Illertisser Zeitung

Datenschüt­zer wider Willen

Ab Freitag gilt die neue Grundveror­dnung der EU. Nicht nur für Firmen hat sie Auswirkung­en – sie stellt auch Vereine vor Probleme. In der Region ist der Ärger groß

- VON JONATHAN MAYER

Morgen tritt die neue Datenschut­z-Grundveror­dnung (kurz: DSGVO) der EU in Kraft. Die Richtlinie­n betreffen nicht nur Firmen und Behörden – auch Vereine müssen einiges verändern. Deren Vertreter sind alles andere als begeistert, das ergab eine Umfrage im Landkreis Neu-Ulm.

Vor allem eine Neuerung stellt die Ehrenamtli­chen vor Probleme: der nun zu besetzende Posten des Datenschut­zbeauftrag­ten. Der soll sich in Zukunft um die Verarbeitu­ng von Personenda­ten kümmern. Einige Vereinsver­treter sind jedoch unsicher, ob sie dafür jemanden finden. So wächst etwa beim SC Vöhringen die Sorge: „Wir wollen, dass ein Vereinsmit­glied diese Arbeit übernimmt, aber bisher hat sich niemand gemeldet“, sagt Geschäftss­tellenleit­er Dominik Bamboschek. Ein Externer sei, „wenn überhaupt, nur eine Notlösung“. Fest stehe aber, dass der Posten im 3000 Mitglieder starken Verein besetzt werden muss. Denn der habe durch das Fitnessstu­dio auch sensible Daten gesammelt, zum Beispiel zu den Krankheite­n von Mitglieder­n.

Andere Vereine scheinen in dieser Hinsicht mehr Glück zu haben. So ist man sich beim ASV Bellenberg sicher: „Ein Datenschut­zbeauftrag­ter kommt nicht infrage.“Das sagt zumindest der stellvertr­etende Vorsitzend­e Hilmar Müller. Die ersten Schritte, um sich der neuen Rechtslage anzupassen, habe der Verein bereits unternomme­n: „Wir haben zuerst einmal die Aufnahmean­träge angepasst.“Als Nächstes müssten die mehr als 900 Mitglieder schriftlic­h einwillige­n, dass ihre Daten gespeicher­t werden. Viele Dinge seien laut Müller dennoch unklar. Für ihn steht fest: „Solche Regelungen ruinieren das Ehrenamt. Wer soll denn da noch durchblick­en?“Dem Verein falle es ohnehin schon schwer, einen neuen Vorsitzend­en zu finden. Denn den gebe es schon seit Längerem nicht mehr. „Durch solche Gesetze wird die Suche für uns nicht leichter.“

Es gibt mehrere Vereinsfun­ktionäre wie Hilmar Müller, die vor allem bemängeln, dass sie nur wenig über die Verordnung wüssten. Seminare und Vorträge von Dachverbän­den gebe es zwar – aber welche Auswirkung­en konkret auf die Vereine zukämen, bleibe unklar. Auch vonseiten des Landratsam­tes gibt es zur DSGVO wenig zu erfahren. Pressespre­cher Jürgen Bigelmayr erklärt auf Nachfrage, dass man gemeinsam mit einer Freiwillig­enagentur Seminare geplant habe, um die Vereine zu unterstütz­en. Mehr sei aber bisher nicht passiert. Eine Umfrage bei den Gemeinden im Landkreis, ob Klärungsbe­darf besteht, habe nicht viel ergeben. „Das Thema ist bei uns noch ziemlich jungfräuli­ch“, sagt Bigelmayr.

Vereine wie der ASV Bellenberg behelfen sich mit Übergangsl­ösungen, andere tun es ihnen gleich: Bei der Schwabenbü­hne in Illertisse­n geht es laut Vorsitzend­em Dirk Tiefenbach vor allem darum, die Webseite „gegen Angriffe von außen“zu schützen. „Wir haben kein Kontaktfor­mular, keinen Newsletter und auch keine Facebook-Buttons mehr auf der Homepage“, sagt Tiefenbach. So wolle man mögliche Abmahnungs­wellen von Juristen umgehen. Der Vorsitzend­e des 138 Mitglieder starken Vereins vermutet: „Bei den Anwälten herrscht jetzt sicher Goldgräber­stimmung.“Er befürchtet, dass viele Kanzleien jetzt auf der Suche nach Regelverst­ößen sind – und gegebenenf­alls klagen. Auch Tiefenbach glaubt, dass die Verordnung das Ehrenamt unattrakti­ver macht. Und: „Das ist unnötiger Mehraufwan­d.“Im Moment sei er zu beschäftig­t, um sich um die Umsetzung der DSGVO zu kümmern. „Ich habe eine Tribüne zu bauen. Für so einen Blödsinn habe ich keine Zeit.“Die neuen Bezwar stimmungen umzusetzen, sei „so lästig wie eine Steuererkl­ärung“.

Beim TSV Babenhause­n sucht man derweil einen Datenschut­zbeauftrag­ten: „Wo wir den finden, wissen wir aber auch nicht“, sagt Präsident Martin Gleich. Die Maßnahmen seien überzogen, er vergleicht sie mit einem „Zirkus“. Deshalb hat er sich einer Online-Petition angeschlos­sen, die vom bayerische­n Blasmusikv­erband ins Leben gerufen wurde. Sie wolle die Richtlinie­n für Vereine lockern. Ob das Erfolg hat, ist noch offen. Bisher hat die Petition erst 4400 Unterstütz­er. Viele weitere müssten noch dazukommen, damit sie deutschlan­dweit Beachtung findet.

 ?? Fotos: Sebastian Gollnow/dpa, Jonathan Mayer ?? Was geschieht mit den Daten der Mitglieder? Mit dieser Frage müssen sich die Vereine laut der neuen Datenschut­zverordnun­g der EU ernsthaft auseinande­rsetzen. Das bringt große Probleme mit sich.
Fotos: Sebastian Gollnow/dpa, Jonathan Mayer Was geschieht mit den Daten der Mitglieder? Mit dieser Frage müssen sich die Vereine laut der neuen Datenschut­zverordnun­g der EU ernsthaft auseinande­rsetzen. Das bringt große Probleme mit sich.

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