Forscherin identifiziert Mumien in Illereicher Gruft
Die Wissenschaftlerin Amelie Alterauge scheint herausgefunden zu haben, wer unter dem Gotteshaus begraben liegt
Eine Gruft – für manche vielleicht ein geheimnisvolles wie gruseliges Reich der Toten. Unter der Illereicher Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt befindet sich ein solches „Totenreich“. Für Amelie Alterauge ist dieser Ort Teil ihrer Doktorarbeit. Die Wissenschaftlerin hat sich also intensiv mit der Gruft beschäftigt. Daraus hat sie neue Erkenntnisse gewonnen, die nicht nur für die Forscherin interessant sein könnten.
Denn die unterirdische Grabstätte mit den mumifizierten sterblichen Überresten der einstigen Illereicher Herrscher sei ein „einzigartiges Zeugnis adeliger Bestattungskultur des späten 17. und 18. Jahrhunderts im süddeutschen Raum“, schreibt Alterauge in einem Bericht. Seit mehreren Jahren – wenn auch mit Pausen – befasse sich auch die Kirchenverwaltung mit diesem besonderen Raum unter dem Gotteshaus, sagt der stellvertretende Kirchenpfleger Harald Stölzle, der das Vorhaben betreut. Vor wenigen Wochen beschloss die Kirchenverwaltung dann, „die Mumienruhestätte in einen würdigen Zustand zu versetzen“. Maßgeblich für die Entscheidung der Kirchenverwaltung waren aber wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Gräbern, die bis dahin fehlten – und die Alterauge liefern konnte.
Sie hat herausgefunden, wer unter dem Gotteshaus bestattet worden sein soll. Dafür hat sie bereits im Juni 2014 eine erste Bestandsaufnahme vor Ort gemacht: Die Gruft sowie die Särge wurden damals vermessen, deren Zustand und Aussehen dokumentiert. Lose aufliegende Sargdeckel wurden kurz angehoben, der Inhalt beschrieben und fotografiert. Bei zusammengefallenen oder verkeilten Särgen verzichtete man auf dieses Anheben. Unter anderem anhand der Zähne, der Knochen sowie der Körperlänge hat die Forscherin jeden Leichnam soweit wie möglich anthropologisch untersucht, um dessen Geschlecht, Alter und somit auch die Identität des Toten zu ergründen. Teilweise konnten sogar noch Kleidungsreste dokumentiert werden. Im März dieses Jahres fand dann eine weitere Untersuchung mit einem transportierbaren Röntgengerät statt. Die Mumien wurden dabei nicht bewegt und in ihren Särgen gelassen.
Insgesamt zehn Särge liegen in der Gruft, die sich unterhalb der Apsis der Illereicher Kirche befindet. Der tonnengewölbte, kellerartige Raum mit einem kleinen, gemauerten Altar an der Ostseite ist gut acht Meter lang, vier Meter breit und zwei Meter hoch. Der Altar war einst über eine Steintreppe vom Kirchenschiff aus zugänglich. Heute ist der Zugang von einer Steinplatte verschlossen. Die Särge liegen auf unterwölbten, gemauerten Sarglagern. In den Nischen darunter befinden sich geschichtete, lose Knochen. Das Klima im Gewölbe ist trocken, kühl und es herrscht nur eine geringe Feuchtigkeit, was den guten Erhaltungszustand der Särge und die natürliche Mumifizierung der Leichname erklärt, so die Erkenntnisse der Forscherin. Außerdem sind die Särge innen unter anderem mit weißem Leinentuch und schmalen, schwarzen Bändern ausgestattet. Es sind größtenteils schmucklose, einschalige Holzsärge mit nicht mehr lesbaren Inschriftentafeln. Sie lassen sich laut Alterauge ins 17. und 18. Jahrhundert einordnen. Zwei davon sind Kindersärge. In Folge von Vandalismus in der Vergangenheit wurden manche Särge auch geöffnet.
Alterauge hat herausgefunden, dass allem Anschein nach Maximilian Wilhelm von Limburg-Styrum (1653–1728) in dem mit über 2,6 Meter längsten Sarg bestattet wurde. Neben ihm liegt wahrscheinlich seine Frau Maria Anna (1661– 1738). Ihre letzte Ruhestätte sollen dort zudem ihre beiden unverheirateten Töchter Amalia Lucia (1693– 1726) und Maria Ludovika Josefa (1695–1725) sowie unter anderem Ferdinand Gotthardt (1701–1791) und Ferdinand Eustachius (1753– 1767/68) gefunden haben.
Wann die Gruft gebaut wurde, ist nicht bekannt. Die Kirche wurde während der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts von Gaudenz von Rechberg errichtet. Einige Grabdenkmäler der von Rechbergs (Adelsfamilie von 1328 bis 1677 in Illereichen) befinden sich in der Kirche. Es ist auch keine vollständige Belegungsliste der Gruft überliefert. Jedoch kann aufgrund eines Visitationsberichts aus dem Jahr 1901 davon ausgegangen werden, dass es sich bei den Bestatteten um die Grafen von Limburg-Styrum (1677 bis 1791 in Illereichen) und deren Familienangehörige handelt. Diese Annahme wurde nun eben durch Alterauges Untersuchungen untermauert. Lose Knochen, die in Nischen gefunden wurden, sollen laut Visitationsbericht von dem vorausgehenden Adelsgeschlecht, also der Familie von Rechberg, stammen. In Verbindung mit historisch überlieferten Daten ergaben Alterauges Untersuchungen die genannten Identifizierungen der Bestatteten.
Die Kirchenverwaltung hat ihren Beschluss, die Gruft in einen würdigen Zustand zu versetzen, der Diözese mitgeteilt. Doch wie es weitergehen soll, gilt abzuwarten.
Tipps gibt es aber schon von Forscherin Alterauge. Zur Instandsetzung empfiehlt sie beispielsweise, auseinandergefallene Särge wieder zusammenzufügen, verstreute Knochen zusammenzutragen und diese zu dokumentieren. Außerdem rät sie, den Fußboden teilweise reparieren zu lassen.
Die Särge sind Thema einer Doktorarbeit