Datenschützer wider Willen
Ab Freitag gilt die neue Grundverordnung der EU. Nicht nur für Firmen hat sie Auswirkungen – sie stellt auch Vereine vor Probleme. In der Region ist der Ärger groß
Morgen tritt die neue Datenschutz-Grundverordnung (kurz: DSGVO) der EU in Kraft. Die Richtlinien betreffen nicht nur Firmen und Behörden – auch Vereine müssen einiges verändern. Deren Vertreter sind alles andere als begeistert, das ergab eine Umfrage im Landkreis Neu-Ulm.
Vor allem eine Neuerung stellt die Ehrenamtlichen vor Probleme: der nun zu besetzende Posten des Datenschutzbeauftragten. Der soll sich in Zukunft um die Verarbeitung von Personendaten kümmern. Einige Vereinsvertreter sind jedoch unsicher, ob sie dafür jemanden finden. So wächst etwa beim SC Vöhringen die Sorge: „Wir wollen, dass ein Vereinsmitglied diese Arbeit übernimmt, aber bisher hat sich niemand gemeldet“, sagt Geschäftsstellenleiter Dominik Bamboschek. Ein Externer sei, „wenn überhaupt, nur eine Notlösung“. Fest stehe aber, dass der Posten im 3000 Mitglieder starken Verein besetzt werden muss. Denn der habe durch das Fitnessstudio auch sensible Daten gesammelt, zum Beispiel zu den Krankheiten von Mitgliedern.
Andere Vereine scheinen in dieser Hinsicht mehr Glück zu haben. So ist man sich beim ASV Bellenberg sicher: „Ein Datenschutzbeauftragter kommt nicht infrage.“Das sagt zumindest der stellvertretende Vorsitzende Hilmar Müller. Die ersten Schritte, um sich der neuen Rechtslage anzupassen, habe der Verein bereits unternommen: „Wir haben zuerst einmal die Aufnahmeanträge angepasst.“Als Nächstes müssten die mehr als 900 Mitglieder schriftlich einwilligen, dass ihre Daten gespeichert werden. Viele Dinge seien laut Müller dennoch unklar. Für ihn steht fest: „Solche Regelungen ruinieren das Ehrenamt. Wer soll denn da noch durchblicken?“Dem Verein falle es ohnehin schon schwer, einen neuen Vorsitzenden zu finden. Denn den gebe es schon seit Längerem nicht mehr. „Durch solche Gesetze wird die Suche für uns nicht leichter.“
Es gibt mehrere Vereinsfunktionäre wie Hilmar Müller, die vor allem bemängeln, dass sie nur wenig über die Verordnung wüssten. Seminare und Vorträge von Dachverbänden gebe es zwar – aber welche Auswirkungen konkret auf die Vereine zukämen, bleibe unklar. Auch vonseiten des Landratsamtes gibt es zur DSGVO wenig zu erfahren. Pressesprecher Jürgen Bigelmayr erklärt auf Nachfrage, dass man gemeinsam mit einer Freiwilligenagentur Seminare geplant habe, um die Vereine zu unterstützen. Mehr sei aber bisher nicht passiert. Eine Umfrage bei den Gemeinden im Landkreis, ob Klärungsbedarf besteht, habe nicht viel ergeben. „Das Thema ist bei uns noch ziemlich jungfräulich“, sagt Bigelmayr.
Vereine wie der ASV Bellenberg behelfen sich mit Übergangslösungen, andere tun es ihnen gleich: Bei der Schwabenbühne in Illertissen geht es laut Vorsitzendem Dirk Tiefenbach vor allem darum, die Webseite „gegen Angriffe von außen“zu schützen. „Wir haben kein Kontaktformular, keinen Newsletter und auch keine Facebook-Buttons mehr auf der Homepage“, sagt Tiefenbach. So wolle man mögliche Abmahnungswellen von Juristen umgehen. Der Vorsitzende des 138 Mitglieder starken Vereins vermutet: „Bei den Anwälten herrscht jetzt sicher Goldgräberstimmung.“Er befürchtet, dass viele Kanzleien jetzt auf der Suche nach Regelverstößen sind – und gegebenenfalls klagen. Auch Tiefenbach glaubt, dass die Verordnung das Ehrenamt unattraktiver macht. Und: „Das ist unnötiger Mehraufwand.“Im Moment sei er zu beschäftigt, um sich um die Umsetzung der DSGVO zu kümmern. „Ich habe eine Tribüne zu bauen. Für so einen Blödsinn habe ich keine Zeit.“Die neuen Bezwar stimmungen umzusetzen, sei „so lästig wie eine Steuererklärung“.
Beim TSV Babenhausen sucht man derweil einen Datenschutzbeauftragten: „Wo wir den finden, wissen wir aber auch nicht“, sagt Präsident Martin Gleich. Die Maßnahmen seien überzogen, er vergleicht sie mit einem „Zirkus“. Deshalb hat er sich einer Online-Petition angeschlossen, die vom bayerischen Blasmusikverband ins Leben gerufen wurde. Sie wolle die Richtlinien für Vereine lockern. Ob das Erfolg hat, ist noch offen. Bisher hat die Petition erst 4400 Unterstützer. Viele weitere müssten noch dazukommen, damit sie deutschlandweit Beachtung findet.