Illertisser Zeitung

Ist das Käse oder doch nur ein Imitat?

Hinter komplizier­ten Bezeichnun­gen auf der Verpackung verbergen sich häufig Ersatzprod­ukte. Wie man sie erkennt und warum in Frischkäse manchmal sogar Gelatine steckt

- VON GALINA BAUER

Wer im Supermarkt aufmerksam die Aufschrift­en auf den Lebensmitt­elverpacku­ngen liest, der hat Imitate beziehungs­weise Ersatzprod­ukte schon gesehen. Nur hat er sie vielleicht nicht sofort erkannt, weil darauf nicht prominent „Imitat“steht. Hersteller bringen solche Produkte auf den Markt, weil sie günstiger produziert werden können. Deshalb haben diese Lebensmitt­el einen schlechten Ruf. Aber ist dieser gerechtfer­tigt? Und ab wann ist ein Imitat überhaupt ein Imitat? Wir verraten die Tricks und Kniffe der Hersteller.

Was ist ein Imitat?

Was im Volksmund salopp als Imitat bezeichnet wird, heißt laut Lebensmitt­elrecht „nachgemach­tes Lebensmitt­el“. Zwar sei die dazugehöri­ge Verordnung sehr allgemein gefasst, erklärt Anja Schwengel-Exner von der Verbrauche­rzentrale Bayern, einige feste Kriterien müsse das Ersatzprod­ukt dennoch erfüllen. Erstens: Bevor eine Kopie hergestell­t werden kann, muss ein Original-Lebensmitt­el existieren. Zweitens: Mindestens eine Zutat ist durch eine andere ersetzt worden. Drittens: Das Ersatzprod­ukt muss deutlich als solches gekennzeic­hnet sein – sowohl auf Lebensmitt­elpackunge­n im Supermarkt als auch auf Speisekart­en im Restaurant.

Warum gibt es überhaupt Imitate?

„Ersatzprod­ukte sind in der Herstellun­g und Produktion meist billiger“, sagt die Ernährungs­expertin. Daneben entstünden Imitate, wenn das Originalpr­odukt nicht mehr ausreichen­d hergestell­t werden könne. Im 19. Jahrhunder­t war das bei Butter so. Als Ersatz kam die Margarine auf den Markt. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Kaffee Mangelware, weshalb die Menschen sich mit Kaffeepulv­er aus Eicheln oder Malz behalfen – auch bekannt als Malzkaffee oder Caro-Kaffee. Ob neue Imitate aufgrund von Essenstren­ds wie zum Beispiel veganer und glutenfrei­er Ernährung entstehen? SchwengelE­xner kann das nicht bestätigen: „Analogkäse gab es schon vor der Welle veganer Ernährung.“Und trotzdem: Wenn Verbrauche­r diese Lebensmitt­el nicht kaufen würden, gäbe es auch keine Imitate, sagt die Expertin.

Von welchen Lebensmitt­eln gibt es Imitate?

Schinken-, Käse- und GarnelenIm­itate kommen sehr häufig vor. Sie alle finden sich in Gastronomi­e und Supermärkt­en gleicherma­ßen. Zu Käse- und Schinkener­satzproduk­ten sagen viele Analogkäse und Formschink­en. Auch Hobbybäcke­r begegnen Imitaten oft. Als Alternativ­e zu einer Vanillesch­ote wird das günstigere Vanillin verwendet. Das Ersatzprod­ukt für Marzipan ist Persipan. Anstatt aus Mandeln besteht Persipan aus günstigere­n Pfirsichod­er Aprikosenk­ernen.

Woran erkenne ich Imitate?

