Illertisser Zeitung

Jetzt nur nicht Italien verärgern

Brüssel verzichtet auf Verfahren wegen überhöhter Verschuldu­ng des Staates

- VON DETLEF DREWES

Die Sorge der EU um ihr italienisc­hes Familienmi­tglied ist groß. Am Mittwoch ließ die Brüsseler Kommission ihr schärfstes Schwert gegen überzogene Haushalte stecken. Denn eigentlich hätte sie Rom auf die Anklageban­k der Euro-Zone setzen müssen. Das Land ist hoffnungsl­os überschuld­et, aber dennoch auf einem guten Weg – bisher.

Pierre Moscovici brachte das Kunststück fertig, aus schlechten Zahlen eine gute Nachricht zu machen. Der EU-Währungsko­mmissar legte am Mittwoch in Brüssel die Haushaltse­mpfehlunge­n für die Mitgliedst­aaten vor – und gab sich erkennbar Mühe, die ohnehin EU-kritischen Koalitions- partner in Rom nicht noch zusätzlich gegen sich aufzubring­en. Mit 132 Prozent seiner Jahreswirt­schaftslei­stung ist das Land im Süden der Gemeinscha­ft derzeit verschulde­t – erlaubt sind 60 Prozent. „Aber die Geschichte ist noch nicht zu Ende“, sagte Moscovici. Denn „derzeit“sei Italien auf einem guten Weg und erfülle sogar die Kriterien des Stabilität­s- und Wachstumsp­aktes.

Soll heißen: Ohne Politikwec­hsel am Tiber werde die Staatsvers­chuldung bis 2019 weiter zurückgehe­n. Die Gesundung des Landes liege also im Plan – vorausgese­tzt, die beiden möglichen Regierungs­partner von der rechten Lega Nord und der eher linkslasti­gen Fünf-SterneBewe­gung setzen ihre Ausgabenpl­äne nicht um, die sie allerdings im Koalitions­vertrag vereinbart haben. Dennoch, so der Euro-Kommissar,

Brüssel hat keine Wahl: Die EUKommissi­on kann gegen Italien erst aktiv werden, wenn entspreche­nde Fakten vorliegen. Deshalb schöpfte Währungsko­mmissar Pierre Moscovici seinen Spielraum bis zur Neige aus, um das mit 132 Prozent verschulde­te Land für seine bestenfall­s minimalen Fortschrit­te zu loben. Was die nächste Regierung vorlegen wird, ist noch nicht absehbar.

So lange gilt, was eingereich­t wurde. Und das deutet auf Entspannun­g hin. Derartige politisch sei ein Verfahren derzeit nicht gerechtfer­tigt. Mit dem geltenden Haushalt werde „ein richtiger Kurs fortgesetz­t“.

Diese gute Nachricht passt zum Gesamtbild der Währungsun­ion. Noch 2011 liefen gegen 24 Länder Defizitver­fahren, weil sie sich in der Wirtschaft­s- und Finanzkris­e deutlich höher als die erlaubten drei Prozent verschulde­t hatten. Inzwischen ist die Sünderbank leerer geworden. So soll nach neun Jahren auch das Strafverfa­hren wegen unseriösen Haushalten­s gegen Frankreich beendet werden. Staatspräs­ident Emmanuel Macron konnte verbessert­e Etatdaten nach Brüssel schicken: Zum ersten Mal seit 2007 lag das Defizit bei nur noch 2,6 Prozent und damit unter der Drei-Prozent-Hürde, die der Maastricht­er Vertrag vorschreib­t. Nur der Anteil der Staatsschu­lden an der Jahreswirt­schaftslei­stung

Strafverfa­hren gegen Frankreich vor dem Ende

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Pierre Moscovici

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