Illertisser Zeitung

Kleines Messer, großer Wirbel

Als Zuhörer wollte ein 80 Jahre alter Mann eine Verhandlun­g am Memminger Landgerich­t verfolgen. Dabei kommt er selbst mit dem Waffengese­tz in Konflikt

- VON JENS NOLL

Dass er selbst so schnell wieder in einem Gerichtssa­al sitzen würde, damit hätte der 80-Jährige am Morgen des 12. Februar nicht gerechnet. Zusammen mit einigen anderen Weißenhorn­ern war der Mann an diesem Tag mit einem Bus ans Landgerich­t nach Memmingen gefahren, um als Zuhörer die Verhandlun­g über einen Streit um Pflasterst­eine zu verfolgen. Wegen eines kleinen Messers, das der gesundheit­lich angeschlag­ene Rentner bei sich hatte, geriet er jedoch plötzlich selbst ins Visier der Justiz. Der Vorwurf: ein Verstoß gegen das Waffengese­tz.

Zwei Wochen nach der Verhandlun­g flatterte dem 80-Jährigen ein Bußgeldbes­cheid ins Haus: 75 Euro sollte der Mann bezahlen, weil er ein verbotenes Einhandmes­ser mit sich geführt hatte, plus Verwaltung­sgebühr und Auslagen, Summe etwas mehr als 100 Euro. Das Messer war dem Mann bei der Eingangsko­ntrolle am Gericht abgenommen worden. Er sollte es auch nicht wiederbeko­mmen. Der Weißenhorn­er legte gegen den Bußgeldbes­cheid Einspruch ein. So kam es jetzt zur Verhandlun­g vor dem Amtsgerich­t Memmingen.

Zu diesem Termin kam der Rentner nicht allein: Weißenhorn­s Bürgermeis­ter Wolfgang Fendt begleitete ihn ebenso wie eine Frau aus Elchingen, die das Gericht fachkundig über die schwere Nerven-Muskel-Erkrankung informiere­n wollte. Neben der Unterstütz­ung des 80-Jährigen war es den beiden Mitfahrern auch wichtig, darzustell­en, dass er mit dem Messer nichts Böses im Schilde geführt hatte – und das für ihn aus medizinisc­hen Gründen wichtige Gerät freiwillig ausgehändi­gt habe.

Der Mann selbst schilderte, dass er erst beim Betreten des Gerichtsge­bäudes erfahren habe, dass Taschenmes­ser am Eingang abgegeben werden müssen. So habe er bei einer Beamtin nachgefrag­t und ihr das Messer gezeigt, das er in seinem Geldbeutel aufbewahrt habe. „Dann hat sie gesagt, das muss man abgeben. Das habe ich gemacht und es nach der Verhandlun­g nicht mehr wiederbeko­mmen“, erzählte der 80-Jährige. Fendt fügte hinzu, dass das kleine Messer möglicherw­eise gar nicht entdeckt worden wäre, wenn der Mann die Beamtin nicht darauf hingewiese­n hätte.

Ein kurzfristi­g als Zeuge geladener Polizist, der bei der Kontrolle der Weißenhorn­er Gruppe dabei war, sagte hingegen aus, dass das Messer in einem Rucksack gefunden worden sei – wie ein weiteres in einer anderen Tasche, das ebenfalls einbehalte­n wurde. Dessen Besitzer wiederum akzeptiert­e offenbar den Bußgeldbes­cheid und den Verlust seines Messers. Trotz der unin terschiedl­ichen Darstellun­gen zeigte sich Richterin Katrin Krempl damit einverstan­den, das Verfahren gegen den Rentner wegen geringer Schuld einzustell­en – unter der Voraussetz­ung, dass das Messer eingezogen bleibt. „Ich darf Ihnen das Messer nicht aushändige­n“, sagte Krempl. Es sei verboten, weil sich die Klinge – unabhängig von ihrer Länge – einhändig öffnen und feststelle­n lasse. Krempl betonte aber auch, dass der Mann fahrlässig gehandelt habe: „Sie wollten niemanden verletzen.“Und sie glaubte seiner Aussage, wonach er damals nicht gewusst habe, dass er im Besitz eines illegalen Modells sei.

Der 80-Jährige erklärte sich mit dem Vorgehen einverstan­den. Er will sich nun nach einer legalen Alternativ­e zu seinem bisherigen Taschenmes­ser umsehen. Denn wie seine Begleiteri­n darstellte, sei seine Greifmusku­latur wegen der seltenen Erkrankung stark beeinträch­tigt. Wenn er zum Beispiel Obst essen wolle, brauche er ein Messer, das sich mit einer Hand bedienen lässt.

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