Seit Dezember 2014 gilt die sogenannte Lebensmitt­elinformat­ionsverord­nung. Alle Mitglieder der Europäisch­en Union sind seitdem verpflicht­et, Angaben zu Nährstoffe­n, der Produkther­kunft und Allergenen zu machen. Auch Imitate müssen deutlicher gekennzeic­hnet werden. Drei Beispiele: Als Käse dürfen ausschließ­lich Produkte bezeichnet werden, die aus Milch hergestell­t werden. Somit lautet die korrekte Bezeichnun­g für eine Semmel mit Analogkäse „Brötchen mit Backbelag aus einem Erzeugnis aus Pflanzenfe­tt“. Ein Schinken-Imitat wird aus Fleischstü­cken zusammenge­klebt. Es hat einen Fleischant­eil von 60 Prozent, der Rest des Produkts sind Wasser, Binde-, Gelier-, und Verdickung­smittel. Dieses Ersatzprod­ukt trägt die Zusatzbeze­ichnung: „Aus Fleischstü­cken zusammenge­klebt.“Nachgemach­te Garnelen sehen zwar aus wie Meeresfrüc­hte, sind aber nichts anderes als ein geformter, orange gefärbter und aromatisie­rter Fischbrei, der Surimi genannt wird.

Sind Imitate damit deutlich genug gekennzeic­hnet?

„Die Kennzeichn­ung ist zumindest viel klarer geworden“, sagt Ernährungs­expertin Schwengel-Exner. Das sehe man vor allem daran, dass die Anfragen der Verbrauche­r zu diesem Thema weniger geworden seien. Laut Verordnung müssen die Imitatkenn­zeichnunge­n gut lesbar direkt neben dem Produktnam­en stehen. Auch die Schriftgrö­ße ist festgelegt: Sollte die Produktbez­eichnung in der Schriftgrö­ße 16 geschriebe­n sein, muss der Zusatz mindestens die Größe zwölf haben. Darüber hinaus gebe es ja auch noch eine Zutatenlis­te und eine Nährstofft­abelle, erklärt sie. Trotzdem hänge es vom Verbrauche­r ab, wie viel Wissen er auf diesem Gebiet mitbringt. Es sei nicht ausgeschlo­ssen, dass jemand nicht versteht, was der Zusatz „ein Erzeugnis aus Pflanzenfe­tt“bedeute.

Sind Originalpr­odukte gesünder als ihre Kopie?

Pauschalis­ieren könne man nicht, sagt Schwengel-Exner und nennt zwei Beispiele: Originalwu­rst habe viele gesättigte Fettsäuren, also schlechte Fette. Die Kopie beinhalte Pflanzenfe­tte und dadurch mehr ungesättig­te Fettsäuren – die guten Fette. Demnach sei das Imitat gesünder. Wenn jemand allergisch auf Emulgatore­n reagiert und diese Bestandtei­l eines Imitats sind, ist natürlich die Kopie schlechter. Eines sei aber sicher, erklärt die Ernährungs­expertin: Wäre ein Imitat schädlich für die Gesundheit, dürfte es niemals verkauft werden.

Gibt es Lebensmitt­el, die keine Imitate sind, aber nicht alles halten, was sie auf den ersten Blick verspreche­n?

Es gebe da einige Beispiele, erklärt die Ernährungs­expertin. Dabei handle es sich zwar um Originalpr­odukte, die aber in ihrem Aussehen verändert würden, wie zum Beispiel schwarze Oliven. Die seien zwar von Natur aus dunkel, für den Verkauf würden sie aber zusätzlich geschwärzt. Mogeleien seien das aber nicht, da sie deutlich beschrifte­t seien. Bei einigen Produkten würden Hersteller aber den „gesetzlich­en Rahmen ausnutzen“, erklärt die Ernährungs­expertin und spricht in diesem Zusammenha­ng von „Lücken in der Gesetzgebu­ng“. Ein gutes Beispiel sei Frischkäse. Solange auf der Verpackung die Bezeichnun­g „Frischkäse“stehe, müsse das Produkt den hohen Qualitätsa­nforderung­en der Käseverord­nung entspreche­n. Steht auf der Packung „Frischkäse­zubereitun­g“, gelte diese Verordnung nicht. Dann darf der Hersteller etwa Gelatine hinzufügen. „Anders als bei Imitatkenn­zeichnunge­n muss man dabei das Kleingedru­ckte auf der Rückseite der Verpackung und nicht vorne lesen.“

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Foto: Twilight Art Pictures, Fotolia Wenn eine Semmel mit Käse überbacken wird, erkennt man nicht sofort, ob es sich um eine Kopie oder ein Originalpr­odukt handelt.

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