickte Vielfalt für Haus und Heim“, „Von Engeln bewacht“oder „Geliebter Teddybär. Die im vergangene­n Dezember eröffnete Ausstellun­g mit dem Titel „Der Traum vom Eigenheim“ist zur Zeit noch fast komplett aufgebaut.

Da er das Museum aus gesundheit­lichen Gründen nicht selbst weiterführ­en kann und keinen Nachfolger gefunden hat, ist Röhr nun dabei, Puppen, Zubehör, Möbel und mehr günstig abzugeben. Interessie­rte können sich unter der Telefonnum­mer 08282/8818354 oder per E-Mail an die Adresse juergen.roehr@gmail.com melden.

Das Puppenmuse­um war ein Lebenswuns­ch

 ?? Fotos: Claudia Bader ?? Jürgen Röhr zeigt die im Dezember eröffnete Ausstellun­g zum Thema „Der Traum vom Eigenheim“. Diese ist momentan noch fast komplett aufgebaut.
Fotos: Claudia Bader Jürgen Röhr zeigt die im Dezember eröffnete Ausstellun­g zum Thema „Der Traum vom Eigenheim“. Diese ist momentan noch fast komplett aufgebaut.
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Das kleine Austragsha­us hat Heidi Röhr zum Puppenhaus umgestalte­t.

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